Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wird als Spitzenkandidatin der SPD bei der Hessischen Landtagswahl im Herbst 2023 antreten - und könnte damit eine Kabinettsumbildung auslösen. Hat sie Erfolg, muss sie ihren Posten in der Regierung räumen. Es stellt sich also die Frage, wer ihr als Innenminister folgen wird.
Bleibt sie trotz Kandidatur weiterhin Innenministerin? Wer sind ihre potenziellen Nachfolger? Alle Informationen im Text.

Nancy Faeser tritt als SPD-Spitzenkandidatin bei Landtagswahl in Hessen an

Kurz nach dem Rücktritt von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und deren schwieriger Nachfolge durch Boris Pistorius (SPD) muss sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bald erneut Gedanken über sein Kabinett machen. Auslöser ist Nancy Faeser. Die amtierende Bundesinnenministerin steht als Spitzenkandidatin der SPD für die hessische Landtagswahl am 8. Oktober bereit. Faeser könnte bei einem Wahlsieg erste Regierungschefin Hessens werden und zugleich das Bundesland nach mehr als 20 Jahren mal wieder in SPD-Hand zurückholen, so zumindest der Wunsch der SPD-Basis.
Faeser hatte es zuletzt sehr spannend gemacht, ob sie nun antritt oder nicht. Jetzt herrscht Klarheit. Die SPD braucht starkes Personal, wenn sie den Rückstand zur Union in Umfragen von zuletzt fünf Prozentpunkten noch aufholen will.
Faeser war von 2014 bis 2019 bereits Generalsekretärin der Hessen-SPD, 2019 übernahm sie Landesverband und Fraktion. Mit 94,3 Prozent wurde sie beim Parteitag in Marburg Anfang Mai 2022 als Parteichefin bestätigt. Dass Faeser an Hessen hängt, ist unbestritten. "Mein Herz ist in Hessen", rief sie und viele nahmen das als Startsignal für ihren Wechsel auf.
Auch der Zeitplan der Kandidatenkür und mangelnde Alternativen ließen in Hessen die Erwartung immer größer werden, dass Faeser antritt und versuchen wird, die erste Ministerpräsidentin des Bundeslands zu werden.

Spitzenkandidat in Hessen: Wie lange bleibt Faeser noch Innenministerin?

Kann Nancy Faeser noch Innenministerin bleiben, wenn sie in Hessen als Spitzenkandidatin antritt? Und wenn ja - wie lange?
Faeser sollte ihren Wählern auf jeden Fall zusagen, auch im Fall einer Niederlage nach Wiesbaden zu wechseln - auch wenn sie dann ganz ohne Amt dasteht. Denn die Konstellation erinnert an die Kandidatur des damaligen Bundesministers Norbert Röttgen (CDU) in Nordrhein-Westfalen. Er war 2012 als Umweltminister Spitzenkandidat geworden. Lange wollte er sich nicht festlegen, nach einer Wahlniederlage nach Düsseldorf zu wechseln. Er scheiterte, auch aufgrund eines ausbleibenden Bekenntnisses und wurde von der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) anschließend aus dem Kabinett geworfen.
12.11.2021, Berlin: Norbert Röttgen, CDU-Bundestagsabgeordneter, äußert sich auf einer Pressekonferenz zu seiner Kandidatur als Bundesvorsitzender der CDU.
12.11.2021, Berlin: Norbert Röttgen, CDU-Bundestagsabgeordneter, äußert sich auf einer Pressekonferenz zu seiner Kandidatur als Bundesvorsitzender der CDU.
© Foto: Kay Nietfeld/dpa
Faeser könnte wohl zumindest theoretisch über große Teile des Wahlkampfes Innenministerin bleiben. Das einflussreiche Amt würde ihr eine größere Bühne bieten, als sie sie als Wahlkämpferin aus der Opposition in Hessen heraus derzeit bekäme.
Praktisch gibt es allerdings Zweifel, ob Faeser im Hessen-Wahlkampf nebenbei das Bundesministerium führen könnte. Hat sie dann noch genügend Zeit, ihrer Aufgabe als Innenministerin nachzukommen? Die Razzia bei den Reichsbürgern hat gezeigt, wie sehr der Rechtsstaat unter Druck geraten ist. Umsturzpläne wie die der Reichsbürger erfordern eine Innenministerin, die voll bei der Sache ist. Als Halbtagsjob ist das Ministerium nicht zu führen.
Auch die Konkurrenz in Hessen fordert ein Bekenntnis. Eine wahlkämpfende Innenministerin, die den Amtsbonus ausnutzt, würde bei Grünen und CDU wohl auf wenig Gegenliebe stoßen.
Sollte Faeser die Wahl in Hessen verlieren, so würde sich auch die Frage stellen, ob sie weiter Innenministerin bleiben wird. Der Fall Röttgen 2012 macht es notwendig, sich mit der Frage zu beschäftigen. Aus dem Kanzleramt sind bislang keine Klagen über die Arbeit Faesers zu hören. Mit einem Verbleib der Hessin in Berlin auch nach einer Niederlage hätte der Kanzler wohl kein Problem. Auf der anderen Seite macht sich Faeser durch die Kandidatur und die dadurch entstehenden Probleme der zeitlichen Vereinbarkeit von Wahlkampf und Ministerium auch angreifbar. Hier bleibt abzuwarten, wie sich der Wahlkampf auf ihre Arbeit als Innenministerin auswirken wird.

Nancy Faeser: Wer könnte ihr als Innenminister folgen?

Nach Faesers Bekanntgabe ihrer Kandidatur für die Hessenwahl, wird neben der Frage, ob und wie lange sie während des Wahlkampfes noch Innenministerin bleibt, auch die Frage nach potenziellen Nachfolger zwingend erforderlich. Nach dem Rücktritt von Christine Lambrecht wäre für Scholz bereits der zweite Ministerposten, den er in diesem Jahr neu besetzen muss.
Schon lange vor Lambrechts Rücktritt war es in Berlin ein offenes Geheimnis, dass Lambrecht lieber ins Innenressort wechseln würde. Sie agierte im Bendlerblock unglücklich und hatte bei der Bundeswehr kein Ansehen aufbauen können. Der Helikopterflugskandal um ihren Sohn schadete ihrem Ruf zusätzlich. Viele Pannen und Peinlichkeiten hatten schließlich zu ihrem Rücktritt geführt.
Lambrecht, die ebenfalls aus der Hessen-SPD stammt, ist gelernte Rechtspolitikerin, sie würde die Rolle als Innenministerin wahrscheinlich deutlich besser ausfüllen können, als den Posten des Verteidigungsministers. Ob Lambrecht allerdings noch das nötige Vertrauen des Kanzlers genießt, den wichtigen Posten als Innenminister auszufüllen, bleibt allerdings mehr als fraglich.
Noch ist die Frage nach einer Nachfolge Faesers nicht Teil der aktuellen Debatte in der Regierung, obwohl erste Stimmen laut werden. So sagte der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft Heiko Teggatz dem Handelsblatt, dass die Entscheidung der Nachbesetzung bei einem Wechsel Faesers „in genau diesem Moment“ geklärt sein muss. „Wir können uns ein Vakuum an oberster Stelle der inneren Sicherheit nicht leisten.“
Kandidaten für eine Nachfolge Faesers werden sich wahrscheinlich frühestens zeigen, wenn Faesers Kandidatur für den Hessen-Wahlkampf auch offiziell bekannt gegeben wird.

Welche Folgen kann die Kandidatur für Faeser haben?

Welche Folgen könnte die Kandidatur als Spitzenkandidatin der SPD in Hessen für Faeser haben? Was, wenn Faeser verliert? Klar ist, für Faeser würde der Wahlkampf kein Selbstläufer und eine Niederlage könnte ihre Karriere jäh beenden.