Die Impfpflicht für die Mitarbeiter des Gesundheitswesens und der Pflege ist unter Dach und Fach: Nach dem Bundestag billigte am Freitag (10.12.) der Bundesrat einstimmig das neue Gesetz, das Impfungen für die Mitarbeiter in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen sowie etwa Arztpraxen vorsieht. Mit der Neuregelung wird auch der Kreis der Menschen erweitert, die Impfungen verabreichen dürfen. Dazu zählen fortan auch Apotheker und Tierärzte.
Für das Gesetz votierten im Bundestag in namentlicher Abstimmung am Freitag 571 der 689 teilnehmenden Abgeordneten. Dagegen stimmten 80 Parlamentarier, es gab 38 Enthaltungen.

Änderung des neuen Infektionsschutzgesetzes

Angesichts der vierten Corona-Welle soll das gerade erst geänderte Infektionsschutzgesetz nachgeschärft werden. Die Länder sollen darüber hinaus die Möglichkeit bekommen, in Hotspots auch schärfere Corona-Maßnahmen wie Restaurantschließungen zu ergreifen. Für die Neuregelungen soll erneut das Infektionsschutzgesetz geändert werden, das erst im November reformiert worden war.

Impfpflicht für Pflegekräfte und Personal in Kliniken, Heimen & Co.

Das Gesetz sieht erstmals eine Corona-Impfpflicht vor. Sie gilt für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Einrichtungen, in denen besonders durch Covid-19 gefährdete Menschen wohnen, behandelt oder betreut werden. Der Bundestag hat Änderungen am Infektionsschutzgesetz zugestimmt. Das Parlament verabschiedete am Freitag mit den Stimmen der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP sowie der Unterstützung der oppositionellen Union auch eine Ausweitung der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Der Bundestag hat die Impfpflicht für das Personal in Einrichtungen der medizinischen Versorgung und Pflege beschlossen.
Ab Mitte März 2022 sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Einrichtungen, in denen besonders durch Covid-19 gefährdete Menschen behandelt oder betreut werden, einer Impfpflicht unterliegen.
Die Liste der Einrichtungen zählt unter anderem
  • Krankenhäuser
  • Reha-Einrichtungen
  • Tageskliniken
  • Arzt- und Zahnarztpraxen
  • Praxen sonstiger medizinischer Heilberufe
  • Pflege- und Behinderteneinrichtungen
  • Entbindungseinrichtungen
  • Ambulante Pflegedienste
In Einrichtungen wie Kliniken oder Pflegeheimen gebe es „nach mehrmonatiger Impfkampagne noch relevante Impflücken“, heißt es im Entwurf. Beschäftigte sollen daher bis 15. März ihre vollständige Impfung oder Genesung nachweisen oder Arzt-Bescheinigungen vorlegen, dass sie nicht geimpft werden können. „Neue Tätigkeitsverhältnisse können ab dem 16. März 2022 nur bei Vorlage eines entsprechenden Nachweises eingegangen werden", heißt es weiter in dem Gesetz.
Ohne eine solche Vorlage könne das Gesundheitsamt dem oder der Beschäftigten „untersagen, dass sie die dem Betrieb der genannten Einrichtung oder des Unternehmens dienenden Räume betritt oder in einer solchen Einrichtung oder einem solchen Unternehmen tätig wird".
Die Impfpflicht gilt dabei nicht nur für das betreuende Personal, sondern für alle Mitarbeiter in den Einrichtungen, einschließlich Praktikanten, Zeitarbeitskräften und derjenigen, die einen Freiwilligendienst leisten. Für Bewohnerinnen, Patienten und Besucher gilt sie nicht.

Städtetags-Präsident hofft auf viele Impfungen

Städtetags-Präsident Markus Lewe (CDU) unterstützte die kommende Impfpflicht. „Wir hoffen, dass sich nun viele weitere Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern impfen lassen.“ Zugleich setze man auch auf eine Sogwirkung für viele andere, die nicht erst bis zu einer allgemeinen Impfpflicht warten wollen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte indes, in der Altenpflege versorge eine Pflegekraft zwei Menschen. „Verlassen nur zehn Prozent der schon heute hochbelasteten Beschäftigten ihren Beruf, werden 200.000 Pflegebedürftige keine professionelle Hilfe mehr erhalten können.“ Tägliches Testen und Impfen dürften nicht gegeneinander stehen.

Allgemeine Impfpflicht Deutschland: Kommt die Impfpflicht für alle?

Mit strengeren Maßnahmen vor allem für Ungeimpfte wollen Bund und Länder die vierte Coronawelle brechen. Die Bundesregierung hatte eine allgemeine Impfpflicht lange Zeit abgelehnt. Nun soll der Bundestag in den kommenden Wochen darüber entscheiden. Nach dem Wunsch des künftigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) soll sie bis spätestens Anfang März in Kraft treten. Bund und Länder gehen davon aus, dass die allgemeine Impfpflicht ab Februar kommen könnte. Der Ethikrat soll bis Jahresende eine Empfehlung dafür erarbeiten. Begrüßt werde, dass der Bundestag „zeitnah“ über das Thema entscheiden wolle.
Eine Abstimmung über eine mögliche allgemeine Corona-Impfpflicht im Bundestag könnte nach Aussage von Regierungssprecher Steffen Seibert Anfang 2022 stattfinden. „Wir sind dabei, einen Weg zu beschreiten, damit der Deutsche Bundestag Anfang des kommenden Jahres eine solche Entscheidung fällt. Aber das liegt natürlich komplett in den Händen der Abgeordneten des Deutschen Bundestages“, sagte er.
Seibert wies darauf hin, dass es vorher eine Empfehlung des Ethikrats zum Thema geben solle. „Das ist ja auch keine leichte Sache. Das ist eine Abwägungsfrage.“ Tenor der Einigung von Bund und Ländern am Donnerstag sei gewesen, dass man das jetzt für notwendig halte. Der Sprecher erwähnte das „noch nie da gewesene Infektionsgeschehen“, die Situation in den Kliniken, verschobene Operationen und die „Tatsache, dass jeden Tag Patienten quer durch Deutschland geflogen werden müssen“. Das alles habe auch mit einer nicht ausreichenden Impfquote zu tun.

Wäre eine allgemeine Impfpflicht verfassungsrechtlich möglich?

Verfassungsrechtler sehen eine allgemeine Impfpflicht als rechtlich möglich an, und der Bund hat die Gesetzgebungskompetenz dafür. Seine Zuständigkeit ergibt sich aus Artikel 74 Grundgesetz (GG): Er kann Gesetze für Maßnahmen gegen „gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten“ erlassen.
Allerdings gibt es auch vereinzelt Stimmen, die mildere Maßnahmen für noch nicht ausgeschöpft und eine allgemeine Impfpflicht derzeit für unverhältnismäßig halten.

Wie könnte eine Impfpflicht praktisch umgesetzt werden?

Darauf gibt es bislang kaum konkrete Antworten. Unstrittig ist: Es geht um eine Pflicht, keinen Zwang. „Käme es zu einer allgemeinen Impfpflicht, gibt es einen breiten Konsens unter Verfassungsrechtlern, dass es nicht zulässig wäre, Menschen zur Impfung zu zwingen“, so der designierte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zum Redaktionsnetzwerk Deutschland. Für Impfverweigerer sind ein Bußgeld oder Maßnahmen beim Krankenversicherungsschutz denkbar.

Meinungen und Äußerungen in der Politik zur Impfpflicht

In der Politik mehren sich die Stimmen, die eine allgemeine Impfpflicht fordern. Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz plädierte dafür. Für die Abstimmung im Bundestag solle der Fraktionszwang aufgehoben werden, sagte der SPD-Politiker. Auch der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck zeigt sich offen für eine allgemeine Impfpflicht. Er wies jedoch in der „Süddeutschen Zeitung“ darauf hin, es sei schon zu spät, um die aktuelle Welle zu brechen - selbst wenn sie sofort käme.
Aus den Reihen der FDP gebe es Stimmen dafür und dagegen, wenn im Bundestag ohne Fraktionszwang über eine Covid-19-Impfpflicht abgestimmt werden sollte, sagte der bisherige Fraktionsvize Stephan Thomae der Deutschen Presse-Agentur. Wie viele es jeweils seien, könne er noch nicht abschätzen. Denn das hänge auch von der konkreten Ausgestaltung des Entwurfs ab.
Führende CDU-Politiker hatten sich in der Vergangenheit eher skeptisch gegenüber einer verpflichtenden Impfung geäußert. Der rechts- und verbraucherpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak, sagte indes am Dienstag angesichts der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: Auch bei der Frage einer generellen Impfpflicht dürften die Freiheitsrechte der Ungeimpften nicht absolut gestellt werden.

Sorgen wegen Corona-Virusvariante Omikron

Die neue Virusvariante Omikron ruft Sorgen hervor. Sie ist womöglich noch ansteckender als die derzeit dominierende hochinfektiöse Delta-Variante. Experten erwarten eine schnelle Ausbreitung des Virus in Deutschland und rufen - wie die Politik - zu Impfungen und Auffrischungsimpfungen auf. Stand Samstag haben rund 18,7 Millionen Menschen eine sogenannte Boosterimpfung erhalten - das entspricht etwa 22,5 Prozent der Bevölkerung.

Impfung gegen Corona in Apotheke, beim Zahnarzt oder Tierarzt?

Impfungen sollen künftig auch von beispielsweise Zahnärzten oder Apothekern durchgeführt werden können. Befristet sollen nach entsprechenden Schulungen Apotheker, Tierärzte und Zahnärzte zu Impfungen bei Menschen ab 12 Jahren berechtigt werden. Voraussetzung sollen eine ärztliche Schulung und geeignete Räumlichkeiten oder Einbindungen in mobile Impfteams sein. Muster-Schulungskonzepte sollen bis 31. Dezember entwickelt werden.
Der Bundesverband praktizierender Tierärzte forderte dafür eine rechtliche Absicherung. Die Tierärzte leisteten im Rahmen der Möglichkeiten gerne ihren Beitrag, sagte Verbandspräsident Siegfried Moder, der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Dienstagsausgabe). "Mich verwundert aber, dass bislang niemand auf uns zugekommen ist."

Umfrage: Fast zwei Drittel für allgemeine Corona-Impfpflicht

Fast zwei Drittel der Menschen in Deutschland befürworten eine allgemeine Corona-Impfpflicht, über die bald der Bundestag abstimmen wird. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sprachen sich 63 Prozent dafür aus, alle Menschen in Deutschland zur Immunisierung gegen das gefährliche Virus zu verpflichten. Nur 30 Prozent sind dagegen, 7 Prozent machten keine Angaben.

RKI-Chef Wieler: Impfpflicht muss sorgsam überlegt werden

Der Chef des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, hat sich in der Debatte über eine Corona-Impfpflicht für ein behutsames Vorgehen ausgesprochen. Das Thema müsse „sehr, sehr sorgsam kommuniziert und überlegt werden“, sagte Wieler am Freitag in Berlin.
RKI-Chef Lothar Wieler erwartet durch die Omikron-Variante des Coronavirus mehr Ansteckungen als durch die derzeit dominierende Delta-Variante. Deshalb sei das Impfen sehr wichtig.
RKI-Chef Lothar Wieler erwartet durch die Omikron-Variante des Coronavirus mehr Ansteckungen als durch die derzeit dominierende Delta-Variante. Deshalb sei das Impfen sehr wichtig.
© Foto: Kay Nietfeld/dpa
Laut Lothar Wieler gebe es ganz viele Fragen, etwa ab welchem Alter eine Impfpflicht gelten und wie sie vollzogen werden solle und wie damit umgegangen werde, dass Impfungen keinen 100-prozentigen Schutz brächten, sondern eventuell aufgefrischt werden müssten.

Stiko-Chef Mertens: Persönliche Aussage zur Kinderimpfung war ein Fehler

Thomas Mertens, Vorsitzender der Stiko, hat eingeräumt, mit seiner persönlichen Aussage zur Ablehnung einer Kinderimpfung gegen Corona einen Fehler gemacht zu haben. Mertens hatte in einem Podcast der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ Anfang Dezember erklärt, wenn er ein sieben- oder achtjähriges Kind hätte, würde er es „wahrscheinlich jetzt nicht impfen lassen“.
Dem Nachrichtensender Welt sagte Mertens: „Die Entscheidung über die Impfung ist wirklich eine sehr persönliche Sache, und das reflektiert sich ja auch in unserer derzeitigen Impfempfehlung. Es war damals wahrscheinlich der einzige Fehler, den ich gemacht habe, dass ich überhaupt etwas Persönliches gesagt habe.“ Die Stiko hatte am Donnerstag eine Impfung von Kindern von fünf bis elf Jahren empfohlen, die Risikofaktoren für einen schweren Covid-19 Verlauf oder Angehörige mit hohem Risiko haben. Außerdem können Eltern nach einer Aufklärung auch ihre gesunden Kinder impfen lassen.

Bayerns Gesundheitsminister: Lage kann Position zu Impfpflicht verändern

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hat die ursprüngliche Absage der Politik an eine Impfpflicht verteidigt. Zu Beginn der Corona-Pandemie sei es richtig gewesen zu sagen, eine Impfpflicht sei nicht notwendig, so der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz am Montag im ZDF-Morgenmagazin vor der geplanten Konferenz des Gremiums am Dienstag. Es sei aber zugleich richtig, eine Ansicht der Lage anzupassen, wenn es keinen anderen Weg gebe, aus der Corona-Pandemie herauszukommen. Er sei gespannt, wie sich der Ethikrat dazu äußern werde. Der Ethikrat soll bis Jahresende eine Empfehlung zur allgemeinen Impfpflicht vorbereiten.

Vorstandsvorsitzende der Krankenhausgesellschaft: Impfpflicht abhängig von der Entwicklung des Virus

Die bereits beschlossene Impfpflicht für Personal in Kliniken und Pflegeheimen hält der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft Gerald Gaß für eher unproblematisch. Die Impfquote in den Krankenhäusern sei mit über 90 Prozent sehr hoch, sagte er. Man sei zuversichtlich, dass die anderen durch Aufklärung noch zu überzeugen seien. „Wir hoffen, dass es nur sehr wenige sind, die am Ende sich wirklich nachhaltig verweigern und die wir dann in letzter Konsequenz vielleicht auch verlieren werden.“ Neues Personal sei dann aber nicht so schnell zu rekrutieren, weil Intensiv-Pflegekräfte eine zweijährige Weiterbildung durchlaufen müssten. Die Notwendigkeit einer derzeit politisch erst angestrebten allgemeinen Impfpflicht machte Gaß von der Entwicklung des Virus abhängig. „Die allgemeine Impflicht wäre eine logische Konsequenz aus unserer Sicht, wenn sich tatsächlich zeigt, dass (die Virus-Variante) Omikron so ansteckend ist, dann brauchen wir eben eine noch viel höhere Impfquote, als wir sie ganz am Anfang für (die Variante) Alpha prognostiziert haben.“