Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner steigt deutlich. Am Sinntag, 21.03., lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei 103,9, wie aus den Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) hervorging.
Wie stark dabei neben ansteckenderen Virusvarianten und dem Verhalten der Menschen im Zuge erster Lockerungen zuletzt auch die eingeführten Schnelltests einen Einfluss haben könnten, ist noch unklar. Angenommen wird, dass sich darüber mehr Infektionen aufspüren lassen, die dann mit einem PCR-Test bestätigt werden und in die Statistik einfließen. In den bisher verfügbaren Daten sticht allerdings noch keine sehr starke Zunahme bei der Zahl der wöchentlichen PCR-Tests ins Auge.
Der bisherige Höchststand der Inzidenz war am 22. Dezember 2020 mit 197,6 erreicht worden. Die dritte Welle könnte nach einer Prognose des RKI weitaus schlimmer werden: Das Institut prognostiziert in der Woche nach Ostern höhere Neuinfektionszahlen als rund um Weihnachten. Die Inzidenz könnte dann bei 350 liegen, wie es im Lagebericht vom Freitagabend heißt. Demnach zeigt sich bei der Variante B.1.1.7 ein exponentiell ansteigender Trend der Sieben-Tage-Inzidenz seit der zweiten Kalenderwoche. Alle zwölf Tage habe sich diese verdoppelt.

RKI-Vizepräsident: „Infektionsgeschehen gewinnt an Dynamik“

Der Anstieg der Corona-Infektionszahlen in Deutschland verläuft nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts wieder „ganz deutlich exponentiell“. „Das Infektionsgeschehen gewinnt an Dynamik“, sagte RKI-Vizepräsident Lars Schaade am Freitag in Berlin.
Angesichts der raschen Ausbreitung der ansteckenderen Virusvariante B.1.1.7 stünden „leider wieder schwere Wochen bevor“, sagte Schaade. Eine Verschlimmerung der Lage um Ostern, vergleichbar mit der Zeit vor Weihnachten, sei gut möglich. „Dieser Anstieg der Fallzahlen ist real. Nach unseren Daten lässt er sich nicht damit erklären, dass mehr Schnelltests gemacht werden“, betonte er. Die ansteckendere und wohl auch tödlichere Variante B.1.1.7 wird nach RKI-Daten inzwischen in etwa drei von vier Fällen nachgewiesen.

Merkel kündigt Impfstart in Arztpraxen nach Ostern an

Die Hausärzte in Deutschland sollen nach Ostern flächendeckend mit Impfungen gegen das Coronavirus beginnen. Allerdings würden zunächst wohl nur etwa 20 Impfdosen pro Woche und Praxis zur Verfügung stehen, weil der Impfstoff nach wie vor knapp sei, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitagabend nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten zur Impfpolitik. Ab Ende April sollen die Hausärzte dann Schritt für Schritt deutlich mehr Menschen impfen können.
Die Impfkampagne müsse im zweiten Quartal „so flexibel wie möglich vorankommen“, sagte Merkel: „Die Devise lautet impfen, impfen, impfen.“ Es gehe nun darum, dass „bewährte deutsche Gründlichkeit um mehr deutsche Flexibilität ergänzt“ werde.
Die Kanzlerin machte zugleich klar, dass sie angesichts der steigenden Infektionszahlen keine Möglichkeit für Lockerungen sehe - vielmehr müssten eher die unlängst in Kraft getretenen Lockerungen wieder zurückgedreht werden.
Die Hausärzte sollten sich nach Ostern bei der Auswahl der zu impfenden Patienten grundsätzlich an den Priorisierungsvorgaben orientieren, sagte Merkel. Die Priorisierung könne von den Ärzten aber „flexibel gehandhabt werden“. Merkel räumte ein, dass die Arztpraxen zunächst nur wenig Impfstoff zur Verfügung hätten. „Das wird sich erst aufbauen“, sagte sie. „Aber es ist wichtig, jetzt anzufangen.“

Corona-Schnelltests sollen neue Infektionsketten verhindern

Die verstärkten Corona-Schnelltests sollen immer neue Infektionsketten und -herde verhindern. Erschwert wird das, weil die britische Virusmutante seit Wochen immer stärker um sich greift. Gleichzeitig öffneten in den meisten Regionen Deutschlands in dieser Woche weitere im Lockdown geschlossene Bereiche. Schnelltests durch geschultes Personal etwa in Apotheken und Testzentren waren zunächst erwartungsgemäß noch nicht überall verfügbar, Tests zum eigenen Einsatz zum Verkaufsstart am Wochenende schnell vergriffen.
Nach Prognosen der Deutschen Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sind schnelle Fortschritte beim Impfen in den kommenden Wochen entscheidend, um eine dritte Welle möglichst flach zu halten. Während sich Deutschland noch in einer Talsenke befinde, steige die Kurve der Intensivversorgung in anderen Ländern wie Belgien, Frankreich und Italien derzeit wieder an, Tschechien sei bereits mittendrin.

Intensivmediziner plädieren für Rückkehr in harten Lockdown

Der wissenschaftliche Leiter der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Christian Karagiannidis, hat für eine sofortige Rückkehr in den harten Lockdown plädiert. „Wir haben schon vor zwei, drei Wochen gesagt, dass wir die Füße eigentlich noch hätten stillhalten müssen bis Anfang April“, sagte Karagiannidis im Rundfunk Berlin-Brandenburg. Die Impfungen seien bis dahin weiter fortgeschritten, schwere Verläufe auf Intensivstationen könnten so verhindern werden.
Angesichts aktueller Daten und der Verbreitung der britischen Mutante des Coronavirus sei absehbar, dass die Zahl der Intensivpatienten schon bald wieder steigen werde. Sollte dem Virus die Chance zur weiteren Verbreitung geboten werden, würde es „auf dem hohen Niveau doppelt so schwierig sein, von den Zahlen wieder runterzukommen“, warnte Karagiannidis.
Um eine starke dritte Welle zu verhindern, sei es nötig, „jetzt sofort wieder in einen Lockdown zu gehen“. Die bundesweite Teststrategie könne zwar helfen, einen großen Teil der positiven Fälle zu identifizieren und Ansteckungen zu verhindern, sagte Karagiannidis. Noch wichtiger sei aber ein schneller Fortschritt bei den Impfungen, insbesondere bei den über 50- und 60-Jährigen.
Sobald die Altersgruppe über 60 geimpft sei, würde dies zu einer deutlichen Entlastung der Intensivstationen führen. Aktuell habe sich die Situation aber kaum gebessert, frei werdende Betten würden umgehend mit anderen Patienten belegt. „Die Belastung für das Personal ist weiterhin extrem hoch“, sagte Karagiannidis.

RKI: Corona-Gefährdung für Bevölkerung „sehr hoch“

Die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung sei nach wie vor „sehr hoch“, teilte das Robert-Koch-Institut (RKI) mit. „Wir haben ganz klare Anzeichen dafür: In Deutschland hat die dritte Welle schon begonnen“, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler im Gespräch mit der UN-Journalistenvereinigung (ACANU) in Genf. „Ich bin sehr besorgt.“ Die strikte Anwendung von Schutzmaßnahmen wie Maske tragen und Abstand halten sei trotz Impfungen weiter dringend nötig.
Die Impfkampagne sei ein Wettlauf gegen das mutierende Virus. Die Ziellinie sei aber in Sicht: Wenn es keine Unterbrechungen wegen Produktionsausfällen oder aus anderen Gründen gebe, könnten bis Herbst 80 Prozent der Bevölkerung immun gegen das Virus sein. „Wenn das der Fall ist, können alle Maßnahmen aufgehoben werden“, sagte Wieler.
"In Deutschland hat die dritte Welle schon begonnen", sagt RKI-Chef Lothar Wieler.
„In Deutschland hat die dritte Welle schon begonnen“, sagt RKI-Chef Lothar Wieler.
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Berliner Forscher: „Dritte Corona-Welle ist schon da und in voller Fahrt“

Auch Kai Nagel, Professor an der Technischen Universität Berlin, teilt diese Einschätzung. Nach seiner Ansicht rollt die dritte Corona-Welle bereits durch Deutschland. Sie sei „schon da und in voller Fahrt.“ Und sie werde höhere Infektionszahlen und mehr Tote als die zweite Welle bescheren – „wenn wir nicht energisch gegensteuern und den Werkzeugkasten erweitern“, sagte Nagel in einem Interview mit der Berliner Zeitung. Als Grund für diese Dynamik nennt Nagel die ansteckenden Mutationen des Coronavirus.

Corona-Mutationen: Welche Rolle spielen die Virus-Varianten B117, B1351 und B1525?

Virologen weisen darauf hin, dass ein Virus wie SARS-CoV-2 sich permanent verändert. Das ist normal. Doch nur wenige dieser tausenden Veränderungen des Coronavirus setzen sich durch und können eine Gefahr darstellen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) beobachtet diese so genannten „bedenklichen Varianten“ (Variants of Concern, kurz VOC) und registriert deren Verbreitung. Um festzustellen, ob und welche Mutationen bei einem positiven Corona-Test vorliegen, erfolgt in den Labors eine so genannte Genomsequenzierung.
Zu den bedenklichen VOC-Mutanten gehören aktuell:
  • die britische Mutation B117,
  • die südafrikanische Mutation B1351 und
  • die brasilianische Variante P1.
Laut RKI weisen diese besorgniserregenden Varianten als wichtige Gemeinsamkeit die Mutation N501Y auf und traten jeweils zuerst in Großbritannien, Südafrika und Brasilien auf. Welche Rolle diese Varianten im Hinblick auf die 7-Tage-Inzidenz spielen, lesen sie hier.

Corona-Impfung von Johnson & Johnson in der EU zugelassen

Die Europäische Union hat einen vierten Corona-Impfstoff zugelassen: Auch das Mittel des US-Herstellers Johnson & Johnson kann ab sofort genutzt werden. Die EU-Kommission genehmigte dies am Donnerstag auf Empfehlung der Arzneimittelbehörde EMA. Bei dem Mittel reicht - anders als bei anderen Präparaten - eine Spritze, was Impfungen sehr beschleunigen könnte. Es ist zudem leicht handhabbar, weil es im Kühlschrank gelagert werden kann.

Corona Beschlussvorlage 22.03.21: Lockdown bis April?

Vor dem Corona-Gipfel morgen, 22.03.21, ist die Beschlussvorlage öffentlich. Wie geht es mit dem Lockdown im April weiter? Welche neuen Regeln zu Schnelltests, Maskenpflicht sowie Urlaub und Öffnung an Ostern Merkel und Co. diskutieren. 

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