In Italien wächst die Furcht vor einer zweiten Corona-Infektionswelle: Wie das Gesundheitsministerium in Rom am Freitag mitteilte, wurden seit Donnerstag landesweit mehr als 5300 Neuinfektionen mit dem Coronavirus registriert. Am Sonntag wurden über 5700 Neuinfektionen gezählt. So viele binnen eines Tages hatte es in Italien zuletzt im April gegeben. Der Regierungsberater und WHO-Vertreter Walter Ricciardi warnte vor einem drohenden Mangel an Krankenhausbetten.
„Wir stehen unter extremem Druck“, sagte Ricciardi in einem Interview mit dem Sender Sky TG24. Zu befürchten sei ein Anstieg der Infektionsfälle auf bis zu 16.000 am Tag.
Von dem derzeitigen Anstieg bei den Neuinfektionen am schwersten betroffen sind die Regionen Latium, Kampanien und Lombardei. Die norditalienische Lombardei gehörte während der ersten Corona-Infektionswelle zu den am schwersten von der Pandemie betroffenen Regionen Europas.
Im Gegensatz zu den Deutschen, die derzeit Europa mit ihren Reisewarnungen überziehen, gibt sich Italien jedoch im Hinblick auf Auslandsreisen neutral und überlässt das Thema bislang der Eigenverantwortung der Bürger.
Regierung will erneuten Lockdown verhindern
Italiens Regierung bereitet nach Medienberichten eine erneute Verschärfung der Anti-Corona-Maßnahmen vor, um den steilen Anstieg der Ansteckungszahlen zu bremsen. Rom plane ein striktes Verbot von Gruppen im Freien vor Bars und Restaurants, hieß es am Samstag in verschiedenen italienischen Zeitungen. Außerdem solle die Teilnehmerzahl für private Feiern stark begrenzt werden. Damit wolle Rom einen zweiten großen Lockdown vermeiden. Die Regierung von Premier Giuseppe Conte hatte im März für viele Wochen Wirtschaft und Leben in dem 60-Millionen-Einwohner-Land stark eingeschränkt.
Menschenansammlungen sollen vermieden werden
Die Zeitung „Corriere della Sera“ schrieb, bisherige Regeln gegen abendliche Menschengruppen vor Lokalen seien in größeren Städten zunehmend missachtet worden. Jetzt erwäge die Regierung, das Stehen draußen vor Bars und Restaurants ganz zu verbieten. Dort würden Gäste dann nur noch an Tischen mit viel Abstand sitzen dürfen. Noch verhandelt das Kabinett intern über die Details möglicher Schutzmaßnahmen. Ein neues Dekret dürfte aber bis zum 15. Oktober fertig sein, berichtete die Zeitung.
Eine Maskenpflicht im Freien besteht bereits in ganz Italien. Lediglich in Südtirol, wo die Corona-Zahlen ebenfalls steigen will man sich von der radikalen Maskenpflicht etwas abkoppeln.
Protest gegen Auflagen am Samstag
Trotz der steigenden Corona-Infektionszahlen haben in Rom am Samstag mehrere Tausend Menschen gegen die Gesundheitspolitik der Regierung protestiert. Aufgerufen zu dem „Marsch der Befreiung“ hatten Gruppen, die sich unter anderem gegen eine angebliche „Gesundheitsdiktatur“ in der Pandemie wenden. Beteiligt waren auch EU- und Impfgegner. Die Zeitung „La Repubblica“ schrieb, es hätten sich weniger als 2000 Teilnehmer auf der Piazza San Giovanni versammelt. Die Veranstalter sprachen nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa von rund 7000 Menschen. Es kam zu Rangeleien zwischen Polizei und Demonstranten, wie auf Videos zu sehen war. Ein Teil der Protestierenden trug trotz der Maskenpflicht keinen Mund-Nasen-Schutz.
Lage in Italien ähnlich wie in Deutschland: Nationale Grenzen schützen nicht vor Corona
Die EU-Kommission hat sich unterdessen gegen erneute Grenzschließungen wegen Corona ausgesprochen, da der Nutzen von solchen Zwangsmaßnahmen umstritten ist, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen jedoch immens sein können.
Neue Kriterien für Corona-Zahlen in Italien und Europa?
Jenseits der Alpen wird auch auf eine europaweit einheitliche Einstufung von Risikogebieten gesetzt. Die Anwendung des Grenzwerts von „50 Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner und Woche“ würde dann um weitere Kriterien wie die Quote der positiven Tests und die Auslastung der Intensivstationen ergänzt, schlägt zumindest die EU vor.
Das sind die Corona-Zahlen für Italien:
- Infektionen gesamt: 349.494
- Zahl der Neuinfektionen: 5.724
- Todesfälle: 36.140
- Genesene: 238.525
- Aktive Fälle: 74.829
- Stand: 11. Oktober, 11.25 Uhr
- Quelle: Dashboard Gesundheitsministerium Italien