Die Kinder gehen pünktlich ins Bett und schlummern friedlich. Partnerin und Partner verbringen entspannte Stunden auf der Couch, bis sie sich selbst zur Ruhe legen. Am nächsten Morgen wachen sie erholt auf und starten energievoll in den Tag – ein Szenario, von dem viele Eltern während der ersten Jahre nur träumen können. Schlafmangel als ständiger Begleiter ist für junge Mütter und Väter eher die Regel. Auch, weil Kinder gerne im Gräbele schlafen und dadurch den Schlaf der Eltern beeinflussen.
Wie oft und wie lange Kinder zwischen den Ehepartnern im Elternbett schlafen sollten, ist ein Streitthema. Die Vorstellungen der Eltern sind ebenso individuell wie die Bedürfnisse der Kinder. Daher steht für Anja Raible fest: „Ein konkretes Alter, ab dem Kinder aus dem Gräbele sollten, gibt es nicht“, sagt die Psychologin der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche in Albstadt. „Es gibt Eltern, die einfach abwarten, bis das Kind von sich aus im eigenen Zimmer schläft. Andere stört es mehr und sie müssen Lösungen finden, die für alle passen – beides ist vollkommen in Ordnung“, sagt Raible.

Eltern sollen sich keinen Druck machen

So sieht es auch ihre Kollegin bei der Beratungsstelle, Sina Ellis. Wenn es kein konkretes Alter für den Auszug aus dem Gräbele gibt, woran sollten Eltern es dann festmachen? „Wenn gemeinsam schlafen für alle Stress anstatt Erholung bedeutet“, sagt die Sozialpädagogin. Sind Eltern über den Tag weniger belastbar, weil Tiefschlaf fehlt, müsse man etwas ändern. Nur was?
Wenn es um die nächtliche Ruhe geht, empfehlen Raible und Ellis jungen Eltern erst einmal: ruhig bleiben. „Viele machen sich selbst Druck, weil sie von anderen hören, dass deren Kinder im eigenen Zimmer durchschlafen“, sagt Raible. Doch ob das Gesagte in der Praxis wirklich stimme, wisse man nicht. Zumal: Dass Kinder nachts die Nähe der Eltern suchen, „ist vollkommen normal“, betont Ellis. „Auch Erwachsene fühlen sich wohler, wenn sie nicht alleine schlafen müssen.“ Die Tochter oder der Sohn komme nicht ohne Grund ins Elternbett, sondern weil ein Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit besteht.
Ist ein gemeinsames Bett als Schlafplatz für alle Familienmitglieder in Ordnung, müsse man den Auszug aus dem Gräbele nicht erzwingen, nur weil man das von anderen höre – oder von den eigenen Eltern. „Die Haltung hat sich in vielen Erziehungsfragen geändert, so auch beim Thema Schlafen“, sagt Raible. „Oft ist es schlichtweg komfortabler, das Kind im Elternbett schlafen zu lassen, als dreimal in der Nacht aufzustehen, um im Kinderzimmer zu warten, bis das Kind wieder eingeschlafen ist.“ Brauchen Kinder Nähe und Geborgenheit, um einzuschlafen, sollten sie diese auch spüren. „Das hat nichts mit Verwöhnen zu tun“, sagt Raible. Sie trennt Schlaf und Erziehung voneinander – somit wäre Strenge fehl am Platz.

Tipp: Das Kinderzimmer umgestalten

Doch was können Eltern unternehmen, wenn ihr Schlaf gestört wird und das Kind nicht im eigenen Zimmer bleiben möchte? Ein Versuch wäre es, das Kinderzimmer umzugestalten. „Mit Leuchtsternen, Nachtlicht und Co. gibt es viele Optionen, die dem Kind beim Einschlafen helfen können“, sagt Anja Raible. Wichtig sind Rituale. Ein eingespielter, verlässlicher Ablauf vor dem Schlafen gehen hilft den Kindern, zur Ruhe zu kommen. Gemeinsam ein Kinderbuch lesen und dabei das Licht dämmen, signalisiert dem Körper runterzufahren. Neue Reize durch Videos oder Fernsehen sind dagegen kontraproduktiv. „Bei Geschwisterkindern kann es helfen, nicht zwei separate Kinderzimmer zu haben, sondern stattdessen einen Raum fürs Spielen und einen Raum zum Schlafen festzulegen“, sagt Sina Ellis. Auch Schwester oder Bruder in der Nähe zu spüren, sorgt für Geborgenheit.
Weil es oft um räumliche Nähe geht, kann eine Matratze auf dem Boden neben dem Elternbett die Lösung sein. Dieses Beispiel haben Raible und Ellis in einer Beratung gehört. „Wenn das für das Kind und für die Eltern funktioniert, spricht überhaupt nichts dagegen“, sagt Raible. Selbst Kinder, die bereits aus dem Grundschulalter raus sind, kommen hin und wieder ins Gräbele. Ist das nicht merkwürdig? „Wenn es Ausnahmen sind, beispielsweise nach einem Alptraum, ist das nachvollziehbar“, sagt Anja Raible. Dann gibt es einen konkreten Auslöser und erneut das Bedürfnis nach Sicherheit.

Kinder dürfen kein Puffer sein

Kommen Kinder regelmäßig ins Elternbett, obwohl sie zuvor schon über lange Zeit im Kinderzimmer geschlafen haben, sollten Eltern aufmerksam bleiben. Was ist der Auslöser? Gibt es andere Sorgen, beispielsweise in der Schule? Oder sogar in der eigenen Familie? „Wenn es in der Beziehung der Eltern kriselt, können Kinder sich gegebenenfalls als Puffer sehen und sich deshalb zwischen die Eltern legen“, sagt Raible. „Das ist höchst ungesund, weil sich die Rollen von Eltern und Kind vertauschen.“
In funktionierenden Familien gilt dagegen: Jede Phase geht einmal zu Ende. Folglich auch die Zeit des Gräbeles. „Kinder im Grundschulalter entwickeln von sich aus den Ehrgeiz, im eigenen Bett zu schlafen“, sagt Pädagogin Sina Ellis. „Sie wollen groß und eigenständig sein.“ Dann passiert es sogar, dass Eltern das Kind im Gräbele vermissen.

Mehr zum Thema

Alles, was Eltern beschäftigt und für Kinder wichtig ist, finden Sie in unserer SWPplus-Themenreihe „Familie“ unter swp.de/familie. Falls Sie die Inhalte direkt in Ihrem Postfach möchten, abonnieren Sie doch unseren Familien-Newsletter.
Newsletter-Anmeldung
Familie
Wöchentlicher Versand
Was beschäftigt Eltern, wie sieht moderne Erziehung aus, wie ist Familie und Beruf zu vereinbaren, was ist gut fürs Kind? Wir berichten und sprechen mit Experten, Ärzten und Beratern über (Alltags-)Fragen vieler Eltern.
Anrede *
E-Mail-Adresse
Vorname
Nachname
Wir nehmen den Schutz Ihrer Daten ernst. Bitte lesen Sie mehr dazu unter www.swp.de/privacy.