In Europa wurde am vergangenen Wochenende an das Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert. Der Samstag, 8. Mai, steht in Deutschland traditionell für den „Tag der Befreiung“. Am 9. Mai werden Russland und andere ehemalige sowjetische Staaten den „Tag des Sieges“ über Nazi-Deutschland feiern. In Russland ist dieser Feiertag einer der wichtigsten im Jahr. Seitdem er an der Macht ist veranlasst Präsident Wladimir Putin jedes Jahr am Gedenktag eine riesige Militärparade in Moskau. Auf dem Roten Platz hält der Präsident dann eine Rede.
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine wird der Tag des Sieges in Russland dieses Jahr mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Insbesondere, da Putin bis zum 9. Mai einen Sieg über die Ukraine vorweisen wollte. In unserem Artikel findet ihr die wichtigsten Infos zu folgenden Punkten:
  • Was ist der Tag des Sieges?
  • Was ist von Putin heute zu erwarten?
  • Was sind die Hintergründe zum 9. Mai 2022?

9. Mai 1945: Warum in Russland dieser Tag gefeiert wird

Die Kurzbeschreibung dessen, was im Mai 1945 passiert ist lautet: Die Kapitulation von Deutschland wurde rechtskräftig, somit war der Zweite Weltkrieg in Europa beendet. Das Ende des Krieges im Pazifik war erst am 2. September, nachdem die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki gefallen waren.
Deutschland hat eigentlich schon am Tag vorher, am 7. Mai, die Kapitulation aller Streitkräfte unterzeichnet. Sie trat aber erst am 8. Mai um 23:01 Uhr MEZ in Kraft. Aus diesem Grund wird auch in Russland erst am 9. Mai, dem „Tag des Sieges“, die Kapitulation Deutschlands gefeiert. Nach Moskauer Zeit war die Kapitulation am 9. Mai um 01:01 Uhr rechtskräftig.
Unterzeichnet wurde die Kapitulation von Generaloberst Alfred Jodl in der französischen Stadt Reims. Er tat dies in Stellvertretung für die deutsche Führung, nachdem Adolf Hitler am 30. April 1945 Selbstmord begangen hatte.
Generaloberst Alfred Jodl unterzeichnete am 7. Mai 1945 die Kapitulation.
Generaloberst Alfred Jodl unterzeichnete am 7. Mai 1945 die Kapitulation.
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Tag des Sieges in Russland: Parade am 9. Mai

In Russland und anderen ehemaligen Sowjetstaaten wird der 9. Mai als gesetzlichen Feiertag begangen. In Russland wird an diesem Tag der Sieg der Sowjetunion im „Großen Vaterländischen Krieg“ gefeiert. Für Russland ist der 9. Mai eines der wichtigsten Feiertage im Jahr. Seitdem Wladimir Putin in Russland der Präsident ist, gibt es am 9. Mai wieder eine jährliche Militärparade.
Die riesige Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau am Tag des Sieges.
Die riesige Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau am Tag des Sieges.
© Foto: dpa

9. Mai 2022: Was Putin gesagt hat

Auf dem Roten Platz in Moskau gibt es jedes Jahr zum 9. Mai auch eine Rede von Präsident Putin. Seit jeher dreht sich die Rede um die Großmacht Russlands und die Stärke des Präsidenten.
Kremlchef Wladimir Putin hat zum 77. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg vor einem neuen Weltkrieg gewarnt. Der damalige Kampf bedeute nicht nur die Verpflichtung, das Andenken derer zu erhalten, die den Nazismus besiegt hätten. Aufgabe sei es, „wachsam zu sein und alles zu tun, damit sich die Schrecken eines globalen Krieges nicht wiederholen“, sagte Putin bei der größten Militärparade des Landes auf dem Roten Platz in Moskau.
Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine überschattete den 9. Mai, der als „Tag des Sieges“ über den Diktator Adolf Hitler gefeiert wird. Auch heute werde im Donbass in der Ostukraine für die Sicherheit Russlands gekämpft, sagte Putin. Der Kreml spricht dabei nicht von Krieg, sondern von einer „militärischen Spezial-Operation“. Die mit einem Großaufgebot an Uniformierten gesicherte Innenstadt von Moskau glich einer Festung.
Am Abend des Tag des Sieges gibt es ein Feuerwerk-Spektakel über Moskau.
Am Abend des Tag des Sieges gibt es ein Feuerwerk-Spektakel über Moskau.
© Foto: dpa

Putin am 9. Mai 2022: Gerüchte um russische Mobilmachung

Der Tag des Sieges ist für Putin von besonderer symbolischer Bedeutung. Experten gehen davon aus, dass er den Tag nutzen wird, um im Ukraine-Krieg einen neuen Schritt zu verkünden. Was das genau sein könnte, ist schwer vorauszusagen. In der Ukraine gibt es Sorge vor einer deutlichen Ausweitung russischer Angriffe. Einem Bericht des US-Senders CNN zufolge könnte Kremlchef Wladimir Putin bereits in wenigen Tagen in Russland den Kriegszustand verhängen und eine Generalmobilmachung anordnen. Auch der Chef der ukrainischen Militäraufklärung, Kyrylo Budanow, sprach von russischen Vorbereitungen auf eine offene Mobilisierung von Soldaten und Reservisten. Belege dafür gibt es nicht.
Nun blicken viele Menschen mit Spannung auf Putins Rede zur traditionellen Militärparade am 9. Mai in Moskau. Angesichts der nur stockend vorankommenden russischen Truppen und des starken ukrainischen Widerstands gehen einige Beobachter nun von einer Intensivierung der Kampfhandlungen aus.

Manipulierte Referenden zur Annexion von Luhansk und Donezk?

Der Sender CNN zitierte in seinem Bericht unter anderem den Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price: „Es wäre eine große Ironie, wenn Moskau den Tag des Sieges nutzen würde, um einen Krieg zu erklären“, sagte Price. „Aber ich bin ziemlich sicher, dass wir im Vorfeld des 9. Mai mehr aus Moskau hören werden.“ Der amerikanische Botschafter bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Michael Carpenter, wiederum geht eigenen Aussagen zufolge eher von einer Annexion der ostukrainischen Separatistengebiete Luhansk und Donezk aus. Ähnliche Pläne könnte Moskau auch für das besetzte südukrainische Gebiet Cherson haben, sagte Carpenter.
Russland will nach Einschätzung der USA in Kürze die selbsternannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine annektieren. Russland wolle vermutlich Mitte Mai manipulierte Referenden über einen Anschluss der beiden Separatisten-Regionen im Donbass abhalten.
Ein ähnliches Vorgehen sei in der inzwischen von Russland kontrollierten südukrainischen Region Cherson geplant, wo Moskau bereits die Nutzung des Rubel als Währung durchsetzen will. Carpenter betonte, solche gefälschten Referenden würden "nicht als legitim angesehen" - so wie bereits das Referendum zur Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim im Jahr 2014.