Chaos an den Flughäfen in Deutschland: Zum Beginn der Reisesaison zeigen sich die Auswirkungen der Pandemie. Die Airlines und Flughäfen haben zu wenig Personal. Am Hamburger Flughafen ist es schon am frühen Morgen des 1. Juli 2022 zu längeren Wartezeiten vor den Sicherheitskontrollen gekommen. Außerdem kommt noch ein Streik hinzu. Kurz vor Beginn der Sommerferien in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gibt es einen Warnstreik am Flughafen Hamburg. Die Luftfahrtbranche steckt in einer Krise – die über die Urlaubssaison zu Chaos führen könnte.
- Wie ist die aktuelle Lage am Flughafen in Hamburg?
- Streik in Hamburg: Dauer, Beginn und Ende
- Warum wird am Flughafen Hamburg gestreikt?
- Wer genau tritt in den Streik?
- Sind weitere Streiks denkbar?
- Alles zum Thema Streiks an europäischen Flughäfen 2022
Ferienbeginn im Juli 2022: Längere Wartezeit am Hamburger Flughafen
Am Hamburger Flughafen ist es schon am frühen Morgen des 1. Juli 2022 zu längeren Wartezeiten vor den Sicherheitskontrollen gekommen. Es sei ein starker Reisetag mit 45.000 An- und Abreisenden, sagte eine Pressesprecherin des Hamburger Flughafens am Freitagmorgen. Aufgrund des hohen Aufkommens habe der Flughafen bereits um 3.15 Uhr die Terminals geöffnet und um 3.30 Uhr die Check-In-Schalter aufgemacht. Am Morgen seien bereits viele Familien in den Urlaub geflogen - dabei kam es laut Bundespolizei bereits um 4.30 Uhr zu Wartezeiten von bis zu 60 Minuten vor den Sicherheitskontrollen. Es werde auch im Tagesverlauf weiter mit Wartezeiten gerechnet, obwohl bereits zusätzliche Einsatzkräfte zur Arbeit an den Flughafen gekommen seien.
Verdi ruft zu Streik am Flughafen Hamburg auf
Zu Beginn des vermutlich betriebsstärksten Tages am Hamburger Flughafen seit Beginn der Corona-Pandemie sind Beschäftigte einer Instandhaltungsfirma in den Warnstreik getreten. Die Gewerkschaft Verdi hat die rund 180 Mitarbeiter der Real Estate Maintenance Hamburg (RMH), einer Tochter der Flughafengesellschaft, zu einer eintägigen Arbeitsniederlegung aufgerufen. Das bedeutet also: Gestreikt wird am Freitag, den 1. Juli 2022 für 24 Stunden. Der Streik beginnt mit der Frühschicht. Die RMH beschäftigt folgende Berufsgruppen:
- Techniker für Start- und Landebahn
- Techniker für Gepäckbandförderung
- Techniker für Heizung, Lüftung, Klimaanlagen
- Elektrotechniker
- Mechaniker
- Weitere Berufsgruppen in der technischen Infrastruktur
Es werden aber rund 200 Mitarbeiter streiken. Wenn etwas an den Gepäckbänden oder anderen technischen Geräten kaputtgeht, droht ein Chaos.
Welche Auswirkungen hat der Streik in Hamburg auf Passagiere?
Die RMH-Beschäftigten sind unter anderem für die Instandhaltung der Technik in der Gepäckbeförderung zuständig. Flughafen-Geschäftsführer Michael Eggenschwiler geht davon aus, dass die Passagiere nichts von dem Warnstreik mitbekommen. Er schloss aber nicht aus, dass etwa eine Rolltreppe stehen bleibe. Der Streik des Technikpersonals habe bislang keine Auswirkung auf den Flughafenbetrieb gehabt, betonte eine Sprecherin des Flughafens.
Streik in Hamburg: Gründe für den Warnstreik am Flughafen
Mit dem Warnstreik will Verdi den Druck auf die Arbeitgeber in den laufenden Tarifverhandlungen erhöhen. Dass der Warnstreik mit dem Passagieransturm zum Ferienbeginn zusammenfalle, sei nicht geplant und gewollt gewesen, sagte Gewerkschaftssekretär Lars Stubbe. „Das ist ein Zufall.“ Die Gewerkschaft fordert für die RMH-Beschäftigten eine bessere Bezahlung. „In der über 2-jährigen Coronapandemie haben die Kollegen keine Tarifanhebung gefordert und mussten mit dem aufgestockten Kurzarbeitergeld auskommen. Jetzt kommen Steuernachzahlungen und die Inflation auf sie zu. Deswegen muss jetzt ein richtiger Schluck aus der Pulle kommen“, sagt André Kretschmar, Fachbereichsleiter B in ver.di Hamburg. „Trotz Kurzarbeitergeld haben die Beschäftigten der RMH die Installationen des Flughafens am Laufen gehalten, dieses Engagement muss sich jetzt auch wieder auszahlen,“ so Lars Stubbe, Gewerkschaftssekretär in ver.di Hamburg.
Flugchaos überall: Probleme an Flughäfen in ganz Europa
Die Probleme im Luftverkehr können nach Einschätzung von Lufthansa-Chef Carsten Spohr nicht schnell gelöst werden. Die von Personalmangel, Teileknappheit und eingeschränktem Luftraum geprägte Situation werde sich „kurzfristig kaum verbessern“, sagte der Chef der größten Airline-Gruppe Europas in einem Entschuldigungsschreiben an die Passagiere. Während die Gewerkschaft Verdi über zunehmende Angriffe und gesundheitliche Belastungen für das Personal klagt, berichtet der Touristik-Konzern Tui von einer ungebrochenen Nachfrage. Viele Flüge müssen von den Airlines gestrichen werden, zudem kommt es an europäischen Flughäfen zu massiven Verspätungen der Flüge.
Die drei zuständigen Bundesminister für Verkehr, Inneres und Arbeit, Volker Wissing (FDP), Nancy Faeser (SPD) und Hubertus Heil (SPD) wollen Maßnahmen zur kurzfristigen Abhilfe der Situation vorstellen. Daran hatte eine Koordinierungsgruppe auf Ebene der Staatssekretäre seit Mitte des Monats gearbeitet.
Streik am Flughafen Paris bremst tausende Passagiere aus
Am Pariser Flughafen Charles-de-Gaulle haben Warnstreiks von Bodenpersonal am Freitag (1.7.) Tausende Reisende ausgebremst. Zwischen 7.00 und 14.00 Uhr wurden 17 Prozent der geplanten Flüge gestrichen, teilte der Flughafen mit. Auf den ganzen Tag umgerechnet fielen 10 Prozent der Starts und Landungen weg. Demonstrationen behinderten vorübergehend den Zugang zu einigen Terminals. Wegen erwarteter Behinderungen auch am Flughafen Paris Orly wurden Reisende gebeten, frühzeitig zu den Flughäfen zu kommen. Weitere Protestaktionen wurden am Wochenende erwartet, wie der Sender Europe 1 berichtete.
SAS Streik aufgeschoben: Beginn am Samstagnacht
Auch in Skandinavien gibt es massive Probleme im Luftverkehr. Ein Pilotenstreik bei der Fluggesellschaft SAS in Skandinavien ist im letzten Augenblick aufgeschoben worden. Die Schlichtungsversuche werden um 72 Stunden fortgesetzt. Nach Angaben der schwedischen Pilotenvereinigung wird der ursprünglich für den 29. Juli angekündigte Streik damit zunächst auf Mitternacht in der Nacht zum Samstag, 2. Juli 2022 verschoben.
Eigentlich hätte der Streik von rund 900 SAS-Piloten um Mitternacht am 29.07. beginnen sollen. Es gebe noch vieles, was bis zu einer Einigung gelöst werden müsse, erklärte der Vorsitzende der SAS-Pilotengruppe, Martin Lindgren. Ein Streik könne nur vermieden werden, wenn SAS wirklich den Willen zeige, den Piloten entgegenzukommen. Diese Chance wolle man dem Konzern geben. SAS wiederum erklärte, es sei weiter das Ziel, eine Übereinkunft zu erzielen und einen Streik zu vermeiden.
Streiks in London geplant: Regierung mahnt
In Großbritannien hat die Regierung angesichts des Chaos auf den Flughäfen die Fluggesellschaften aufgefordert, "realistischere" Flugpläne aufzustellen und die Passagiere "so früh wie möglich" über Störungen zu informieren. Die Regierung ihrerseits sagte beschleunigte Sicherheitskontrollen an den Flughäfen zu. Mehr Personal im Ausland zu rekrutieren, lehnte London ab.
Mehr Einwanderung sei keine Lösung, denn der Personalmangel auf Flughäfen "betrifft auch die EU und die USA", erklärte die britische Regierung. Das Bodenpersonal auf dem Londoner Flughafen Heathrow hat bereits Streiks für höhere Löhne im Sommer angekündigt.
Streik am Flughafen: Wird es weitere Streiks geben?
Eindeutig zu beantworten ist das natürlich nicht. Mit Blick auf die Probleme an den Flughäfen ist es aber denkbar. In Spanien und in Brüssel wurde an den Flughäfen bereits gestreikt. In Großbritannien zeichnen sich massive Streiks in verschiedenen Branchen ab, zuletzt im Bahnverkehr. Auch wenn es in Deutschland nicht zu weiteren Streiks in der Luftfahrtbranche kommt: Es wird ein chaotischer Sommer.
Tarifrunde für Lufthansa-Bodenpersonal ohne Ergebnis vertagt
Vor dem Hintergrund großer Abfertigungsprobleme und Personalengpässe haben am Donnerstag die Tarifverhandlungen für rund 20 000 Beschäftigte des Lufthansa-Bodenpersonals begonnen. Die Verhandlungen in Frankfurt am Main brachten noch kein Ergebnis, wie die Gewerkschaft Verdi am Abend mitteilte. Die zweite Verhandlungsrunde ist für den 13. Juli 2022 in Hamburg angesetzt.
mit dpa
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