- Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich dafür ausgesprochen, die sogenannte epidemische Lage zur Eindämmung des Coronavirus Ende November auslaufen zu lassen.
- Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums bestätigte, dass sich Spahn im Kreis der Gesundheitsminister der Länder dafür ausgesprochen hat, den Ausnahmezustand nicht noch einmal zu verlängern.
- Die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ gilt seit März 2020 und wurde zuletzt bis zum 24. November verlängert.
Ende der epidemischen Lage von nationaler Tragweite – Was bedeutet das?
Die „epidemische Lage“ ist Grundlage für zentrale Corona-Maßnahmen in Deutschland. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sich am Montag bei Beratungen mit seinen Länderkollegen dafür ausgesprochen, die Regelung am 25. November auslaufen zu lassen. Die „epidemische Lage“ gibt Bundes- und Landesregierungen Befugnisse, um Verordnungen zu Corona-Maßnahmen oder zur Impfstoffbeschaffung zu erlassen.
Inzwischen soll der Nachrichtenagentur AFP ein aktueller Bericht des Gesundheitsministeriums vorliegen, das bestätigt, dass auf die Weiterführung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite verzichtet werden könne. Dieser Schritt werde durch den erreichten Fortschritt in der Impfkampagne möglich, heißt es in dem Bericht.
FDP-Experte: Corona-Notlage nicht verlängern
Der FDP-Gesundheitsexperte und Infektiologe Andrew Ullmann hat sich der Auffassung von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angeschlossen, die Corona-Notlage in Deutschland nicht noch einmal zu verlängern. Dafür habe sich die FDP wiederholt ausgesprochen, sagte Ullmann am Dienstag im Deutschlandfunk. „Verordnungen durch die Exekutive alleine sollten nicht mehr fortgesetzt werden.“ Bei Twitter schrieb er: „Die epidemische Lage von nationaler Tragweite kann enden, hätte längst beendet sein können. Wichtig sind jetzt Boosterimpfungen bei vulnerablen Personen.“
Ullmann sprach sich für regionale Hygienemaßnahmen in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen aus. Es gebe nach wie vor eine Pandemie, sagte er mit Blick auf die Entwicklung in Südamerika oder Rumänien. In Deutschland mit relativ guter Impfrate sei die Situation aber anders. „Und die Überlastung der Krankenhäuser ist ja zurzeit überhaupt nicht gegeben.“
Berliner Bürgermeister weiterhin für „Corona Notlage“
Berlins scheidender Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat sich gegen die Beendigung der Corona-Notlage bereits Ende November ausgesprochen. „Wir brauchen mindestens eine Übergangszeit“, sagte Müller am Mittwochmorgen im RBB-Inforadio. „Diese Beschlussfassung des Bundestages war für uns in den Ländern auch immer eine wichtige Rechtsgrundlage auch bei Auseinandersetzungen.“ Er könne sich etwa einen längeren Zeitraum für das Ende des Notstands vorstellen, bis sich die epidemische Lage tatsächlich entspanne. Oder aber, eine neue Beschlussfassung des Bundestages formuliere weiterhin Beschränkungen, bei denen es sich aber nicht um härtere Einschränkungen wie Schließungen oder Eingriffe in Grundrechte handele.
Corona Verordnung ab 15. November: Regierung in Bayern bleibt weiter vorsichtig
Die bayerische Staatsregierung sieht den Plan von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CSU) für ein Auslaufen der sogenannten „epidemischen Lage nationaler Tragweite“ aktuell sehr skeptisch. „Wir sind, was dieses Apodiktische von Herrn Spahn betrifft, zurückhaltend, weil wir nach wie vor den Kurs der Vorsicht und Umsicht verfolgen“, sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in München. Die Frage stelle sich aber auch erst Ende November – bis dahin müsse man die Corona-Lage sehr genau beobachten. Bayern sei deshalb aktuell auch noch nicht festgelegt – „aber wir sind da insgesamt sehr vorsichtig“.
Die Entscheidung über ein Ende der „epidemischen Lage nationaler Tragweite“ liegt beim Bundestag. Das Parlament hatte sie erstmals im März 2020 zu Beginn der Corona-Pandemie festgestellt und danach immer wieder verlängert, zuletzt Ende August für drei Monate. Sie läuft aus, wenn sie vom Parlament nicht verlängert wird. Die „epidemische Lage“ gibt Bundes- und Landesregierungen Befugnisse, um Verordnungen zu Corona-Maßnahmen oder zur Impfstoffbeschaffung zu erlassen.
Corona-Regeln sollen weiter gelten: 3G, Maskenpflicht & Co.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach geht davon aus, dass zentrale Maßnahmen und aktuelle Corona-Regeln zur Bekämpfung des Coronavirus auch dann weiter gelten, wenn die „epidemische Lage nationaler Tragweite“ nicht verlängert wird.
In Bezug auf die 2G-Modelle und 3G-Regeln sagte Lauterbach dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Kein Bundesland wäre so verrückt, bei den derzeitigen Fallzahlen auf Zugangsbeschränkungen für geschlossene Räume zu verzichten oder die Maskenpflicht in Bus und Bahn zu begraben.“ Und weiter: „Dinge, die notwendig sind, werden weitergeführt, das ist für mich ganz klar.“
Epidemische Lage läuft aus: Lauterbach wegen Impfquote skeptisch
Lauterbach reagierte damit auf Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der sich für ein Ende der „epidemischen Lage nationaler Tragweite“ ausgesprochen hat. Der Zeitpunkt dieser Erklärung habe ihn überrascht, sagte der SPD-Politiker. „Wir sind in einer Situation, in der die Fallzahlen zunehmen, der Impffortschritt stagniert und an Schulen in den kalten Monaten deutlich mehr Fälle zu erwarten sind. Niemand weiß aktuell so genau, was wir in den nächsten vier Wochen zu erwarten haben, wie hoch diese Welle noch wird.“
Krankenhausgesellschaft: Ende der epidemischen Lage „unproblematisch“
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat angesichts der Corona-Impfquote in Deutschland keine Bedenken dagegen, die „epidemische Lage nationaler Tragweite“ auslaufen zu lassen. „Ich kann den Schritt nachvollziehen und halte das auch für unproblematisch“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerald Gaß dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Angesichts der hohen Impfquote in Deutschland dürfte es nicht mehr erforderlich sein, dass der Bund über die Länderkompetenzen hinweg Maßnahmen zur Pandemie-Kontrolle beschließe, sagte er. „Ich rechne auch für den Herbst und Winter nicht mehr mit vergleichbar hohen Covid-Patientenzahlen in den Krankenhäusern wie in der zurückliegenden Zeit.“
Ende der epidemischen Lage: Kritik von Patientenschützer
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte den Vorschlag von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die epidemischen Lage von nationaler Tragweite auslaufen zu lassen. Der Vorstand der Patientenschützer, Eugen Brysch, sagte der Nachrichtenagentur AFP, dass das Ende der Notlage auf Fakten beruhen müsse.
Bund und Länder hätten "anderthalb Jahre erklärt, dass es eine bundesweite Rechtsgrundlage für Corona-Schutzmaßnahmen braucht", sagte er mit Blick auf die ursprüngliche Begründung für die epidemische Notlage. Aktuell würden dreimal mehr über 80-jährige Corona-Infizierte im Krankenhaus behandelt als vor einem Jahr, betonte Brysch. Seien es vor gut einem Jahr noch 176 Patienten gewesen, seien es nun 475 - obwohl 84,9 Prozent dieser Altersgruppe doppelt geimpft seien. Ähnliche Entwicklungen zeigten sich auch bei anderen Altersgruppen.
Sogar der Anteil der infizierten Toten habe sich im gleichen Zeitraum fast verfünffacht, sagte Brysch. "Deshalb ist es gefährlich, allein aus fragwürdigem politischen Kalkül die epidemische Lage zu beenden. Schließlich ist die Pandemie nicht vorbei." Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hingegen unterstützt Spahns Initiative. Die Ankündigung sei „folgerichtig“, sagte Andreas Gassen, der KBV-Chef.
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