Er ist nach wie vor eines der bekanntesten Gesichter der Grünen:  Jürgen Trittin, einst Umweltminister in der rot-grünen Regierung  unter Gerhard Schröder, ist derzeit auf Wahlkampftour in der Region unterwegs. Der bekennende Optimist verströmt im Redaktionsgespräch Zuversicht, dass die Grünen – trotz anderslautender Umfragen – ihre Wahlziele erreichen und als drittstärkste Kraft mit einem zweistelligen Ergebnis in den Bundestag einziehen. Immer mehr Wähler träfen ihre Entscheidung, wem sie ihre Stimme gäben, in den letzten drei Tagen vor der Wahl oder erst am Wahltag. Zudem hat der langjährige Bundestagsabgeordnete im Wahlkampf eine positive Grundstimmung für die Grünen ausgemacht.
Kritische Worte findet der Fan des SV Werder Bremen für die Bilanz von zwölf Jahren Kanzlerschaft Angela Merkel. So habe  sich der Umfang der Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien ver­zwanzigfacht, mit den gelieferten Waffen würde der Jemen in Schutt und Asche gelegt. Darüber hinaus sei die Zahl der Kinder, die in Armut lebten, auf nunmehr 20 Prozent gestiegen. Weiter würden 40 Prozent der Bevölkerung weniger verdienen als vor 20 Jahren. Und in neun der zwölf Regierungsjahre habe es keine Senkung des Ausstoßes von Treibhausgasen gegeben.
Für Trittin, der aus dem „Autoland Niedersachsen“ kommt, hat die deutsche Autoindustrie einen Rückstand von zehn Jahren, was die Elektromobilität angeht. Es gehe darum, den Autobauern Beine zu machen, dafür zu sorgen, das sie innerhalb von zwei Produktzyklen emissionsfreie Fahrzeuge auf die Straße bringen. Den Satz, man bräuchte den Diesel, um die Klimaschutzziele zu erreichen, bezeichnet Trittin als „Propagandalüge der deutschen  Autoindustrie“. Der 63-Jährige ist ein Befürworter der „blauen Plakette“ und fordert eine Nachrüstung von Euro-5- und Euro-6-Fahrzeuge auf Kosten der Industrie.
Nun zur AfD: Einen Grund für den Aufstieg der „Alternative für Deutschland“ sieht der Grünen-Politiker im Neoliberalismus, der mit seinem Credo „Der Markt regelt alles“ in der Wirtschaftskrise 2008/09 krachend gescheitert sei und zu einem Rückzug bestimmter Bevölkerungsschichten auf die Nation geführt habe. Eine weitere  Ursache ist für Trittin die Große Koalition, welche zu einem Erstarken des rechten und linken Randes geführt habe.
Zu der Frage, ob die Grünen in  eine Jamaika-Koalition eintreten würden, äußert sich erfahrene Politiker nicht. „Wir verhandeln über  Inhalte“, sagt Trittin und verweist auf die im Zehn-Punkte-Programm der Grünen niedergelegten Forderungen.
Gegenüber der AfD, sollte diese am Sonntag den Einzug in den Bundestag schaffen. plädiert er für einen „korrekten, aber harten“ Umgang. Dabei wendet er sich  gegen jede Form eine „institutionellen Diskriminierung“, fordert aber scharfe Kritik bei nationalistischen oder rechtspopulistischen Äußerungen. Entgleisungen wie die von Alexander Gauland gegenüber Aydan Özoguz, der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, zeigten, dass die AfD wesentliche Teile der Bevölkerung von der Beteiligung ausschließen wolle.
Eher skeptisch steht der 63-Jährige dem bedingungslosen Grundeinkommen gegenüber – auch weil er befürchtet, dass damit möglicherweise dauerhafte Ausgrenzung von Kindern, die in Bedarfsgemeinschaften leben, aus der Gesellschaft finanziert werden könnte. Dagegen spricht er sich gegen das Sanktionsregime beim Arbeitslosengeld II aus. „Wenn jede zweite Klage erfolgreich ist, dann haben wir es mit Rechtsverweigerung zu tun“, unterstreicht Trittin. Zudem bänden diese fehlerhaften Bescheide viele Kapazitäten bei den Jobcentern wie auch bei den Sozialgerichten. Kapazitäten, die sinnvoller in der Vermittlung von Jobs eingesetzt werden könnten. Zudem zerstöre diese Gängelung auch viel Vertrauen bei den Betroffenen, ergänzt Beate Müller-Gemmeke, die vor Ort für die Grünen antritt.