Es sind Szenen, die schockieren. In einem Video, das die Grünen-Spitzenkandidaten für die bayerischen Landtagswahlen Katharina Schulze und Ludwig Hartmann bei einer Wahlkampfveranstaltung in Neu-Ulm zeigt, ist deutlich zu sehen, wie die Stimmung zunehmend aufheizt. Buhrufe, Pfiffe - dann fliegt ein Stein in Richtung der Politiker.
Der Mann, der den Stein aus den Zuschauerreihen geworfen hatte, wurde indes von den Einsatzkräften abgeführt. „Das hat mit Demokratie gar nichts zu tun!“, ruft Katharina Schulze dem Angreifer hinterher.
Einen Tag später sitzt der Schock tief, und zwar nicht nur bei dem Grünen-Spitzenduo selbst. Zahlreiche Politikerinnen und Politiker äußern sich auf den sozialen Medien und verurteilen den Steinwurf als Angriff auf die Demokratie.

Solidarität nach Steinwurf auf Grüne – So reagiert die Welt der Politik

So zum Beispiel Martin Hagen, Fraktionsvorsitzender der FDP im Bayerischen Landtag. Auf der Plattform X (früher Twitter) teilt er den Beitrag der SÜDWEST PRESSE zu dem Vorfall und schreibt: „Steine auf Andersdenkende werfen? Diese Verrohung und Radikalisierung muss jeden Demokraten umtreiben. Bin mit Katharina Schule und Ludwig Hartmann oft unterschiedlicher Meinung, aber verdammt nochmal, sowas geht gar nicht.“
„Mit den meisten Hass von allen Politiker:innen bekommen derzeit die Grünen ab“, schreibt Sawsan Chebli auf der Plattform X. „Die Angriffe auf und Hetze gegen diese Partei auch durch demokratische Parteien muss aufhören. Der Gegner ist die AfD, es sind die Demokratiefeinde. Vollste Solidarität“, führt die SPD-Politikerin weiter aus.
Auch Katrin Göring-Eckardt, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, lässt den Stein-Angriff nicht unkommentiert. Auf dem sozialen Netzwerk schreibt sie: „Es ist Zeit, innezuhalten. Zum Austausch über Politik gehören auch kritische Stimmen, natürlich. Doch Kritik rechtfertigt niemals Gewalt. Ernsthafter Dialog braucht gegenseitigen Respekt. Danke an die Polizei für das schnelle Eingreifen.“

Nach Angriff auf Grünen-Politiker: Kritik an der bayerischen Landesregierung

Kritik an der bayerischen Landesregierung äußert der Grünen-Politiker und Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums Konstantin von Notz auf der Plattform X. „Hat sich die bayerische Landesregierung schon zur Steinwurf-Attacke geäußert? Alles, was ich finde, ist ein zuletzt die grüne Außenministerin unsachlich diffamierender Tweet von Martin Huber (CSU).“
Kritisch äußert sich auch die Grünen-Politikerin Kirsten Kappert-Gonther auf X. „Wer den Diskurs gegen politische Mitbewerber*innen in diffamierender Art und Weise führt, bereitet den Boden für Gewalt und solch abscheuliche Taten. Es braucht endlich klare Abgrenzung von allen Demokrat*innen nach rechts und gegen die Feinde unserer Demokratie.“
Dass aus Worten Taten werden können, stellt Marcel Emmerich fest. „Zum Glück ist nix passiert“, schreibt der Ulmer Grünen-Politiker auf X. Außerdem findet er, dass „die Verrohung und Anfeindungen immer gefährlicher werden.“

Wut bei Leserinnen und Lesern: Reaktionen auf den Neu-Ulmer Steinwurf aus dem Netz

Auch Leserinnen und Leser der SÜDWEST PRESSE äußern ihre Gedanken zu dem Angriff auf die Grünen-Kandidaten. Viele verurteilen den Steinwurf scharf. Einige geben auch anderen Parteien und Politikern eine Mitschuld. Ein User schreibt auf der Plattform X: „Söder, CSU und Aiwanger haben klar mit geworfen. Denn sie riskieren mit ihren rechtspopulistischen Kampagnen, mit denen sie die Grünen gezielt und sehr erfolgreich zum öffentlichen Feind machen, wissentlich solchen Zufallsterror und Gewalt gegen die Partei.“
Eine weitere Person findet: „Die Hetzer finden immer Gewalttäter, die den ersten Stein schmeißen. Und Hetzer sind die, die die Grünen als Feinde denunzieren.“ Ein anderer Nutzer widerspricht derartigen Aussagen und findet: „Die haben aber nicht dazu aufgefordert, mit Steinen zu werfen“, und findet, Steinwerfer gehörten generell vor Gericht.

Katharina Schulze reagiert auf Steinwurf: „Gewalt ist niemals ein adäquates Mittel der politischen Auseinandersetzung.“


Und Katharina Schulze selbst? Die Grünen-Politikerin, die beinahe von dem Stein getroffen worden wäre, äußert sich am Montag ebenfalls zu dem Angriff. Auf Anfrage schreibt sie: „Das war schon ein Schock, gut, dass niemanden etwas passiert ist.“ Beleidigungen, Bedrohungen und Störungen bei Veranstaltungen der Grünen seien mittlerweile schon fast zum Alltag geworden. Hass und Hetze begegnen der Partei dieser Tage nicht mehr nur um Netz. „Aber Steine werfen? Das hat mit Protesten oder Unzufriedenheit nichts mehr zu tun. Gewalt ist niemals ein adäquates Mittel der politischen Auseinandersetzung.“

Und weiter: „In einer Demokratie führt man inhaltliche Auseinandersetzungen mit Worten und nicht mit Steinen oder anderen Waffen. Mit Sorge sehe ich die zunehmende Verrohung in diesem Wahlkampf. Wir sind dann stark als Land, wenn wir miteinander um die besten Lösungen ringen, mit Anstand und Respekt und auf Grundlage von Fakten. Teile der Gesellschaft haben diesen Grundsatz aufgekündigt. Das ist fatal.“

Der Angriff in Neu-Ulm sei ein Steinwurf auf die demokratischen Werte gewesen. „Diese sollten auch einige unsere Mitbewerber verteidigen, anstatt selbst Öl ins Feuer zu gießen.“