Herr Tralmer, Sie sind seit vielen Jahren kommunalpolitisch aktiv und seit acht Jahren Vorsitzender der CDU-Fraktion im Albstädter Gemeinderat. Warum streben Sie nun den Wechsel zum Rathaus-Chef an?

Roland Tralmer Albstadt ist meine Heimat. Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Mir geht es darum, auch die kommenden Jahre in meiner Heimatstadt in einem lebenswerten Umfeld zu verbringen. Als Fraktionsvorsitzender hat man natürlich einen gewissen Einfluss auf das kommunalpolitische Geschehen, doch als Oberbürgermeister ist man Herr des Verfahrens. Man hat ganz andere Gestaltungsmöglichkeiten. Und doch kann man unsere Stadt nur mit einem vertrauensvollen Verhältnis zwischen Verwaltung und Gemeinderat nach vorne bringen – und da sehe ich aktuell gravierende Probleme.

Brücke schaffen zwischen Politik und Bürgern

Das Vertrauen zwischen Rathaus und Gremium ist zerrüttet?

Kommunikation steht für mich über allem. Sowohl die Kommunikation zwischen Verwaltung und Gemeinderat als auch zwischen Verwaltung und Einwohnerschaft. Da ist es in der Vergangenheit häufiger nicht gelungen, Entscheidungen transparent zu machen und Bürgerinnen und Bürger davon zu überzeugen, beziehungsweise schlicht zu informieren. Da traue ich mir zu, die Brücke zwischen den Gemeinderatsfraktionen und der Bürgerschaft zu bilden und somit wieder mehr Miteinander zu schaffen.

Welche Folgen hat diese Distanz für die Bürger?

Ich nehme in vielen Gesprächen eine latente Unzufriedenheit wahr. Teilweise mit einzelnen, konkreten Problemen, aber auch mit der Frage: Was machen die da oben denn? Das führt in der Bevölkerung zu einem unterschwelligen Gefühl, nicht mitgenommen zu werden. Wir müssen das Albstädter Wir-Gefühl wieder stärken.

„Jeder Stadtteil ist gleich wichtig“

Spüren Sie diese Unzufriedenheit vor allem in den Stadtteilen, also außerhalb von Ebingen?

Nein, nicht unbedingt. Man spürt das flächendeckend, und ich habe die Befürchtung, dass wir ein gewisses Konkurrenzdenken zwischen den Teilorten kriegen. Dabei ist für mich völlig klar, dass Albstadt die Summe von neun funktionierenden Ortsteilen sein muss. Keiner darf benachteiligt werden, egal wie viele Einwohner im Stadtteil leben – von Ebingen bis Burgfelden. Jeder ist gleich wichtig.

Wie wollen Sie das konkret angehen?

Auch hier geht es um Kommunikation. Kleine Maßnahmen können bereits helfen. Beispielsweise, dass Sprechstunden des Oberbürgermeisters in den Ortsteilen stattfinden. Das wäre ein Signal, dass man auf Augenhöhe operiert. Jeder Teilort hat seine eigene Struktur und eigene Probleme; da muss man ehrlich sein: Man kann nicht alles gleichzeitig machen. Jetzt ist Ebingen mit der Innenstadtentwicklung an der Reihe – das darf aber nicht dazu führen, dass nur noch Ebingen entwickelt wird. Jeder Stadtteil muss berücksichtigt werden.

Wie wollen Sie die Innenstadt beleben, Herr Tralmer?

Die Innenstadtentwicklung in Ebingen ist ein zentrales Projekt, doch viele Städte kämpfen mit der Belebung. Wie stellen Sie sich Albstadts Innenstadt vor?

Man muss kreative Wege gehen. Ähnlich wie bei der Technologiewerkstatt in Tailfingen könnte man die Leerstände nutzen, um Existenzgründungen zu unterstützen und diese Fläche für eine gewisse Zeit günstiger vermieten.

Praktisch als Anschub für Händler?

Für Händler und für Dienstleister. Die Zeiten, in denen Passanten in der Stadt ausschließlich einkaufen, sind vorbei. Das Ziel muss sein, mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen. Die Leute müssen sich in der Stadt begegnen, es braucht einen Erlebnischarakter. Dazu zählen auch mehr Grünflächen in Ebingen, und da stelle ich mir mehr vor, als ein paar schön bepflanzte Blumenkästen. Grün muss ins Stadtbild integriert werden, gerne auch mit Dach- und Fassadenbepflanzung.

Ja oder Nein zur Bettensteuer

Die schlechte Kommunikation zwischen Verwaltung, Gemeinderat und Bürgern hat sich zuletzt bei der Bettensteuer gezeigt.

Die Bettensteuer ist ein typisches Beispiel für mehrere Vorgänge, die in der letzten Zeit zu einer Distanz zwischen Gemeinderat und Verwaltung geführt haben. Das Gremium hat oft den Eindruck, dass es bei der Entscheidungsfindung nicht hinreichend informiert wurde. Erst hinterher erfährt man Dinge und Argumente, die für die Entscheidung wichtig gewesen wären.

Sie meinen, dass die Hoteliers überhaupt nicht angehört wurden.

Richtig. Dabei ist der Gemeinderat davon ausgegangen, dass deren Meinung angehört wurde. Was mich zudem stört, ist, dass man nun nicht kompromissbereit scheint und den Beschluss nicht hinterfragt.

„Natürlich kann ich Chef“

Würden Sie als Oberbürgermeister die Übernachtungssteuer kippen?

Das kann ich nicht sagen. Aber man muss zumindest darüber reden. Wenn man sich an einem Runden Tisch austauscht und die Argumente gegen die Steuer überzeugen, kann es einen Kompromiss geben.

Sie sind Vorsitzender des CDU-Stadtverbands und der Gemeinderatsfraktion, betreiben zudem Ihre eigene Anwaltskanzlei. Können Sie „Chef“?

(lacht) Natürlich kann ich „Chef“. Und es ist aus meiner Sicht zwingend erforderlich, dass der neue Rathauschef von außen kommen muss. Albstadt braucht einen frischen Blick, der Wirtschaft, Vereins- und Familienleben in Albstadt kennt.

Beschäftigte im Rathaus möchten häufig lieber einen Verwaltungsexperten, der die internen Abläufe genau kennt.

Aber genau da bin ich die Schnittstelle. Aus meiner Erfahrung als Gemeinderat kenne ich die Prozesse, kenne die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rathaus. Daher sehe ich mich da im Vorteil.

„Nur Gutes zu verbessern, reicht nicht“

Auch gegenüber Ihrem Mitbewerber Udo Hollauer, der als Erster Bürgermeister bereits zur Verwaltung gehört?

Wie gesagt, ich bringe einen frischen Blick von außen mit. Albstadt hat große Stärken, die aber nicht ausreichend genutzt werden. Da reicht es nicht, Gutes besser zu machen (Wahlslogan von Udo Hollauer, Anm. d. Red.). Das ist eine Selbstverständlichkeit. Wir müssen klar benennen, wo Strukturen im Argen liegen und das sind die größeren Aufgaben als Gutes nur besser zu machen.

Sie sind schon lange im Gemeinderat. Das könnte Ihnen auch als Gegenargument ausgelegt werden.

Das stimmt, aber wer mich kennt, weiß, dass ich gegenüber der Verwaltung häufig eine kritische Position einnehme. Jetzt ist es Zeit, von der Kritikerbank aufzustehen und selbst zu gestalten.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Kollegial, aber wenn nötig, stringent. Wichtig wäre mir als Oberbürgermeister, dass die Verwaltungsmitarbeiter in Eigenverantwortung und mit Freiraum arbeiten können. Das stärkt die Motivation, um gemeinsam ein vorher definiertes Ziel zu erreichen. Aber klar: Am Ende trägt der Oberbürgermeister die Verantwortung und muss sich vor die Beschäftigten stellen.

Anfeindungen schrecken ihn nicht ab

Nicht nur Klaus Konzelmann, sondern auch Oberbürgermeister in anderen Städten müssen sich vermehrt mit Anfeindungen aus der Bürgerschaft auseinandersetzen. Schreckt Sie das nicht ab?

Als CDU-Politiker, als Gemeinderat und als Anwalt bin ich bereits jetzt häufig mit Anfeindungen konfrontiert. Das ist nicht schön, und man muss genau wissen, auf was man sich einlässt. Auch die Familie muss das wissen, aber meine steht voll hinter mir. Wichtig ist die Unterscheidung: Kritische Bürger sind gewollt. Den Bürgern, denen es um die inhaltliche Sache mit berechtigter Kritik geht, muss man Gehör schenken, und das erfordert eine Amtsführung auf Augenhöhe im Dialog. Ich bin kein Freund von Basta-Politik, die aus der Bürgerschaft oft zurecht gerügt wird. Das wird es bei mir nicht geben. Das bedeutet aber nicht, dass man jedem nach dem Mund redet. Man muss Entscheidungen treffen, nachdem alle gehört sind und diese Entscheidungen erklären. Wenn das gelingt, nimmt man viel Unmut aus der Einwohnerschaft raus.

Und bei Anfeindungen?

Darauf bin ich eingestellt, und da gibt es eine ganz klare Kampfansage von mir: Diejenigen, die so unterwegs sind, haben in mir einen Gegner. Anfeindungen und Beschimpfungen grundloser, strafrechtlicher Art – da ist mit mir nicht gut Kirschen essen.

„Bin nicht der schwarze Sheriff“

Sicherheit und Sauberkeit in der Innenstadt sind Ihnen ebenfalls sehr wichtig. Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial?

Das subjektive Sicherheitsgefühl in Albstadt muss verbessert werden. Da sind wir – durch Drängen der CDU-Fraktion – schon auf dem Weg. Wir haben bereits vergangenes Jahr ein Sicherheits- und Sauberkeitskonzept beschlossen, das einen kommunalen Ordnungsdienst mit polizeilichen Befugnissen vorsieht. Der wird nachts kontrollieren, und nicht nur in der Ebinger Innenstadt, sondern auch an sonstigen Angsträumen. Das muss jetzt zügig umgesetzt werden. Im Bereich der Sicherheit und Sauberkeit bin ich ein Verfechter der Null-Toleranz-Politik. Das erfordert den Willen, unangenehme Dinge zu tun, aber in diesem Bereich kann die Bevölkerung das erwarten.

Aber die „Problemklientel“ ist ein Teil der Gesellschaft.

Das ist richtig, und diese bestimmte Klientel wird nicht aus der Gesellschaft verschwinden, wenn wir hier Ordnungswidrigkeiten verfolgen. Wir müssen uns um diese Menschen kümmern, was für mich bedeutet, die Sozialarbeit zu fördern und Hilfsangebote zu unterbreiten. Tralmer ist nicht der schwarze Sheriff, sondern auch der Sozialdenkende.

Herr Tralmer, warum sollten die Albstädterinnen und Albstädter Sie wählen?

Weil ich weiß, wo die Probleme in der Stadt liegen. Weil Albstadt nicht nur meine berufliche, sondern auch private Heimat ist. Ich hätte mich niemals in einer anderen Stadt als in Albstadt als Oberbürgermeisterkandidat aufgestellt.

Zur Person:

Roland Tralmer ist seit acht Jahren Vorsitzender der CDU-Fraktion im Albstädter Gemeinderat. Der 55-Jährige ist bereits 1984 der Jungen Union beigetreten, seit 1986 Mitglied der CDU. Seit 2009 ist er Stadtverbandsvorsitzender der Christdemokraten, und seit 2016 stellvertretender CDU-Kreisvorsitzender. Die OB-Wahl sieht er jedoch nicht als politische Wahl: „Es gibt keinen CDU-Kindergarten und keine SPD-Schule. Das Parteibuch wird nicht entscheidend sein.“
Tralmer ist verheiratet und hat eine Stieftochter. Er lebt in Albstadt, in seiner Freizeit liest er gerne, wandert und macht Ausflüge zum Bodensee und nach Frankreich, vor allem in die Bretagne.