Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele“, sagte einst kein Geringerer als Pablo Picasso, dessen Kunstwerke die Menschen noch heute faszinieren. Welchen Stellenwert Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft hat, wurde in den vergangenen fast drei Jahren deutlich auf die Probe gestellt. Die Corona-Verordnungen ließen das kulturelle Leben nicht nur stillstehen, sondern zeigten teils auch besagten Stellenwert: Kunst und Kultur wurde als nettes Hobby gesehen, das im Zweifelsfall fast gänzlich verschwinden konnte – so schien es lange Zeit. Ein fataler Irrglaube.
Denn wie es Picasso so passend beschrieb, wäscht Kunst den Staub des Alltags weg. Dieser Staub wurde während der Pandemie immer dicker, fester, und an manchen Stellen ließ er sich auch mit viel Herzblut nicht mehr wegwaschen. Die Folge: So manch ein kulturschaffender Verein musste sich auflösen. In Albstadt will man aktiv gegen eine derartige Entwicklung vorgehen, mit einer Kulturkonzeption.
Bereits Ende November 2021 begann die Arbeit an der etwa 50-seitigen Konzeption, bis sie im Oktober 2022 einstimmig vom Albstädter Gemeinderat beschlossen wurde. „Kunst und Kultur schaffen Werte, sind systemrelevant und wesentliche Faktoren für eine nachhaltige Stadtentwicklung“, wurde damit festgehalten.

Kulturkonzeption als Ideengeber

Das zeigte sich auch am Dienstagabend in Ebingen. Die Stadt und ihr Kulturamt hatte zum ersten kulturellen Neujahrsempfang eingeladen. Eine Idee, die der Konzeption entsprang und nun zu einer neuen Tradition heranwachsen soll, erklärt Martin Roscher, Kulturamtsleiter. Etwa 600 Bürgerinnen und Bürger hatten sich über ein Jahr an der Konzeption beteiligt. „Ich war sehr erfreut über die große Beteiligung“, sagt Roscher im Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE. In zahlreichen Workshops, vor allem aber durch zahlreiche Gespräche entstand so eine Handlungsempfehlung für den Gemeinderat zur kulturellen Stadtentwicklung. „Es war ein toller Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern.“ Positiv fiel Roscher auf, dass sich zahlreiche junge Menschen engagierten.
Zwei erarbeitete Punkte sind die Bündelung der Kräfte und die Vernetzung. „Kunst und Kultur brauchen einen konsequenten Dialog, brauchen Knotenpunkte, um sich auszutauschen“, heißt es darin, und genau das sollte der Neujahrsempfang schaffen. Etwa 90 geladene Gäste aus Kunst und Kultur waren der Einladung in die Villa Haux gefolgt. Neben dem Dialog sollte der Abend ein klares Signal senden: Diese Konzeption verschwindet nicht einfach nur in einer Schublade, betont Roscher. Ermöglichungskultur sei dabei das Stichwort, ergänzt der Kulturamtsleiter, der in seinem Büro einen Maßnahmeplan hängen hat, den es gilt umzusetzen.

Fehlender Veranstaltungsort in Albstadt

Eines wurde sowohl in der Konzeption als auch am Dienstagabend deutlich: Kultur braucht Raum. Mit dem Wegfall des Sautergebäudes gebe es in Albstadt keinen Veranstaltungsort. Das könnte eine neue Kulturhalle ändern. Der Bau einer neuen Kulturhalle ist Teil der Hallenkonzeption. Diese wurde zuletzt kritisiert, weil sie den Abbruch des Thalia-Theaters beinhaltet. Ein Bürgerbegehren gründete sich (wir berichteten). Nun soll das Konzept erneut im Gemeinderat besprochen werden. Eine neue Kulturhalle sei allerdings unabdingbar, so Oberbürgermeister Klaus Konzelmann.
Der Neujahrsempfang ist eine der ersten Veranstaltungen, die aus der Kulturkonzeption heraus entstanden ist. Die Stimmung war ausgelassen, bis spät in die Nacht kamen Vertreter unter anderem der Vereine, Kinos, Galerien, Künstler, Musiker, Gemeinderat, Verwaltung ins Gespräch, lernten sich kennen und schmiedeten neue Pläne. Es soll nicht die einzige neue Veranstaltung bleiben. Die Konzeption hatte bereits Einfluss auf das Kulturjournal der aktuellen Saison 2022/2023, so Roscher. Als Beispiele nennt er den Albstädter Band Sommer und den Weihnachtsmarkt. Letzterer wurde diesen Winter mit einer Eisbahn erweitert.
Der Kulturamtsleiter gab am Dienstagabend zudem einen Ausblick für die kommenden Jahre: Die junge Kulturwoche „#kulturundso“, der Band Sommer sowie die Literaturtage sollen fortgeführt und weiterentwickelt werden. So auch das interkulturelle Sommerfest, das 2024 wieder stattfinden soll. „2025 wird unsere junge Stadt 50.“ Ob es zum 50-Jährigen ein großes Fest geben wird, müsse noch mit den kommunalpolitischen Gremien geklärt werden. Von vielen Bürgerinnen und Bürgern wurde allerdings der Wunsch geäußert, Stadtfeste in den einzelnen Stadtteilen zu veranstalten. „Da hatten wir eine Tradition.“ Ab Mitte der 2000er-Jahre hörte diese allerdings auf. Nun soll auch hier geklärt werden, ob und wie diese wieder stattfinden können. „Ein Albstädter möchte ein Open-Air veranstalten, wir als Kulturamt begleiten ihn dabei“, gab Roscher zudem bekannt.
Solche Projekte könnten künftig über einen Fördertopf, wie es beispielsweise schon für Sportvereine gibt, finanziell unterstützt werden. Dafür werden Förderrichtlinien erarbeitet, teilte Martin Roscher mit.

Ein Verein für Künstler

Die Kulturkonzeption stand beim Neujahrsempfang im Fokus. Künstlerisch wurde der Abend von den Albstädter Musikern Sharon Ndaji und Jannik Bitzer gestaltet. Zusätzlich wurden Werke des Künstlers Bruno Schlagenhauf ausgestellt. Mit diesem führte Dr. Kai Hohenfeld, Direktor des Kunstmuseums, ein Künstlergespräch.
Der Albstädter Künstler habe schon früher Brücken zwischen der Kunstszene und der Stadt geschlagen, erklärt Hohenfeld. Was allerdings nie gelang, sei die Gründung eines Vereins für alle Künstler. Die abendliche Veranstaltung biete diesbezüglich Potenzial, so Schlagenhauf.