Sie hatten ihre Gemeindeglieder zwar schon darauf vorbereitet, dass es finanziell nicht gut aussieht, doch die am Freitagabend vorgestellte Gebäudekonzeption des Kirchengemeinderats der evangelischen Kirchengemeinde Ebingen hatte es in sich. Wie berichtet, hat sich über Jahre ein Investitionsstau von fast neun Millionen Euro an den sieben Gebäuden der Gemeinde angesammelt (Stand Oktober 2022). Dem gegenüber stehen etwa eine Million Euro an Rücklagen und vermutlich rund 35 Prozent Zuschüsse.
Es bleibt zu viel Geld für eine Glaubensgemeinschaft, deren Mitgliedszahlen sinken, der vonseiten der Landeskirche immer mehr Stellen gestrichen werden und die mit geringerem Spendenaufkommen klarkommen muss. Die Lösung: Bis 2030 das Gemeindehaus Spitalhof, die Friedenskirche und die Thomaskirche verkaufen. So sieht es die vorgestellte Konzeption vor.
In dementsprechend betrübte Gesichter blickten geschäftsführender Pfarrer Thomas Soffner, Vorsitzender des Kirchengemeinderats (KGR) Thorsten Rach, Kirchenpflegerin Katrin Hödl und Pfarrerin Marlies Haist bei der Vorstellung der Pläne in der Martinskirche. Etwa 50 Gemeindeglieder waren erschienen. Die Stimmung variierte zwischen Verständnis, Bedrückung, Ernüchterung und Verunsicherung. Die großen Emotionen, aber auch Ideen, blieben aus.

Keine bahnbrechende Ideen

Ein bisschen hatten die Zuständigen gehofft, dass am Freitagabend eine bahnbrechende Idee aus dem Publikum kommen würde, an die sie selbst in ihren zahlreichen Sitzungen und bei ihren stundenlangen Überlegungen nicht gedacht haben. „Vor zehn Jahren hätte es eine Montagsdemo gegeben“, sagte Christoph John, einer der erschienenen Zuhörer. „Wir sehen es realistisch: Ohne Fallenlassen geht es nicht.“
Das Verhalten der Gemeindeglieder solle aber nicht als Resignation verstanden werden, richtete John das Wort an Frank Morlock. Der Prozessberater des Angebots der Landeskirche „Vernetzte Beratung“ unterstützte die Kirchengemeinde bei der Erstellung des Konzepts und war am Freitagabend vor Ort. Immer wieder fragte er die Anwesenden nach ihren Emotionen – fast ungläubig schien er über die gefasste Stimmung. „Jede Veränderung bringt auch eine Chance“, fügte Christoph John hinzu.

Braucht es die Martinskirche?

Dabei darf es keine Denkverbote geben, warf Dieter Dörrer ein. Die Martinskirche sei zu groß und die Betriebskosten zu hoch. „Wir brauchen in 20 Jahren keine Kirche mehr, die 1000 Plätze hat“, so sein Vorschlag. Auch dies sei ein Gedanke, die der KGR im Vorfeld diskutiert habe. „Wir wollen das Stadtzentrum nicht aufgeben“, erklärte Pfarrer Thomas Soffner.
Doch wie viel Kirche kann es künftig noch geben und in welchen Gebäuden? Ein Gemeindeglied stellte anheim, dass keine Gebäude-, sondern eine Gemeindekonzeption benötigt wird. Welche Angebote lassen sich mit schwindenden Mitgliedern, mit weniger Geld und weniger Ehrenamtlichen noch stemmen? „Wir müssen jetzt handeln“, erklärte Thorsten Rach den Zeitdruck. „Sie sind ein Klotz am Bein“, beschreibt er die sanierungsbedürftigen Gebäude. „Wir brauchen diesen Befreiungsschlag.“ So könne sich die Kirche wieder um ihre Mitglieder und nicht um Immobilien kümmern.
Gibt es schon Kaufinteressenten? Kann die Gemeinde mitentscheiden, an wen und zu welchem Zweck verkauft wird? Was passiert mit den Wohnungen im Spitalhof? Nicht auf alle Fragen konnten Rach, Hödel und Soffner eine konkrete Antwort geben, was bei einigen Teilnehmern für Kritik sorgte.
Dabei wollte die Kirche ihre Mitglieder frühzeitig in den Entscheidungsprozess miteinbeziehen und nicht vor vollendete Tatsachen stellen. Die vorgestellte Gebäudekonzeption sollte lediglich ein Vorschlag sein, sollte zeigen: „Wir haben uns Gedanken gemacht.“ Gespräche mit eventuellen Interessenten sollten erst stattfinden, wenn eine Entscheidung gefällt wurde – auch im Interesse möglicher Käufer.
Im Idealfall sind das andere Kirchengemeinden christlichen Glaubens. Denn beim Verkauf einer Kirche entscheidet auch der Oberkirchenrat mit. Einem Verkauf beispielsweise an einen Moscheeverein, wie es ein Teilnehmer befürchtete, werde sicherlich nicht zugestimmt, so Soffner.

Info Der Kirchengemeinderat wird gemeinsam mit der „Vernetzten Beratung“ an der Gebäudekonzeption arbeiten und bis spätestens September dieses Jahres einen Beschluss fassen, der in der Gemeindeversammlung im Herbst bekannt gegeben wird.

Selbst entscheiden, solange es noch geht

Bis zu 22 000 Euro Spenden konnte die evangelische Kirchengemeinde Ebingen in guten Jahren generieren, sagt Kathrin Hödel. Mittlerweile sind es nur noch zwischen 7000 und 8000 Euro. „Wir können uns nicht auf die Hilfe von außen verlassen“, sagt Pfarrer Thomas Soffner auch im Hinblick auf Unterstützung vonseiten der Landeskirche. Denn die geht davon aus, mindestens 30 Prozent der Kirchengebäude veräußern zu müssen. Auf lange Sicht sei zudem zu erwarten, dass Gebäude und deren Sanierungen nicht mehr von der jeweiligen Gemeinde verwaltet, sondern auf Bezirksebene entschieden wird. Es sei daher sinnvoll, eine Gebäudekonzeption zu gestalten, solange die Ebinger Gemeinde noch selbst entscheiden könne, so Soffner.
Mit einem möglichen Verkauf der Thomas- und der Friedenskirche stellt sich die Frage, was mit den Kindergärten passiert. Die Kirche sei in Kontakt mit der Stadt, um die Betreuung langfristig zu erhalten. „Keine Kindergartenplätze gehen unmittelbar verloren“, so Thorsten Rach. Die Mitarbeiter wurden am Donnerstag informiert und die Eltern am Freitag.