Eine Minute reicht aus, um über Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens, besser gesagt eines Start-ups zu entscheiden. Denn Zeit ist Geld. Wer Investoren gewinnen möchte, sollte sein innovatives Geschäftsmodell verständlich und prägnant vorstellen. Details werden später geklärt. Bekanntestes Beispiel ist die Vox-Sendung „Die Höhle der Löwen“. Dort wird das Geschäftsmodell den namhaften Investoren Nils Glagau, Ralf Dümmel, Judith Williams, Georg Kofler, Dagmar Wöhrl, Nico Rosberg und Carsten Maschmeyer vorgestellt. Zahlreiche Produkte erlangten mit der Sendung Bekanntheit. Das erlebte auch Lara Schuhwerk 2021. Die Gründerin stellt proteinreiche Pasta aus Insektenmehl her und überzeugte damit Nico Rosberg. Der Firmensitz von Beneto Foods ist mittlerweile in Albstadt.
Doch nicht jede Idee findet Zuspruch, in- und außerhalb der Sendung. Wie nervenaufreibend die Vorstellung einer eigenen Geschäftsidee sein kann, durften am Montag 70 Schülerinnen und Schüler der Walter-Groz-Schule Ebingen, des Progymnasium Tailfingen und des Gymnasiums Meßstetten erfahren. Denn im Rahmen eines eintägigen Workshops in der Technologiewerkstatt Albstadt durchlebten die Schülerinnen und Schüler die ersten Phasen einer Unternehmensgründung.

Risikobereitschaft bei Gründung

Eine eigene Firma gründen, wer hat nicht schon davon geträumt. Oft bleibt es beim Traum. Gerade nach der Schule wird der vermeintlich sichere Weg eines Studiums oder einer Ausbildung gewählt. Das hat unterschiedliche Gründe. Unsicherheit spielt eine große Rolle: Wie erarbeite ich eine Idee, wie gründe ich und wie finanziere ich das Unternehmen? Und genau hier kommen die Workshops der Landeskampagne Start-up ins Spiel.
„Ist euch bewusst, dass ihr in der Schule immer in die Vergangenheit blickt?“ So haben sich die Lehrerinnen, Lehrer und Schulleiter den Workshop bestimmt nicht vorgestellt. „In Geschichte ist es ja klar, aber auch in Mathematik ist der Stand, den ihr heute lernt, aus der Vergangenheit“, erläutert Kursleiterin Sandra Grimm. Das ist grundsätzlich erstmal nicht schlimm, weil es Grundlagen benötigt, um neue Ideen zu entwickeln. Bilingualer Unterricht ist ein Beispiel, artfremde Sachen auf innovative Weise zusammenzubringen, sagt Grimm.

Was ist eine Innovation?

Braucht es aber immer eine Innovation, um ein Unternehmen zu gründen? Dafür nahmen die Schülerinnen und Schüler das Wort auseinander. Innovation stammt vom lateinischen Verb innovare ab und bedeutet Neuerung, aber auch Erneuerung. Eine Innovation muss also nicht etwas nie Dagewesenes, sondern kann eine Entwicklung einer bereits bestehenden Lösung sein. Als Beispiel nennt Sandra Grimm das Smartphone. Das „IBM Simon“ ist das erste Smartphone. Es kam 1992 auf den Markt. Mit ihm konnte man nicht nur telefonieren, sondern E-Mails und Faxe verschicken sowie im Internet surfen. Einziges Problem: Da das World Wide Web erst 1989 als Projekt der Forschungseinrichtung CERN entstand, war 1992 das Internet für die breite Masse kaum interessant. Als Apple 2007 sein erstes iPhone auf den Markt brachte, sah das schon anders aus. Bis heute gilt die erste iPhone-Generation als Meilenstein in Sachen Technik, obwohl es auf einer vorhandenen Erfindung basiert.
Eine Innovation könne erfolgreich sein, wenn sie ein Problem löst, es dafür einen Markt, also Kunden gibt und die Überzeugungskraft stimmt. Diese drei Eigenschaften galt es am Montag zu schulen. Das ist nicht nur als Gründer hilfreich, sondern auch als Angestellter. „Ihr seid gefragt bei Unternehmen, weil ihr frisches Denken mitbringt“, ist Grimm überzeugt.
Daran schließt auch Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut an. Die Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg war am Montag für eine Motivationsrede zur Technologiewerkstatt gekommen. „Wir wollen Schülerinnen und Schüler mit dem Workshop für die Selbstständigkeit begeistern. Wir brauchen ihre Unbefangenheit und ihren Mut, neue Wege zu gehen, heute mehr denn je.“ Der demografische Wandel in Deutschland ist eine „massive Herausforderung“. Dadurch haben junge Menschen allerdings auch „exzellente Perspektiven“. Der Balingerin imponiere die vielfältigen Geschäftsideen, die die Jugendlichen entwickeln.

„Spinnt euch eure Lösung“

Davon konnte sie sich direkt überzeugen. Unter Anleitung von Sandra Grimm entwickelten die Schüler ihre eigenen Geschäftsideen mit Problemlösung und Zielgruppe. „Spinnt euch eure Lösung erstmal“, gab sie Tipps. Das aber schien nicht bei allen zu helfen. Aus dem Stegreif eine ganz eigene Lösung zu suchen, fern jeder Realität, das lernen die Neunt- bis Zwölftklässler so normalerweise nicht in der Schule. Hier wird auf Bestehendes zurückgegriffen oder wie es Grimm ausgedrückt hatte, die Vergangenheit.
Mit etwas Übung aber gelang die Problem- und Lösungssuche. Dabei zeigte sich die von Hoffmeister-Kraut angesprochene Vielfalt: Die Zielgruppen reichten von Alleinerziehende, Witwen, Fitnessbegeisterte, Hundebesitzer, Schüler, Personen mit Sehbehinderung, Musiker und viele mehr. Eine Gruppe befasste sich beispielsweise mit der Unterbringung von Obdachlosen. Gerade im Winter benötigen diese Schutz vor Wind und Wetter. Die Lösung der Schülergruppe: Umgebaute Anhänger, in denen Obdachlose schlafen können.
Beim ersten Pitch (Vorstellung) ihrer Idee vor ihren Klassenkameraden hatten sie eine Minute Zeit auszuführen, wie sie ihr Geschäftsmodell umsetzen wollen. Doch damit hatte es sich nicht erledigt. Denn danach wurden sie mit Fragen gelöchert: „Wie wollt ihr euch finanzieren? Gibt es Toiletten in den Anhängern?“ Auch hierbei war das Ziel nicht, ein fertiges Modell zu präsentieren, sondern Verbesserungsvorschläge mitzunehmen. „Ihr müsst euch nicht verteidigen“, so Grimm. „Wenn ihr keine Antwort habt, dann sagt: Das ist ein interessanter Punkt, den nehmen wir für die weitere Entwicklung mit.“

Kritik ist Entwicklungspotenzial

Mit dem ersten Pitch war der Workshop nicht zu Ende. Bis zum Nachmittag wurde weiter an den Ideen gefeilt. Es folgte ein weiterer Pitch vor einer Jury aus Politikern und Wirtschaftsvertretern. Diese wählte zwei Sieger-Teams aus, die ihre Geschäftsideen bei der Gartenschau Balingen am 10. Mai erneut präsentieren dürfen. Außerdem ziehen sie in das Landesfinale „Start-up BW Young Talents“ ein, das im Rahmen der „Start-up BW Night“ in Mannheim am 13. Juli stattfinden wird.
Gewonnen haben ein Mädchenteam des Wirtschaftsgymnasiums Ebingen. Sie überzeugten mit ihrer Idee „Screeny“, einer Folie und Software für das Cockpit im Auto als Brillenersatz. Das Gewinnerteam des zweiten Workshops aus dem Gymnasium Meßstetten überzeugte mit ihrer Idee „Master Cart“, ein digitalisierter Einkaufswagen mit Indoor Navigation.

Info Die „Start-up BW Young Talents“-Workshops sind Teil der Landeskampagne Start-up BW vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus. Ziel ist es, Jugendliche für die Themen Innovation, Start-up und unternehmerisches Handeln zu sensibilisieren. So wurden verschiedene Projektmodule entwickelt. Im Modul „Innovation Workshop und Pitch“ lernen Schülerinnen und Schüler, Geschäftsideen zu entwickeln und diese in einem Elevator Pitch (kurze Präsentation) vorzustellen.

Ein aufschlussreicher Spaghettiturm

● 20 Spaghetti
● 1 Meter Schnur
● 1 Meter Klebeband
● 1 Marshmallow
Das sind die Zutaten für ein Spiel, das für jede Gruppe geeignet ist: Freunde, Kollegen, Geschäftsführer. Innerhalb von 15 Minuten muss aus den Gegenständen ein möglichst hoher Turm gebaut werden, der den Marshmallow trägt, der nicht kaputt gemacht werden kann. Dabei entstehen die unterschiedlichsten Figuren und die unterschiedlichsten Gespräche. Genau darauf kommt es an, verrät Sandra Grimm. Entscheidend ist nicht unbedingt das Ergebnis, sondern wie sich die Gruppe und die Einzelnen verhalten. Wer ist Denker, wer Führungspersönlichkeit.
Das zeigte sich auch bei den Schülerinnen und Schülern, die teils schulübergreifend in Gruppen eingeteilt worden sind. Der höchste Turm stammt von einer reinen Mädelsgruppe und misst 70 Zentimeter. Nur Kindergartenkinder schaffen es im Schnitt höher. Warum? Weil ihnen noch nicht beigebracht wurde, dass ein umgefallener Turm Scheitern bedeutet, erklärt Grimm. „Das lernen wir erst in der Schule.“
Im Durchschnitt seien die Türme 50 Zentimeter hoch. Betriebswirtschaftsstudenten bauen in der Regel nur 25 Zentimeter hoch, Geschäftsführer 60 Zentimeter. „Die sind es gewohnt, Risiko einzugehen.“ Gemeinsam mit Mitarbeitern sollen sie sogar noch höhere Türme bauen.