Die rote Paprika hat eine leichte Druckstelle. Claudia Schairer klebt ein gelbes „reduziert“-Etikett aufs Gemüse, um die Paprika den Kundinnen und Kunden dennoch schmackhaft zu machen. Die Frucht ist bis auf den kleinen optischen Makel vollkommen in Ordnung, gesund und lecker – doch wenn sie bis zum Abend nicht verkauft wird, landet sie im Biomüll. Eigentlich. Denn Claudia Schairer hasst Lebensmittelverschwendung. Das, was sie aus dem übriggebliebenen Obst und Gemüse in ihrem Dorfladen in Pfeffingen macht, ist mehr als eine „zweite Chance“. Die Lebensmittel werden bei „Alb im Gläsle“ zu hochwertigen Feinkostprodukten verarbeitet.
Als die 42-Jährige vor acht Jahren den Dorfladen in Pfeffingen eröffnet hatte, verkaufte sie natürlich auch Obst und Gemüse. Jeden Tag gab es Reste, die Schairer für ihre Familie verwertete und einkochte. „Ich schmeiße extrem ungern Lebensmittel weg. Schon gar nicht, nur weil die Produkte nicht mehr so schön aussehen.“ Doch auch die hungrige Familie hatte nicht ausreichend Kapazitäten, alle „Verkaufsreste“ zu essen – für Schairer war klar: Die Lebensmittel müssen im größeren Stil verarbeitet werden.
Schairer beliefert mehr als 40 Hofläden
2019 war der Start für „Alb im Gläsle“ gemacht. Die Reste aus dem „Kronenladen“ und die Früchte der familieneigenen Streuobstwiesen kochte Schairer ein und verkaufte Gsälz, Suppe und Soße im Glas. Schnell zeigte sich: ihre eingeweckten Produkte aus regionalen Lebensmitteln treffen den Kern der Zeit. „Die Nachfrage war sehr schnell sehr hoch“, sagt die Quereinsteigerin. Als der Schlecker in Pfeffingen auszog, ergriff sie die Chance, etwas Eigenes aufzubauen.
Mit Erfolg. 40 Hofläden werden von „Alb im Gläsle“ beliefert, auch der erste große Lebensmittelmarkt ist an Schairers Produkten interessiert. Obst und Gemüse muss sie zukaufen, im Obergeschoss baut die Familie eine Großküche ein, um die gewünschten Absatzmengen herzustellen. „Wir sind an der Kapazitätsgrenze angekommen“, sagt Claudia Schairer und lächelt. Es ist eine schöne Belastung, doch alleine ist die Arbeit nicht mehr zu bewältigen. Bis vor Kurzem hat Schairer noch alles selbst eingekocht und parallel den Dorfladen betrieben. Mittlerweile stellt sie ein, sowohl für Küche als auch Verkauf.
Nachahmer? „Ja, versucht haben es viele“, sagt die 42-Jährige. „Aber das Einwecken ist nicht so einfach, wie man denkt. Garpunkte müssen genau stimmen, beispielsweise, wenn man Zwiebeln verarbeitet. Die dürfen nicht nachgären.“ Marmelade einwecken, das können viele. Aber auch Balsamico-Zwiebeln oder Currywurst? Das ist schon schwieriger. Alles ohne Aroma- und Konservierungsstoffe. Ihre genaue Vorgehensweise und Tricks verrät Claudia Schairer nicht. Betriebsgeheimnis.
Gsälz und Co.: viele prämierte Produkte
Ihre Kreativität dagegen ist gut auf den Etiketten erkennbar. Gsälz in den Kombinationen Ananas-Kokos, Karotten-Apfel oder das vom Kikeriki – ein Gütesiegel für regional-erzeugte Lebensmittel – prämierte Schwarzwälder-Kirch-Gsälz. Bei Exoten wie Kiwi und Ananas achtet Claudia Schairer darauf, dass diese dennoch möglichst umweltschonend produziert werden.
Doch die Belastung ist immens. Als Selfmade Woman, die ihren Dorfladen betreibt und ihr eigenes Feinkostgeschäft aufgebaut hat, kennt Schairer die Herausforderung, Familie und Unternehmen zu vereinbaren. „Als ich nur den Laden geführt hatte, ging es noch. Aber jetzt ist es ein gewaltiger Spagat“, sagt Schairer. Eine funktionierende Kinderbetreuung ist unabdingbar, damit sich mehr Frauen selbst verwirklichen können. Ebenso wichtig: weniger Bürokratie. Diese erledigt Claudia Schairer abends und am Wochenende, nachdem die eigentliche Arbeit getan ist.
Unsere Serie „Die Macherinnen“
In unserer Serie „Die Macherinnen“ stellen wir Frauen aus dem Zollernalbkreis vor, die sich selbst verwirklicht oder hohe Positionen in Unternehmen innehaben. Denn nach wie vor sind die Rahmenbedingungen in der Wirtschaft für Frauen schwierig, Familie und Beruf lassen sich nur unter hoher Belastung vereinbaren. Die Frauen in „Die Macherinnen“ haben das geschafft.