Der Mann, der vom Tierheim keine Katze bekommt. Weil er zu nahe an der Hauptstraße wohnt: Tierheim Tailfingen.“ Mit diesen Sätzen hat sich vor Kurzem ein Albstädter Bürger öffentlich geäußert. In Weißenhorn im Landkreis Neu-Ulm ein ähnlicher Fall. Eine Seniorin wollte eine ältere Katze aus dem Tierheim bei sich zu Hause aufnehmen – erhielt jedoch eine Absage. Auch bei ihr war die Wohnlage entlang einer viel befahrenen Straße der Grund dafür, dass das Tierheim auf eine Vermittlung der Katze verzichtet hatte. Haben Tierheim zu hohe Ansprüche?

„Wir wollen die Tiere nicht einfach loswerden“

Diese Kritik an Tierheimen kommt immer wieder auf. Für Lena Wissmann ist das nicht nachvollziehbar. „Wir päppeln die Tiere über Wochen, in manchen Fällen über Monate auf. Da ist doch klar, dass wir bei der Vermittlung darauf achten, dass ein neues Zuhause wirklich zum Tier passt und für dieses nicht gefährlich ist.“ Wissmann ist Tierpflegerin und stellvertretende Leiterin des Tierheims in Tailfingen. Sie macht deutlich: „Das Tier steht im Mittelpunkt.“
Das betont auch Dr. Günter Wiebusch, Vorsitzender des Tierschutzvereins Zollernalbkreis als Träger des Tierheims. Das Argument, Tierheime seien überfüllt und müssten daher froh sein, die Tiere zu vermitteln, greife nicht: „Wir wollen die Tiere nicht einfach loswerden, sondern sie an die richtigen Menschen vermitteln.“ Wären die Ansprüche geringer, würden viele Hunde und Katzen früher oder später wieder im Tierheim landen. Das gilt es zu vermeiden, sagt Wissmann: „Wir wollen die Tiere nur einmal vermitteln.“

Fast alle Katzen sind Freigänger – Wohnlage ist entscheidend

Die Ansprüche seien folglich aus gutem Grund hoch. Gerade bei Katzen ist die Wohnlage möglicher Halterinnen und Halter ein entscheidendes Kriterium. „Nahezu alle unserer Katzen sind Freigänger. Ältere Hauskatzen sind die Ausnahme“, sagt Wissmann. Der Radius des Reviers eines Freigängers kann bis zu 2000 Quadratmetern betragen – das birgt viel Freiheit, aber ebenso viele Gefahren. Viel befahrene Straßen stehen einer Vermittlung daher im Weg. Wenn das der einzige Grund für eine Absage ist, haben Wissmann und Dr. Wiebusch durchaus Verständnis für den Unmut der Interessierten. Doch im Sinne des Tiers müssen sie so entscheiden – und es gibt andere Fälle, wo mehr nicht passt als die Wohnlage.

Viele Gespräche im Vorfeld

Immer wieder kommt es vor, dass „Tierliebhaber“ ihr eigenes Wohl in den Vordergrund stellen. „Wenn jemand im vierten Obergeschoss eine Freigänger-Katze halten und den Balkon entsprechend umgestalten möchte, geht das weit an der Realität und an Tierwohl vorbei“, berichtet Dr. Günter Wiebusch und schüttelt mit dem Kopf. Auch das Alter spielt eine Rolle. „Einer betagteren Frau werden wir keine Babykatze vermitteln“, sagt Wissmann. Lediglich in Ausnahmen kann das vorkommen. „Dann sprechen wir aber vorab mit den Verwandten der Frau, um sicherzustellen, dass jemand bei der Pflege der Katze unterstützen oder sich im Todesfall komplett um die Katze kümmern kann.“
Gespräche im Vorfeld sind ohnehin der Schlüssel für eine erfolgreiche Vermittlung. Wenn möglich, sollten sich künftige Halterin oder Halter und das Tier zwei bis drei Wochen vor der Vermittlung täglich sehen. Das schafft Vertrauen und Bindung – und es zeigt dem Tierheim, dass die Interessenten es ernst meinen. Die Tierpfleger haben ein gutes Gespür und hören genau zu: Wenn sich Aussagen der künftigen Tierbesitzer widersprechen, ist ein Aspekt nicht gegeben: ein Vertrauensverhältnis zwischen Tierheim und Halter. „Wir pflegen auch nach der Vermittlung einen guten Kontakt zu vielen Haltern“, sagt Lena Wissmann.
Zu jeder Vermittlung gehört eine Nachkontrolle. Nach einem halben Jahr besuchen die Mitarbeiterinnen des Tierheims Tailfingen das neue Zuhause der Tiere und schauen, ob Hund oder Katze beim neuen Halter glücklich sind. „Wenn die Tiere uns kurz freudig begrüßen, und dann gleich zum Herrchen oder Frauchen gehen, ist das das schönste Zeichen für uns“, sagt Dr. Wiebusch.

Personalkosten sind die höchsten Ausgaben

Die monatlichen Ausgaben des Tierheims Zollernalbkreis sind im Vergleich zu Vor-Corona von 3000 Euro auf 4000 Euro monatlich gestiegen. Über Futterspenden freue man sich natürlich immer, doch oft sind Geldspenden wichtiger: „Die Personalkosten sind der größte Posten. Eine gute Betreuung durch die Pflegerinnen kommt den Tieren direkt zu Gute – aber wir können die Mitarbeiterinnen nicht mit Tierfutter bezahlen“, sagt Dr. Günter Wiebusch, Vorsitzender des Tierschutzvereins als Träger des Tierheims.
Alle Informationen zum Tierheim und wie man spenden kann, finden Interessierte unter www.tierheim-tailfingen.de.