Die Tatsache, dass zwei Freundinnen, erst 12 und 13 Jahre alt, die Schülerin Luise (12) aus Freudenberg erstochen haben, entsetzt auch Wochen nach der Tat noch ganz Deutschland. Kinder und Eltern fragen sich zurecht, wie Mädchen in dem jungen Alter zu solch einer grausamen Tat fähig sein können. In der Politik ist daher eine Debatte über die Frage entbrannt, ob die aktuelle Regelung zur Strafmündigkeit ab 14 Jahren in Deutschland noch sinnvoll ist. Denn diverse Medien veröffentlichen immer mehr grausige Details und Spekulationen zu dem Fall.
Luise wurde am 11.03.2023 in einem Wald brutal ermordet: Zwei Freundinnen, 12 und 13 Jahre alt, sollen die Siebtklässlerin mit Dutzenden Messerstichen getötet haben. Am Mittwoch, 22.03.2023, haben in Freudenberg Angehörige und Freunde in der evangelischen Kirche des Mädchens gedacht. Die Trauerfeier wurde in die Aula der Esther-Bejarano-Gesamtschule übertragen. Die Schule hat ihre Internetseite auch am Sonntag, 26.03., immer noch abgeschaltet. Lediglich ein Trauerhinweis ist zu sehen. Dort heißt es „Wir trauern um Luise“.
Luises Gesamtschule hat ihre Internetseite abgeschaltet. Lediglich ein Trauerhinweis ist zu sehen.
Luises Gesamtschule hat ihre Internetseite abgeschaltet. Lediglich ein Trauerhinweis ist zu sehen.
© Foto: Screenshot
Die Bürgermeisterin von Freudenberg, Nicole Reschke (SPD), kritisierte im Vorfeld der Feier einige Boulevardmedien. Dennoch sei es richtig, dass die Presse über Luises Tod berichte. Die Alternative sei, dies jenen zu überlassen, die in sozialen Netzwerken versuchten, Gerüchte zu Nachrichten zu machen. „Was da gerade passiert, ist einfach schrecklich“, sagte Reschke. Tatsächlich rollt im Internet und auf Social Media-Kanälen wie dem umstrittenen TikTok weiter eine Welle von Trauer, Wut und haltlosen Spekulationen.

Medien: Täterinnen sollen Mord an Luise geplant haben

Unterdessen äußern „Bild“ und „Focus“ jetzt den Verdacht, dass die beiden mutmaßlichen Täterinnen die Tat von langer Hand geplant und auf die aktuell politisch diskutierte Regelung zur Strafunmündigkeit unter 14 Jahren und mithin einer Straffreiheit gesetzt hätten. Der “Focus“ will aus „gut unterrichteten Kreisen“ erfahren haben, dass die tatverdächtigen Täterinnen das Verbrechen mehrere Tage vorbereitet hätten. Eine habe sich informiert, was ihnen nach der Tat drohe: Die Polizei habe auf den Handys der Kinder und bei Durchsuchungen Spuren gefunden, die darauf hinweisen, dass sie vor der Tat im Internet nach dem Wort „Strafunmündigkeit“ gesucht hätten. Außerdem soll nicht die 13-Jährige, sondern die 12-Jährige die Haupttäterin gewesen sein. Sie habe nach Erkenntnissen der Rechtsmedizin in Mainz 75 Mal zugestochen. Zuvor hätten die Mädchen versucht, das Opfer mit einer Tüte zu ersticken.
Laut „Bild“ hat die 12-Jährige bei der Polizei als erste gestanden. Das Motiv sollen laut „Focus“, wie schon berichtet, verletzte Gefühle gewesen sein. Das Messer wurde bis heute nicht gefunden. Von offizieller Seite bestätigt ist das alles freilich nicht: Die Ermittler und die Justizbehörden äußern sich wegen der Strafunmündigkeit der beiden 12 und 13 Jahre alten Kinder und ihres Persönlichkeitsschutzes nicht zu Tatdetails und zum Motiv.
Abwegig wäre eine derart geplante Tat nicht: Der Ulmer Psychiater Jörg Fegert erklärt, dass Kinder in dem Alter genau wüssten, was es heiße, zu töten.
Ulmer Psychiater Fegert: "Kinder in dem Alter wissen genau, was es heißt, zu töten"
Zwölfjährige aus Freudenberg erstochen
Ulmer Psychiater Fegert: „Kinder in dem Alter wissen genau, was es heißt, zu töten“
INTERVIEW
Ulm/Freudenberg

Baden-Württemberg-CDU will Strafunmündigkeit bei Verbrechen überprüfen

Sicher ist, dass die Debatte um die Strafunmündigkeit auch mehr als zwei Wochen nach dem Verbrechen von Freudenberg noch lange nicht beendet ist: Baden-Württembergs Fach-Minister wollen die Altersgrenze für Minderjährige im Strafrecht überprüfen lassen. Innenminister Thomas Strobl (CDU) und Justizministerin Marion Gentges (CDU) schrieben laut der Deutschen Presseagentur (dpa) und dem SWR einen Brief an ihre Amtskollegen in der Bundesregierung. Darin fordern sie, dass die Regel, wonach Kinder erst ab 14 Jahren als strafmündig gelten, überprüft werden solle. Beide verweisen darin auch auf den Fall Luise.

Wissenschaftliche Studie gefordert

Die immer wiederkehrende Debatte über die Altersgrenze sei „sehr gut nachvollziehbar“, schreiben Strobl und Gentges an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Es müsse überprüft werden, „ob heutzutage die geistige und sittliche Reife junger Menschen früher einsetzt als im Jahr 1923“. Sie fordern in dem Schreiben eine aktuelle Studie zur „altersbezogenen Entwicklung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit“. Die Festsetzung der Altersgrenze auf 14 Jahre sei schon vor 100 Jahren wissenschaftlich nicht exakt begründet worden.

Grüne lehnen Absetzung der Strafmündigkeit ab

Die rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Daniela Evers, wies den Vorstoß entschieden zurück. „Wir Grüne lehnen es ab, wenn hier schnelle Lösungen in einer emotionalen Debatte gefordert werden. Eine Absenkung der Strafmündigkeit ist weder vom Koalitionsvertrag gedeckt noch Position der Koalition.“ Das Thema Jugendkriminalität ist nicht nur wegen des Falls Luise derzeit in der Debatte. Die beiden Minister betonen in ihrem Schreiben, dass einzelne Fälle schwerwiegender Kriminalität von Kindern nicht per se geeignet seien, die Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters zu begründen. In dem am Donnerstag vorgestellten Sicherheitsbericht für Baden-Württemberg heißt es, dass die Zahl tatverdächtiger Kinder um 33,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr angestiegen ist. Insgesamt 10 490 Kinder im Alter bis zu 13 Jahren wurden im Jahr 2022 tatverdächtig.