Dass zwei Mädchen aus Luises Freundeskreis, gerade einmal 12 und 13 Jahre alt, die Siebtklässlerin aus Freudenberg in Nordrhein-Westfalen erstochen haben sollen, entsetzt ganz Deutschland. Viele fragen sich, wie Kinder zu Tätern werden können und ob die aktuelle Regelung zur Strafmündigkeit ab 14 Jahren in Deutschland richtig ist. Im Internet und auf Social Media ist eine wahre Welle von Trauer, Hass und vor allem wilden Spekulationen ausgebrochen. Davor warnt jetzt auch die Polizei.
Motiv ist unklar: Verdächtige soll Luises beste Freundin gewesen sein
Die tatverdächtigen Mädchen haben der Polizei im Verhör gestanden, Luise mit mehreren Messerstichen getötet zu haben. Zum Anlass für die grausame Tat sagen die Ermittler nichts, da beide Mädchen unter 14 Jahre alt und mithin noch nicht strafmündig sind.
Umso mehr eskalieren Spekulationen über die Tat selbst und das Motiv der beiden mutmaßlichen Täterinnen in den Medien. Vielerorts wird Hass verbreitet. Deswegen warnen Polizei und Staatsanwaltschaft jetzt vor Falschmeldungen. „Offenkundig gibt es besonders in den sozialen Medien Spekulationen, die sich nicht mit dem aktuellen Stand der Ermittlungen decken.“
Haarsträubende Posts auf Kanälen wie TikTok
Auf Social Media-Kanälen wie Tiktok kursieren tausende, oft haarsträubende Posts. Viele stellen die Frage, warum man „seine beste Freundin“ töten könne. Andere behaupten, eine der Verdächtigen habe am Tag nach der Tat noch ein Tanzvideo auf TikTok geteilt. Weitere senden auch Fotos des Opfers und der mutmaßlichen Täterinnen. Die Polizei bittet ausdrücklich darum, sich daran nicht zu beteiligen „und die Diskussionen über die Hintergründe des Vorfalls, auch zum Schutz der Angehörigen, nicht zu befeuern“. Besonders in den sozialen Medien gebe es Spekulationen, die sich nicht mit dem aktuellen Stand der Ermittlungen deckten.
Social Media Kanäle geschlossen
Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft wurden die Social-Media-Kanäle der beiden Tatverdächtigen geschlossen. In sozialen Netzwerken hatte es auf den Profilen teils anonymer Nutzer zahlreiche Spekulationen und auch Drohungen und Hass gegen die Tatverdächtigen gegeben. Laut Polizei wird laufend geprüft, ob strafrechtlich Relevantes gepostet wird.
Medien spekulieren über Mobbing als Auslöser für Bluttat
In den etablierten Medien wird vor allem die Theorie vertreten, dass es bei der tödlichen Auseinandersetzung angeblich um Mobbing und Rache ging. „Bild“ berichtet, dass es sich bei den Verdächtigen um Schulkameradinnen handle. Die 13-jährige mutmaßliche Täterin sei Luises beste Freundin gewesen. Das Blatt berichtet weiter, dass Luise in der Nacht vor ihrem Verschwinden bei der 13-Jährigen übernachtet habe, später soll die Zwölfjährige dazugekommen sein.
Motiv für tödliche Stiche Mobbing und Rache?
Mehrere Medien berichten, dass es sich bei der Bluttat um einen Rache-Akt gehandelt habe, die drei Schülerinnen hätten sich im Vorfeld gestritten. Demnach sei Luise von den Mädchen gemobbt worden. Sie habe sich gegen das Mobbing gewehrt und sei deswegen getötet worden. Wie vermutetes Mobbing und die Behauptung, dass das Opfer und die 13-Jährige beste Freundinnen gewesen sein sollen, zusammenpassen sollen, ist unklar.
Für keine der Varianten gibt es offizielle Bestätigungen. Dass Erklärungen überhaupt noch folgen, ist laut den Ermittlern unwahrscheinlich, Hintergrund sei der Persönlichkeitsschutz der Minderjährigen: „Wir können auch die rechtlichen Grenzen, die uns gesetzt sind, nicht überschreiten, nur weil die Bevölkerung meint, ein Anrecht zu haben, alle Hintergründe zu kennen“, sagte Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss von der Staatsanwaltschaft Siegen am Freitag. „Wir werden natürlich vollumfänglich aufklären“, betonte er. Sollten sich die beiden geständigen Mädchen als Täterinnen bestätigen, „dann werden wir keine Aussagen zu Tatabläufen oder Motivlagen machen.“
Tödliche Messerstiche in entlegenem Waldgelände
Ebenso wenig ist bestätigt, dass Zeugen „Bild“ zufolge beobachtet haben sollen, wie die drei Mädchen in den Wald gegangen seien, wo Luise später getötet wurde.
Der Tatort ist abgelegen, das Gelände ist unwegsam, nur ein Radweg führt durch das Tal, Handys haben keinen Empfang. Was die drei Mädchen dorthin geführt hatte, sagen die Ermittler nicht. Und was schließlich wirklich zu der tödlichen Auseinandersetzung, die offenbar von extremer Gewalt geprägt war, geführt hat, bleibt vorerst unklar.
Ergebnis der Obduktion: Auf das Mädchen wurde mehrfach eingestochen
In der Rechtsmedizin der Uniklinik Mainz waren bei der Obduktion zahlreiche Messerstiche an der Leiche der Zwölfjährigen festgestellt worden. Sie sei in der Folge verblutet. NTV zufolge wurde auf Luise 32 Mal eingestochen.
Die tatverdächtigen Mädchen waren ins Visier der Ermittler geraten, weil ihre Aussagen aus einer ersten Anhörung im Widerspruch zu den Aussagen anderer Zeugen standen. Bei einer nochmaligen Anhörung im Beisein von Erziehungsberechtigten und Psychologen seien sie am Montag mit den Widersprüchen konfrontiert worden und hätten die Tat schließlich gestanden.
Was geschieht mit den mutmaßlichen Täterinnen? Mädchen sind strafunmündig
Die beiden Kinder, die laut Polizei vor dem Verbrechen noch nicht strafrechtlich oder in anderer Weise aufgefallen waren, sind unter 14 Jahre alt und deshalb nicht strafmündig. Strafrechtlich wird der Tod von Luise keine Folgen haben.
Die tatverdächtigen Mädchen haben gemeinsam mit ihren Familien Freudenberg verlassen. Sie seien vom Jugendamt außerhalb des häuslichen Umfeldes untergebracht worden, sagte ein Sprecher des Kreises Siegen-Wittgenstein am Freitag. Zuvor hatte die „Siegener Zeitung“ berichtet. Die beiden mutmaßlichen Täterinnen würden auch nicht mehr ihre bisherigen Schulen besuchen. Laut Staatsanwaltschaft sind sie in „geschützten Räumen“ untergebracht.
Kinder als Täter: Fall erinnert an Attacke auf Polizisten in Ulm
Dass Kinder unter 14 Jahren solche Gewalttaten verüben, ist selten. 2021 gab es bei den Delikten gegen das Leben bundesweit 19 tatverdächtige Kinder, darunter vier Mädchen. Die Zahlen schwanken von Jahr zu Jahr stark, in den vergangenen 20 Jahren lagen sie jährlich zwischen vier und 21 Tatverdächtigen. Zur Einordnung: Laut Statistischem Bundesamt lebten in diesem Jahr rund 8,5 Millionen Kinder unter 14 Jahren in Deutschland.
Dennoch erinnert der aktuelle Fall an die brutale Attacke am Kornhausplatz in Ulm am 5.02.2023, bei der ein 25-Jahre alter Polizist fast zu Tode geprügelt worden war. Auch hier ist einer der Täter noch strafunmündig: Er ist 13 Jahre alt.
Strafmündig: Erst mit vollendetem 14. Lebensjahr
Kinder, die ein Verbrechen begehen und zum Tatzeitpunkt das 14. Lebensjahr nicht vollendet haben, gelten per Gesetz als schuldunfähig. Die Regelung findet sich in Paragraph 19 des Strafgesetzbuches (StGB). Denn es wird davon ausgegangen, dass Kinder unter 14 die Folgen ihres Handelns noch nicht ausreichend überblicken. Die Folge: Sie können nicht vor Gericht gestellt und nicht verurteilt werden.
Nach Vollendung des 14. Lebensjahres gelten Kinder als teilweise strafmündig: Sie werden unter Umständen für die Tat verantwortlich gemacht und können nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden.
Adressen für Beratung und Hilfe bei Mobbing: Rechtzeitig reagieren
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gibt Tipps für Menschen, die Hilfe in Fällen von Mobbing suchen. Dort heißt es: „Mobbing - ob online oder offline - kann Kinder und Jugendliche psychisch extrem überfordern.“ In solchen Fällen bräuchten Mobbing-Opfer professionelle Hilfe, etwa beim Psychologen oder einer Beratungsstelle.
Für Jugendliche ist es wichtig, Beratungsangebote zu kennen, an die sie sich mit Problemen wenden können, die sie nicht mit den Eltern oder Lehrkräften besprechen wollen. Bei einer Online-Beratung bleiben sie anonym und können sich trotzdem akut Hilfe suchen.
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