Ein Gewaltexzess mit 27 verletzten Polizisten und Hunderten von Festnahmen: Die Krawalle bei einer Eritrea-Veranstaltung in Stuttgart haben eine heftige politische Diskussion losgetreten. Innenpolitiker sprachen sich für ein konsequentes Vorgehen gegen derartige Veranstaltungen aus – etwa der Ulmer Bundestagsabgeordnete Marcel Emmerich (Grüne). „Es ist völlig unverständlich, warum diese Veranstaltung nicht gestoppt und damit die Verbreitung der Propaganda dieses Terrorstaates ermöglicht wurde“, sagte der Obmann der Grünen-Fraktion im Innenausschuss des Bundestages am Sonntag. Im Vorfeld hätte man zudem versuchen können, vor Gericht ein Verbot zu erwirken, „um zumindest ein deutliches Zeichen zu setzen“, fügte er hinzu. Tatsächlich stellt sich die Frage, warum eine solche Veranstaltung von Anhängern eines diktatorischen Regimes, aus dem zehntausende Flüchtlinge nach Europa fliehen, auch noch in Räumen tagen kann, die von der Stadt Stuttgart vermietet wurden.

„Das muss sich der deutsche Staat nicht gefallen lassen“

Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), sagte, schon bei früheren ähnlichen Veranstaltungen von Menschen aus Eritrea sei zu beobachten gewesen, dass das Etikett „Festival“ ganz offensichtlich genutzt werde, um Auseinandersetzungen verschiedener Gruppen aus Eritrea in Deutschland zu führen. „Das muss der deutsche Staat sich nicht gefallen lassen“, führte Lindholz aus. Eine Genehmigung könne auch im Vorfeld versagt werden, wenn der Charakter eines Festivals offensichtlich missbraucht wurde, „wenn das absehbar ist und wenn es nicht möglich ist, durch geeignete Auflagen Ausschreitungen zu verhindern“.

Weitere Reaktionen prominenter Politiker:

  • Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat schockiert auf die massiven Ausschreitungen reagiert. „Die Bilder der brutalen Ausschreitungen mit gezielten Angriffen gegen die Polizei verstören und sind völlig inakzeptabel“, teilte er am Sonntag mit. „Wir dulden nicht, dass Konflikte aus anderen Ländern gewaltsam bei uns ausgetragen werden und werden dem mit aller Härte entgegentreten.“ Wer Einsatzkräfte angreife, greife den Rechtsstaat an. „Ich danke allen Einsatzkräften der Polizei und wünsche den Verletzten eine schnelle und hoffentlich vollständige Genesung.“
  • Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat die Ausschreitungen scharf verurteilt. „Ausländische Konflikte dürfen nicht in unserem Land ausgetragen werden“, sagte die SPD-Politikerin am Sonntag. Die Gewalttäter müssten zur Verantwortung gezogen werden. Den verletzten Polizeikräften wünschte Faeser eine schnelle und vollständige Genesung.
  • Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl will sich am Montag beim Polizeipräsidium Stuttgart über den Einsatz informieren. Zudem bot der CDU-Politiker an, am Mittwoch dem Innenausschuss des Landtags über die Ereignisse zu berichten. „Es geht hier um Landfriedensbruch – deshalb müssen die Gewalttäter jetzt auch die volle Härte des Strafrechts und des Ausländerrechts zu spüren bekommen“, sagte Strobl.
  • Die Grünen-Fraktion im Landtag forderte eine polizeiliche, juristische und politische Aufarbeitung. „Warum gingen bei den Verantwortlichen bei der Anmeldung einer Eritrea-Veranstaltung nicht alle Alarmlampen an - gerade im Lichte der Ereignisse vom Juli in Gießen?“, fragten Fraktionschef Andreas Schwarz und der innenpolitische Sprecher Oliver Hildenbrand in einer Mitteilung.
  • Die Stadt Stuttgart will zeitnah mit den betroffenen Gruppen Kontakt aufnehmen. „Wir werden nächste Woche sofort mit den in Stuttgart ansässigen Vereinen das Gespräch suchen“, teilte der städtische Integrationsbeauftragte Gari Pavkovic mit. „Unsere Linie in den regelmäßigen Gesprächen mit den verschiedenen Migrantenorganisationen ist, dass wir in Stuttgart keine Auseinandersetzungen und Ausschreitungen zu den Konflikten in den Herkunftsländern dulden.“

Gericht kippte Verbot in Gießen

Am Rande einer Eritrea-Veranstaltung war es in der baden-württembergischen Landeshauptstadt am Samstag zu heftigen Ausschreitungen gekommen. Auslöser war eine Versammlung von Eritrea-Vereinen mit rund 80 bis 90 Teilnehmern, die laut Polizei der Diktatur in Afrika nahestehen. Mehrere Hundert Regierungsgegner versammelten sich zum Protest in der Stadt. Gegner der Veranstaltung griffen Teilnehmer und Einsatzkräfte der Polizei an. 27 Beamte seien verletzt worden sowie 21 der mutmaßlichen Straftäter, teilte die Polizei später mit.
Nach gewaltsamen Protesten bei einem Eritrea-Festival im vergangenen Sommer hatte die Stadt Gießen die Neuauflage in diesem Juli per Verbot verhindern wollen – doch die Gerichte sahen dafür keine Grundlage. Gegner der Veranstaltung lieferten sich in Gießen dann während des Festivals gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei, wobei mehr als zwei Dutzend Einsatzkräfte verletzt wurden.