Glaubt man Lars Klingbeil, steht die SPD jetzt endlich vor der Trendwende. Einer der ersten Schritte dazu: Hartz IV muss weg. Das kündigte der Generalsekretär am Donnerstag im „Focus“ an. „Hartz IV ist von gestern“, sagte er. „Wir arbeiten an einem neuen Konzept, und damit ist Hartz IV passé – als Name und als System.“
Klingbeil weiß, dass das zur Schubumkehr nicht reicht. Die SPD hat gerade zwei Landtagswahlen verloren und liegt in Umfragen hinter Union, Grünen und AfD bei 14 Prozent. Die Erneuerung macht keine sichtbaren Fortschritte, die Stimmung ist katastrophal. Und, um es klar zu sagen: Klingbeil ist nicht der erste führende Kopf in der SPD, der die Agenda-Politik abschütteln will.
Nur, was stattdessen kommen soll, das ist noch reichlich nebulös – und das will die SPD jetzt ändern. An diesem Wochenende laden die Sozialdemokraten deshalb zum Debattencamp, um die Neuausrichtung der Partei zu besprechen. Das Debattencamp ist der erste große öffentliche Aufschlag der Parteierneuerung. Entsprechend hoch hängt Klingbeil die Erwartungen. „Ich bin mir sicher“, verspricht der Generalsekretär, „Sie werden eine andere Partei erleben, als Sie in den letzten Wochen erlebt haben.“

Loyal gegenüber Nahles

Das ist auch bitter nötig. Denn zumindest Parteichefin Andrea Nahles hat aus ihrer schlechten Laune zuletzt kein Geheimnis mehr gemacht. Nahles war jüngst bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung, die an den Beginn des rot-grünen Projekts vor 20 Jahren erinnern sollte, und wurde dort gefragt, ob die SPD nicht von einem CDU-Chef Friedrich Merz profitieren würde. Da brach es aus ihr heraus: Das sei doch „völliger Schwachsinn“, pflaumte sie die Moderatorin an.
Klingbeil, der loyal zu seiner Parteichefin steht, kritisiert diesen Wutausbruch natürlich nicht. Und doch hallen Nahles’ Worte noch nach, als der Generalsekretär der SPD am Tag danach „einen neuen Stil, ein neues Miteinander“ verordnet. Das Debattencamp als „große Innovationsmesse“ soll der Startschuss sein. Während so gut wie jeder SPD-Spitzenpolitiker in den vergangenen Monaten davon gesprochen hat, dass die Partei den Leuten wieder zuhören muss, sagt Klingbeil nun: „Es geht nicht nur ums Zuhören. Sondern ums Argumentieren.“
Damit es auch etwas zum Argumentieren gibt, will Klingbeil nicht nur Hartz IV beerdigen, sondern legt auch selbst schon einmal vor. Am Mittwoch machte er sein Konzept eines „Grundeinkommensjahres“ öffentlich. Die Idee: Jeder bekommt für ein Jahr Arbeit den Anspruch auf einen Monat 1000 Euro Grundeinkommen. Wer also sechs Jahre gearbeitet hat, kann ein halbes Jahr Auszeit nehmen, in dem er das Geld ausgezahlt bekommt. Was er in den sechs Monaten macht, ist allein seine Sache.