Augen zu und durch – nach diesem Motto will die Union am Donnerstag im Bundestag der Grundrente endgültig zustimmen, auch wenn sie vielen Abgeordneten noch ein Dorn im Auge ist. Aber sie wissen, dass an diesem Herzensprojekt der SPD der Bestand der Großen Koalition hängt und dass eine Endlosdiskussion im Sommerloch auch nichts bringen würde. Daher kann das Gesetz am 1. Januar 2021 in Kraft treten. Bis aber bei allen 1,3 Millionen Senioren, die in den Genuss kommen sollen, auch Geld ankommt, kann es dauern.

Wozu die Reform?

Auch wenn es so klingt – sie ist keine Mindestrente für alle Senioren. Vielmehr sollen langjährige Beitragszahler im Alter mehr haben als die Grundsicherung, also Hartz IV im Alter. Ursprünglich sollte es nach 35 Beitragsjahren mindestens zehn Prozent mehr geben. Doch jetzt fällt der Anstieg je nach Wohnort unterschiedlich aus. Die Grundrente ist kompliziert.

Was sind die Voraussetzungen?

Mindestens 35 Beitragsjahre. Bei 33 und 34 Jahren steigt der Zuschlag schrittweise an. Neben normalen Berufsjahren als Arbeitnehmer zählen auch Kindererziehung und Pflege. Die Grundrente erhält aber nur, wer wenig verdient hat, und zwar im Schnitt des Berufslebens 30 bis 80 Prozent des Durchschnittsverdiensts aller Arbeitnehmer. Das sind aktuell 973 bis 2594 Euro brutto im Monat. Minijobs sind daher ausgenommen.

Wie hoch ist die Grundrente?

Zur eigenen Rente gibt es einen Zuschlag von 87,5 Prozent. Eigentlich wollte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) den Betrag verdoppeln, aber dann musste er sparen. Zudem kommt eine Obergrenze: Rente und Grundrente dürfen zusammen nur so viel ergeben, wie jemand erhält, der auf 80 Prozent des Durchschnittseinkommens kam. Eher selten ergeben sich relativ hohe Beträge, im Durchschnitt sind nur etwa 80 bis 90 Euro im Monat zu erwarten. Übrigens sind die Beträge immer brutto, es werden also noch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen.

Bekommt die Grundrente jeder, der diese Voraussetzungen erfüllt?

Nein. Sonst hätte auch jemand Anspruch auf sie, der zwar nur wenig Rente hat, aber erhebliche andere Einkünfte. Zwar gibt es keine umfangreiche Bedürftigkeitsprüfung, bei der auch das vorhandene Vermögen berücksichtigt wird, wie dies die Union wollte, aber eine Einkommensprüfung: Bei Alleinstehenden werden bis zu 1250 Euro Einkommen nicht angerechnet, bei Ehepaaren 1950 Euro. Jeder Euro darüber wird zu 60 Prozent berücksichtigt, ab 1600 beziehungsweise 2300 Euro alles.

Muss ich die Grundrente beantragen?

Nein. Die SPD wollte den Senioren den Gang zum Sozialamt ersparen. Daher müssen die gesetzlichen Rentenversicherer die Verwaltung übernehmen. Sie prüfen von sich aus nicht nur bei neuen Rentenanträgen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, sondern auch bei allen 26 Millionen bestehenden Renten.

Ab wann wird die Grundrente ausbezahlt?

Im Prinzip vom 1. Januar 2021 an. Wegen des Verwaltungsaufwands schaffen es die Rentenversicherer aber frühestens im Juli 2021, die ersten Bescheide zu verschicken – und das auch nur für neue Rentner. Sie brauchen vermutlich bis Ende 2022, bis sie alle Altfälle geprüft haben. Es gibt aber immer eine Nachzahlung.

Wer sind die Gewinner der Grundrente?

Gut 70 Prozent der Bezieher dürften Frauen sein, insbesondere westdeutsche, die lange in Teilzeit gearbeitet haben. Auch Ostdeutsche erhalten sie überdurchschnittlich häufig, weil sie oft niedrige Löhne hatten.

Wer sind die Verlierer?

Alle, die nicht auf 33 Versicherungsjahre kommen. Deswegen hilft die Grundrente eher selten Senioren, die von Altersarmut betroffen sind: Viele haben gar keine oder nur kurz Beiträge bezahlt. Im Nachteil ist auch, wer sein ganzes Berufsleben mehr als 80 Prozent des Durchschnittsverdienstes hatte, aber nur wenig darüber kam: Sie oder er haben zwar oft länger gearbeitet, bekommen aber kaum mehr Rente.

Wie groß ist der bürokratische Aufwand?

Enorm. Für die Einkommensprüfung müssen die Finanzämter laufend den Rentenversicherern Daten zur Verfügung stellen. Die Rentner müssen ihre Zinseinnahmen melden. Die Rentenversicherer müssen für die Prüfung Tausende von Mitarbeitern abstellen.

Wie wird die Grundrente finanziert?

Die 1,3 Milliarden Euro kommen aus dem Bundeshaushalt, also aus Steuermitteln. Ob allerdings aus der Finanztransaktionssteuer, die Finanzminister Olaf Scholz (SPD) eigentlich nutzen will, ist ungewiss. Auf den Verwaltungskosten, die im ersten Jahr auf 400 Millionen Euro geschätzt werden, drohen die Rentenversicherer sitzen zu bleiben. Sie müssen sie aus Beitragsmitteln bezahlen.

Welche weiteren Maßnahmen kommen?

Der Union war besonders wichtig, dass in der Grundsicherung im Alter ein Freibetrag eingeführt wird: Wer auf mindestens 33 Beitragsjahre kommt, dem werden je nach Fall 100 bis etwa 220 Euro Rente im Monat nicht angerechnet. Dieser Freibetrag gilt auch beim Wohngeld.

Wo bekomme ich Informationen?

Beim kostenlosen Servicetelefon 0800 1000 4800 und unter deutsche-rentenversicherung.de

Mehr Geld im Alter