Auf den Tag genau seit sechs Monaten befindet sich die Ukraine im Krieg gegen Russland. Am 24. August ist der Unabhängigkeitstag der Ukraine – ein Tag, an dem eigentlich gefeiert werden muss. In diesem Jahr fällt der Tag aber auf diesen düsteren Termin. 31 Jahre nach Erreichen der Unabhängigkeit kämpft die Ukraine erneut um ihre Existenz.
In diesem Text wollen wir eine kleine Übersicht geben:
- Wie wurde die Ukraine vor 31 Jahre unabhängig?
- Die Krim: Wem gehört die Halbinsel?
- Unabhängigkeitstag 2022: Wie in Deutschland der Tag begangen wird
Nationalfeiertag der Ukraine 2022: So wird gefeiert
Am 24. August 2022 feiern Ukrainer und Ukrainerinnen ihren Unabhängigkeitstag. In den letzten Jahren – vor allem seit der Annexion der Krim 2014 – hat die Ukraine diesen Tag groß gefeiert: Mit einer Militärparade in Kiew, die Menschen tragen ukrainische Flaggen und traditionelle Kleidung, viele Frauen flechten ihre Haare und tragen Blumenkränze darin. Der Tag ist arbeitsfrei in der Ukraine.
2022 hat der Unabhängigkeitstag natürlich einen besonderen Beigeschmack. Im Krieg mit Russland fürchtet Kiew an diesem Tag noch mehr Angriffe. Entsprechend wurden alle Großveranstaltungen abgesagt.
In Deutschland gibt es einige lokale Veranstaltungen an diesem Tag aus Solidarität mit der Ukraine und den Geflüchteten, die hier leben. So gibt es in Bayreuth am Mittwoch eine Demo, in Flensburg ein Kulturfest, in Mannheim eine Sondervorstellung im Planetarium für Ukrainer und Ukrainerinnen. Großevents sind bisher aber keine bekannt.
In Deutschland den Unabhängigkeitstag der Ukraine begehen
Wer den Unabhängigkeitstag der Ukraine hier in Deutschland zelebrieren will, kann das auf kleinem Wege tun. Die Online-Zeitung „Kyiv Independent“ hat zum Nationalfeiertag einen Artikel mit traditionellen Gerichten, die man an diesem Tag kochen könnte, geschrieben. Zudem haben sie eine Liste ukrainischer Filme für einen Ukraine-Filmabend veröffentlicht. Hier geht‘s zum Artikel des ukrainischen Portals (auf Englisch).
Kleine Geschichte der Ukraine: Unabhängigkeit von der Sowjetunion
Die Ukraine hat eine lange Geschichte, ihre Ursprünge gehen auf das 9. Jahrhundert zurück – wenn auch nicht in ihrer heutigen Form. Die Ukraine befand sich oft im Laufe der Geschichte zwischen den Fronten großer Reiche: mal gehörte es zum Großfürstentum Litauen, mal zu Polen, mal zu Russland, mal zu Österreich. Spätestens im 19. Jahrhundert kristallisierte sich aber auf dem Territorium der heutigen Ukraine der Wunsch nach einer eigenen Nation heraus. Denn: Die ukrainische Sprache und die Kultur hatten sich parallel entwickelt, unabhängig von den verschiedenen Herrschern über das Land.
Im Rahmen des Ersten Weltkriegs wurde die erste Ukrainische Republik ausgerufen. In dieser Zeit gehörte die Westukraine zu Österreich-Ungarn, Zentral- und Ostukraine waren Teil des Russischen Reichs. Unmittelbar nach Ausrufung der Republik begannen die Bemühungen, die Unabhängigkeit der Ukraine zu stoppen. Die Ukraine kam zwischen die Fronten im ersten Weltkrieg und wurde schließlich bis 1919 vollständig von Russland erobert. In der Zeit von 1917 bis 1919 gab es in Kiew neun Machtwechsel. 1922 wurde die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik ausgerufen, die separatistische Bewegung der Ukraine wurde damit im Keim erstickt.
In den frühen Jahren der Sowjetunion wurde die Identitätsstiftung der Ukraine unterstützt. So wurde Ukrainisch in Schulen gelehrt und auf den Straßen gesprochen. Das lag wohl daran, das die junge Sowjetunion noch keine einheitliche Identität hatte – und die Bemühungen um eine solche noch in der Kinderschuhen steckte. Spätestens in den 1930er Jahren wurde dem jedoch ein Ende gesetzt: Die Sowjetunion wollte den Nationencharakter der Ukraine auslöschen, es folgte „Säuberungen“ und schließlich der „Holodomor“ – der heute als Völkermord an den Ukrainern anerkannt wird. Rund 4 Millionen Ukrainer starben beim Holodomor am Hungertod.
Es folgten Jahre der Unterdrückung der ukrainischen Unabhängigkeit in der Zeit der Sowjetunion. Als diese 1991 zerfiel, deklarierte die Ukraine am 24. August, genauso wie weitere ehemalige Sowjetstaaten, ihre Unabhängigkeit. Im Dezember 1991 wurde die Gründung der Ukraine mit einem Referendum bestätigt. Somit begann eine neue Zeitrechnung für die Ukraine: das erste mal waren sie tatsächlich unabhängig und hatten fest gezogene Grenzen, die international anerkannt wurden.
Halbinsel Krim: Russisch oder ukrainisch?
Im Zusammenhang mit der Halbinsel Krim wird sehr häufig von der Schenkung der Krim an die Ukraine gesprochen. Heutzutage ist die Frage der Zugehörigkeit der Krim besonders geladen – nicht zuletzt weil Russland die Halbinsel 2014 militärisch besetzte und annektierte. Wem „gehört“ also die Halbinsel wirklich?
Wie auch die Ukraine hat die Halbinsel Krim eine besonders lange und komplizierte Geschichte. Die Krim ist aber ursprünglich der Herkunftsort der Ethnie der Krimtataren. Die Krimtataren sprechen eine eigene Sprache (die dem Türkischen ähnlich ist), haben eine eigenen Kultur und sind vorrangig Muslime. Die Insel Krim gehörte seit 1783 zum Russischen Reich. In der Zeit der Sowjetunion wurden die Krimtataren von Moskau verfolgt und vertrieben. Im Rahmen dieser „Säuberungen“ wurden 200.000 Krimtataren nach Zentralasien deportiert. Ukrainer und Russen wurden ermutigt, sich auf die Halbinsel niederzulassen.
1954 vermachte der Parteichef Nikita Chruschtschow die Krim an die Ukraine. Dieser symbolische Akt sollte eine Art Versöhnung der Ukraine mit Russland bedeuten – es hatte damals aber keine Bedeutung, da sowieso alles zur Sowjetunion gehörte. Beim Unabhängigkeitsreferendum der Ukraine 1991 stimmten auch auf der Halbinsel eine Mehrheit der Bürger für die Unabhängigkeit. Russland erkannte die Grenzen der neugebildeten Ukraine an.
Seit 1991 ist die Ukraine unabhängig – mit allen Vorteilen und Herausforderungen, die das mit sich bringt. Nun muss das Land erneut darum kämpfen, von Russland anerkannt zu werden. Doch ist jetzt vieles anders als im Ersten Weltkrieg, als die erste Ukrainische Republik ausgerufen wurde. Die ukrainische Identität hat sich über die letzten drei Jahrzehnte gefestigt, die Kultur und die Sprache sind eine Selbstverständlichkeit. Selbst diejenigen, die immer eine Nähe zu Russland befürwortet haben, sind mehrheitlich weiterhin für eine unabhängige Ukraine. Nach sechs Monaten Krieg hat Russland noch immer nicht die Oberhand gewonnen – aber ein Ende des blutigen Kampfes ist auch nicht in Sicht.