Die Streiks gegen die vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron geplante Rentenreform gehen in die nächste Runde. Nachdem Frankreich bereits am 19.01.2023 durch einen Generalstreik praktisch zum Stillstand gekommen ist, droht für heute, Dienstag, den 31.01.2023, das gleiche Schicksal: Es kommt erneut zu massiven Einschränkungen im Reiseverkehr. Neben öffentlichem Nahverkehr sind auch Bahnen und Skilifte. Auch der Flugverkehr hat mit Einschränkungen zu kämpfen. Alles zum aktuellen Stand und den Auswirkungen für Reisende aus Deutschland sowie Hintergründe gibt es hier.

Streik am 31. Januar in Frankreich: erneut landesweite Demonstrationen angekündigt

Die großen Gewerkschaften im Land haben für Dienstag, 31. Januar 2023, erneut zu einem Generalstreik aufgerufen. Am zweiten großen Protesttag gegen die geplante Rentenreform haben Streiks bereits weite Teile des öffentlichen Lebens in Frankreich lahmgelegt. Zahlreiche Bahnen, Busse und Flüge fielen am Dienstag aus.
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Die Pariser Metro verkehrt nur sporadisch. Zwei von drei Verbindungen des französischen Schnellzugs TGV fallen aus. Dabei blieb die Zahl der Streikenden am Dienstag nach afp-Angaben in mehreren Branchen leicht unterhalb der Zahl am ersten Protesttag Mitte Januar. Bei der französischen Bahn SNCF legten 37 Prozent der Beschäftigten die Arbeit nieder, zuvor waren es 46 Prozent gewesen. Auch an den Schulen traten weniger Lehrkräfte in den Streik als zuvor. Studierende der Pariser Hochschule Sciences Po besetzten in der Nacht zu Dienstag das Schulgebäude.
Der Energiesektor ist ebenfalls betroffen. Die Beschäftigten des Energiekonzerns EDF fuhren nach afp-Angaben aus Protest die Stromproduktion herunter, was jedoch zunächst nicht zu Stromausfällen führte. In den Raffinerien und Treibstoffdepots von TotalEnergies legte ein Großteil der Beschäftigten die Arbeit nieder.
. Insgesamt waren in mehr als 200 Orten Protestmärsche angemeldet. 11.000 Polizisten und Gendarmen sind landesweit im Einsatz.4000 allein in Paris. Dort sammelte sich am frühen Nachmittag eine Menschenmenge am Place d'Italie. "Wenn die Premierministerin die Botschaft (am ersten Streiktag) nicht gehört hat, dann werden wir sie jetzt noch lauter und zahlreicher vermitteln", sagte CGT- Gewerkschaftschef Philippe Martinez den Sendern BFM und RTL.
Bereits am Montag bezeichnete die französische Premierministerin Elisabeth Borne die Erhöhung des Rentenalters gegenüber der afp als „nicht verhandelbar“. Keine der beiden Parteien scheint bisher zu Kompromissen bereit zu sein.
Am 19.01.2023 waren bei landesweiten Demonstrationen bereits über eine Million Menschen auf die Straße gegangen, das Land wurde quasi stillgelegt. Für heute werden ähnliche Zustände erwartet.

Einschränkungen im Bahnverkehr: Darauf sollten Sie achten

Wie bereits beim letzten Streik gibt es auch heute vor allem wieder Störungen im Reiseverkehr. Wie die größte Pariser Tageszeitung „Le Parisien“ berichtet, haben die vier Gewerkschaften der staatlichen Eisenbahngesellschaft Frankreichs (SNCF) – CGT Cheminots, SUD Rail, Unsa Ferroviaire und CFDT Cheminots – ihre Teilnahme angekündigt. „Der Zugverkehr wird von Montag, 30. Januar, 19 Uhr, bis Mittwoch, 1. Februar, 6 Uhr, stark beeinträchtigt“, so SNCF.
Bahnreisende in Richtung Frankreich müssen sich wegen des Großstreiks auf Zugausfälle einstellen. Etliche ICE- und TGV-Verbindungen zwischen Frankfurt oder Stuttgart und Paris entfallen, wie die Deutsche Bahn der dpa mitteilte. Andere ICE fahren nur zwischen Frankfurt und Saarbrücken. Auch innerhalb Frankreichs komme der Bahnverkehr zum Erliegen, hieß es weiter. Laut ADAC ist es zudem wahrscheinlich, dass auch die Züge des Eurostar zwischen Frankreich und Großbritannien betroffen sein werden.
Reisende sollte sich aktuelle Informationen bei der Deutschen Bahn und bei der französischen Bahn einholen. Die Deutsche Bahn empfiehlt, geplante Reisen am 31. Januar zu verschieben: „Falls Sie noch kein Fernverkehrsticket gebucht haben, empfehlen wir Ihnen von einer Reise von/nach Frankreich am 31. Januar 2023 abzusehen und auf einen anderen Reisetag auszuweichen.“ Bereits gebuchte Fernverkehrstickets für Dienstag können scheinbar flexibel an einem anderen Tag bis einschließlich 3. Februar genutzt werden.
31.01.2023, Frankreich, Paris: Ein Reisender in einem Regionalzug am Bahnhof Montparnasse schaut auf sein Smartphone.
31.01.2023, Frankreich, Paris: Ein Reisender in einem Regionalzug am Bahnhof Montparnasse schaut auf sein Smartphone.
© Foto: Michael Euler/dpa

Streikgefahr bei Flügen

Vorsicht ist zudem beim Ausweichen auf Flugverbindungen geboten. Bahnreisende, die auf andere Verkehrsmittel wie das Flugzeug ausweichen wollen, sollten sich unbedingt zuvor bei den Fluggesellschaften informieren. Laut ADAC ist davon auszugehen, dass am 31. Januar auch der Flugverkehr, die Fähren, die Metro und Busse bestreikt werden.

Winterurlauber aufgepasst: Skilifte sollen auch stillstehen

Auch Winterurlauber, die heute in Frankreich auf die Piste wollen, werden sich wohl ärgern. Laut „Le Parisien“ haben die beiden größten Gewerkschaften für Skiliftangestellte, Force Ouvrière (FO) und die CGT, bereits eine Streikbekanntmachung für den 31. Januar eingereicht. Demnach sollen die Skilifte an diesem Tag stillstehen.
Es gibt aber zumindest teilweise Entwarnung. So soll der Betrieb ab Mittwoch wieder wie normal stattfinden: „Ab dem nächsten Tag werden die Lifte aber wieder normal betrieben. Wir wollen die bereits in Schwierigkeiten steckenden Unternehmen nicht weiter schwächen“, zitiert die Zeitung Éric Becker, FO-Generalsekretär für Skilifte und Saisonarbeiter.

Rentensystem in Frankreich: Was ist der Hintergrund für die Streiks?

Hintergrund der Streiks sind die Pläne von Präsident Macron, das reguläre Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anheben. Außerdem soll die Zahl der nötigen Einzahlungsjahre für eine volle Rente schneller steigen. Etliche Einzelsysteme mit Privilegien für bestimmte Berufsgruppen sollen abgeschafft werden.
19.01.2023, Frankreich, Paris: Gewerkschaftsführer stehen während einer Demonstration hinter einem Transparent mit der Aufschrift "Rentenreform, mehr arbeiten, das geht nicht".
19.01.2023, Frankreich, Paris: Gewerkschaftsführer stehen während einer Demonstration hinter einem Transparent mit der Aufschrift „Rentenreform, mehr arbeiten, das geht nicht“.
© Foto: Lewis Joly/dpa
Momentan liegt das Renteneintrittsalter bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Durchschnitt aber später: Wer nicht lang genug eingezahlt hat, um Anspruch auf eine volle Rente zu haben, arbeitet auch länger. Mit 67 Jahren gilt unabhängig von der Einzahldauer voller Rentenanspruch - dies will die Regierung beibehalten. Die monatliche Mindestrente will sie auf etwa 1200 Euro hochsetzen. Für Menschen, die besonders früh angefangen haben zu arbeiten oder deren Arbeitsbedingungen außergewöhnlich hart sind, soll es früher in den Ruhestand gehen.
Hintergrund der Pläne ist, dass die Regierung durch die Reform die langfristige Finanzierung des Rentensystems sichern will. Derzeit weist die Rentenkasse ein Plus auf, aber die Regierung rechnet mit einem Defizit von 14 Milliarden Euro bis 2030. Laut OECD belaufen sich die Kosten des Rentensystems für Frankreich derzeit auf etwa 14 Prozent seiner Wirtschaftsleistung.
Während es 1960 noch vier einzahlende Arbeitnehmer auf einen Rentner gegeben habe, seien es bald nur noch anderthalb, sagte Regierungssprecher Olivier Véran gegenüber dpa. „Das ist keine aufrechterhaltbare Situation, weil sie uns kollektiv in Gefahr bringt.“ Mit der Reform könne auf Rentenkürzungen, höhere Rentenbeiträge und eine höhere Staatsverschuldung verzichtet werden. Im Parlament kann die Regierung wohl auf die Unterstützung der Konservativen setzen.
Die Gewerkschaften prangern die Rentenreform als brutal an. Die Lage derer, die vor der Rente keinen Job mehr haben, werde sich verschärfen. Auch der drohende Wegfall von Sonderregelungen stößt auf Kritik. Deshalb haben die großen Gewerkschaften gemeinsam zum Streik aufgerufen.
Im Gegensatz zu Deutschland dominieren in Frankreich hochpolitische Richtungsgewerkschaften. Auch herrscht ein liberaleres Streikrecht vor und durch die historische Erfahrung erfolgreicher sozialer Bewegungen ein anderes Verhältnis zum Staat.