Nach wie vor geht Frankreichs Bevölkerung gegen die vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron geplante Rentenreform auf die Straße. Nachdem Frankreich bereits durch die Streiks am 19.01.2023 sowie am 31.01.2023 praktisch zum Stillstand gekommen ist, stehen für Dienstag, den 07. Februar erneut Massenproteste und Streiks an.
Am dritten Protesttag binnen drei Wochen fielen zahlreiche Bahnen, Busse und Unterrichtsstunden aus, die wichtigsten Gewerkschaften haben gemeinsam zu Demonstrationen aufgerufen. Alle Infos im Überblick.
Streik am 07. Februar in Frankreich: Stromproduktion gedrosselt
Nach Informationen der Tagesschau drosselten Beschäftigte des Energieunternehmens EDF aus Protest in der Nacht die Stromproduktion um 4500 Megawatt, was in etwa der Produktion von vier Atomkraftwerken entspricht. Zu Stromausfällen kam es demnach jedoch nicht.
Wie die Tagesschau weiter berichtet, beteiligten sich an mehreren Gymnasien und Universitäten junge Menschen an dem Protest, es wurden im gesamten Land mehr als 200 Demonstrationen angemeldet. Sicherheitskräfte rechneten mit etwa einer Million Menschen auf den Straßen, es sind landesweit 11.000 Sicherheitskräfte im Einsatz, davon 4000 in Paris.
Proteste: Zwei Drittel der Franzosen sind gegen die Rentenreform
Knapp zwei Drittel der Französinnen und Franzosen sprachen sich in Umfragen gegen das Reformvorhaben aus, so die Nachrichtenagentur dpa. Vergangene Woche beteiligten sich an Streiks und Protesten laut Innenministerium 1,27 Millionen Menschen, laut Gewerkschaft CGT waren es 2,8 Millionen Beteiligte. „Die Menschen fühlen sich im Augenblick von der Regierung schlecht behandelt“, meint Protestforscher Johannes Maria Becker von der Uni Marburg gegenüber dpa.
Einschränkungen im Bahnverkehr: Darauf sollten Sie achten
Von dem Streik in Frankreich ist auch der Fernverkehr nach Deutschland betroffen. Auf der Strecke von Frankfurt am Main über Saarbrücken nach Paris werden nach dpa-Informationen gar keine Züge fahren, auch auf der Verbindung von Stuttgart und Frankfurt über Karlsruhe nach Straßburg und Paris fallen die meisten Züge aus. Auch der Thalys ist betroffen, so wird der letzte Zug ab Düsseldorf nur bis Brüssel fahren und nicht bis nach Paris.
Regionalzüge zwischen Deutschland und Frankreich sollen dagegen voraussichtlich nicht betroffen sein.
Rentensystem in Frankreich: Was ist der Hintergrund für die Streiks?
Frankreichs Nationalversammlung hat mit den Beratungen über die geplante Rentenreform der Regierung Macron begonnen. Hintergrund der Streiks sind die Pläne von französischen Präsidenten, das reguläre Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anheben. Außerdem soll die Zahl der nötigen Einzahlungsjahre für eine volle Rente schneller steigen. Etliche Einzelsysteme mit Privilegien für bestimmte Berufsgruppen sollen abgeschafft werden.
Momentan liegt das Renteneintrittsalter bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Durchschnitt aber später: Wer nicht lang genug eingezahlt hat, um Anspruch auf eine volle Rente zu haben, arbeitet auch länger. Mit 67 Jahren gilt unabhängig von der Einzahldauer voller Rentenanspruch - dies will die Regierung beibehalten. Die monatliche Mindestrente will sie auf etwa 1200 Euro hochsetzen. Für Menschen, die besonders früh angefangen haben zu arbeiten oder deren Arbeitsbedingungen außergewöhnlich hart sind, soll es früher in den Ruhestand gehen.
Hintergrund der Pläne ist, dass die Regierung durch die Reform die langfristige Finanzierung des Rentensystems sichern will. Derzeit weist die Rentenkasse ein Plus auf, aber die Regierung rechnet mit einem Defizit von 14 Milliarden Euro bis 2030. Dass es eine Änderung braucht, legen offizielle Prognosen nah, die für die kommenden Jahre Defizite der Rentenkasse aufzeigen. Macron und die Regierung pochen mit Verweis auf die Zahlen darauf, dass eine Anhebung des Rentenalters notwendig sei. Monika Queisser, Sozialpolitikexpertin bei der Industriestaatenorganisation OECD, sagte der dpa: „In jedem Umlagesystem gibt es grundsätzlich drei Stellschrauben: das Rentenalter, die Rentenhöhe und den Beitragssatz. Zusätzlich können Länder natürlich auch Steuerzuschüsse leisten, wie das in Deutschland mit dem Bundeszuschuss der Fall ist.“ Queisser erklärt weiter, dass der Beitragssatz in Frankreich mit rund 28 Prozent vom Bruttolohn schon hoch sei, und die Renten den Prognosen zufolge langfristig sinken würden. „Die Anhebung des Rentenalters bringt gleichzeitig mehr Beiträge in die Rentenkassen und reduziert die Ausgaben für Renten, da diese erst später ausgezahlt werden.“
Die Gewerkschaften prangern die Rentenreform als brutal an. Die Lage derer, die vor der Rente keinen Job mehr haben, werde sich verschärfen. Auch der drohende Wegfall von Sonderregelungen stößt auf Kritik. Deshalb haben die großen Gewerkschaften gemeinsam zum Streik aufgerufen.
Im Gegensatz zu Deutschland dominieren in Frankreich hochpolitische Richtungsgewerkschaften. Auch herrscht ein liberaleres Streikrecht vor und durch die historische Erfahrung erfolgreicher sozialer Bewegungen ein anderes Verhältnis zum Staat.