Nach Auszählung eines Großteils der Stimmen zeichnete sich am Samstag nach den Regionalwahlen in Nordirland ein historischer Sieg der katholisch-republikanischen Partei Sinn Fein ab. Erstmals in der gut 100-jährigen Geschichte der Provinz könnte damit eine Partei den Posten der Regierungschefin beanspruchen, die sich für die Loslösung von Großbritannien und eine Vereinigung mit der Republik Irland einsetzt.
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Wahlen in Nordirland aktuell: Wann gibt es das Endergebnis?
In Nordirland waren die Wähler aufgerufen, über die Zusammensetzung des Regionalparlaments zu entscheiden. Die Auszählung der Stimmen begann erst am Freitagmorgen und wurde am späten Freitagabend zunächst pausiert. Sie soll am Samstag weitergehen. Es könnte die katholisch-republikanische Partei Sinn Fein erstmals stärkste Kraft werden. Dies wäre von hoher symbolischer Bedeutung.
Nordirland Wahlen: Ergebnisse nach der Wahl
Die irisch-nationalistische Partei Sinn Fein wird aller Voraussicht nach erstmals in der 100-jährigen Geschichte der britischen Provinz Nordirland stärkste Kraft im Regionalparlament in Belfast. Die pro-britische DUP gestand am Samstag die Wahlniederlage gegen die Sinn Fein ein. Deren Spitzenkandidatin Michelle O'Neill verkündete den Beginn einer "neuen Ära".
Nach Angaben der BBC erhielt die Partei nach der ersten Auszählungsrunde den höchsten Stimmanteil. Demnach liegt die Partei mit 29 Prozent der Stimmen weit vor der zweitstärksten Partei, der protestantisch-unionistischen DUP, auf die 21,3 Prozent entfielen. Als die Auszählung der Stimmen am Samstag fortgesetzt wurde, hatte die Partei 18 von 56 bereits ausgezählten Sitzen sicher. Es wäre das erste Mal in der 100-jährigen Geschichte der britischen Provinz, dass die Sinn Fein stärkste Kraft wird. Das Regionalparlament in Belfast hat insgesamt 90 Sitze. Nach der ersten Auszählungsrunde lag die Alliance Party bei 13,5 Prozent, deutlich über dem Ergebnis der vorherigen Parlamentswahl.
Sinn-Fein-Spitzenkandidatin Michelle O'Neill hatte ihren Sitz nach Auszählungen am Freitag bereits sicher. Sie hat damit ihr Mandat im Wahlbezirk Mid Ulster verteidigt. Sie wurde mit 10.845 Stimmen wiedergewählt, wie die Wahlkommission am Freitag mitteilte. Auf Twitter sprach sie von der "Wahl einer Generation" und für "wahren Wandel". Die stellvertretende Parteivorsitzende hatte sich 28 Sitze im Stormont, dem Regionalparlament, als Ziel gesetzt, um die symbolische Rolle des ersten Ministers für sich zu beanspruchen.
Wahlen in Nordirland: Parteien und Kandidaten
Am 5. Mai 2022 gingen die Bürgerinnen und Bürger von Nordirland an die Wahlurne. Sie wählten ihr Regionalparlament, die Northern Ireland Assembly. Zur Stimmabgabe aufgerufen waren rund 1,4 Millionen Menschen. Gewählt werden 90 Abgeordnete, je fünf aus den 18 Wahlkreisen. Mit einem Ergebnis der Auszählung wurde frühestens am Freitagnachmittag gerechnet. Die Wahllokale schließen um 23 Uhr deutsche Zeit.
Folgende Parteien stehen in Nordirland zur Wahl:
- Sinn Féin; Spitzenkandidatin: Michelle O’Neill
- Democratic Unionist Party (DUP); Spitzenkandidat: Jeffrey Donaldson
- Ulster Unionist Party (UUP); Spitzkandidat: Doug Beattie
- Alliance; Spitzenkandidatin: Naomi Long
- Social Democratic Labour Party (SDLP); Spitzenkandidat: Colum Eastwood
- Traditionalist Unionist Voice (TUV); Spitzenkandidat: Jim Allister
- Green Party; Spitzenkandidatin: Clare Bailey
- People Before Profit; Spitzenkandidat: Eamonn McCann
Wahlen in Nordirland 2022: Sinn Féin als stärkste Kraft
"Dies ist heute ein sehr wichtiger Moment des Wandels", sagte Michelle O'Neill. Die 45-Jährige könnte nun die erste Regionalregierungschefin werden, die für eine Wiedervereinigung mit der Republik Irland einsteht. "Ich werde eine Führung anbieten, die integrativ ist, die Vielfalt feiert, die Rechte und Gleichheit für diejenigen garantiert, die in der Vergangenheit ausgeschlossen, diskriminiert oder ignoriert wurden", kündigte sie an.
Die Auszählung der bei der Wahl am Donnerstag abgegebenen Stimmen lief am Samstag noch. DUP-Chef Jeffrey Donaldson gestand aber bereits seine Niederlage ein. "Im Moment sieht es so aus, als ob Sinn Fein als stärkste Partei (aus den Wahlen) hervorgehen wird", sagte er dem Sender Sky News. Er bekräftigte zugleich seine Ablehnung einer Regierungsbeteiligung seiner Partei, solange es keine Änderungen am Nordirland-Protokoll gibt, das im Post-Brexit-Abkommen mit der EU die Zollvorschriften für die Region regelt.
Das Nordirland-Protokoll sieht Zollkontrollen im Warenaustausch zwischen Nordirland und dem restlichen Vereinigten Königreich vor. Die Regierung in London hatte dem zugestimmt, um Kontrollen an der inneririschen Grenze zu verhindern, da dies den Friedensprozess in der ehemaligen Unruheregion gefährden könnte. Die DUP lehnt die vorgesehenen Warenkontrollen ab und fordert die ersatzlose Streichung des Protokolls.
Die Regierungsbildung dürfte sich nun schwierig gestalten, denn die Regionalregierung in Belfast muss gemäß dem Friedensabkommen von 1998 von katholische Nationalisten und protestantischen Unionisten gemeinsam geführt werden. "Das Volk hat gesprochen, und unsere Aufgabe ist es nun, zu handeln. Ich erwarte, dass auch andere aufstehen", sagte O'Neill dazu.
Die Sinn Fein galt früher als politischer Arm der paramilitärischen Irisch-Republikanischen Armee (IRA) und steht weiterhin für die Abhaltung eines Referendums über eine Wiedervereinigung des britischen Nordirlands mit der Republik Irland ein. Im Wahlkampf für die Regionalwahl stellte die Partei dieses Anliegen aber hintan und konzentrierte sie sich auf soziale Themen wie steigende Lebenshaltungskosten. O'Neill kündigte nun eine "gesunde Diskussion" über die irische Wiedervereinigung an.
Wiedervereinigung von Irland: Referendum wäre möglich
Die britische Regierung würde einem Referendum in Nordirland über die Vereinigung mit der Republik Irland nicht im Wege stehen. Das sagte der Generalsekretär der Konservativen Partei von Premier Boris Johnson, Oliver Dowden, am Freitag nach dem Start der Stimmauszählung bei der nordirischen Regionalwahl dem Nachrichtensender Sky News. „Wenn es eine andauernde Mehrheit in den Meinungsumfragen für ein vereintes Irland geben sollte, müsste es ein Referendum geben“, sagte Dowden. Dieser Vereinbarung aus dem Karfreitagsabkommen müsse sich die Regierung beugen. In jüngsten Umfragen hatten sich etwa 30 Prozent der Wähler in Nordirland für die Vereinigung ausgesprochen.
Die Chefin der nordirischen Partei Sinn Fein, Michelle O'Neill, hat nach der Wahl zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte über die Frage einer Vereinigung mit der Republik Irland aufgerufen. „Lasst uns alle an einem gemeinsamen Plan arbeiten“, sagte O'Neill im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur am Freitag am Rande der Auszählung ihres und weiterer Wahlkreise in der nordirischen Stadt Magherafelt. O'Neill zeigte sich optimistisch, dass ihre Partei wie erwartet erstmals als stärkste Kraft daraus hervorgehen wird. „Das wäre ein historisches Ergebnis, wenn wir dahin kommen sollten“, sagte sie. Noch müssten aber viele Stimmen ausgezählt werden. O'Neill hätte in diesem Fall Anspruch auf das Amt der Regierungschefin.