Es soll die größte Sozialreform seit Jahren werden: Mit dem Bürgergeld will die Ampel-Koalition Hartz IV hinter sich lassen. Am 1. Januar 2023 geht es los. Doch was ist das Bürgergeld eigentlich genau?
- Für wen soll es gelten?
- Wie hoch soll es ausfallen?
- Was passiert mit Hartz IV?
- Müssen Hartz-IV-Empfänger einen Antrag stellen?
- Darf man beim Bürgergeld dazuverdienen?
Was ist das neue Bürgergeld?
Das Bürgergeld ist ein Vorhaben der Ampel-Regierung, um das bestehende Sozialsystem anzupassen. Millionen Bedürftige in Deutschland sollen mit dem Bürgergeld ab 1. Januar mehr Geld und eine bessere Betreuung erhalten. In einer zweiten Stufe werden weitere Elemente des Gesetzes umgesetzt. Das geschieht zum 1. Juli 2023.
Wer bisher Anspruch auf Arbeitslosengeld II hatte, wird künftig einen Anspruch auf Bürgergeld haben. Dafür müssen keine neuen Anträge gestellt werden. Wer aktuell Hartz IV bekommt, wird automatisch im Januar das Bürgergeld erhalten. Infrage kommt das Bürgergeld auch für Menschen, deren Arbeitseinkommen nicht zum Lebensunterhalt reicht. Sie können ergänzende Unterstützung erhalten. Wer kann das Bürgergeld erhalten?
- „Erwerbsfähige“ Personen ab 15 Jahren
- Hilfebedürftige unter 15 und über 65 Jahren
- Personen, die ihren Lebensunterhalt nicht alleine decken können
- Personen, deren Leistung nach ALG I auslaufen
Welche Personen als „erwerbsfähig“ gelten, wird hier auf der Seite zum Bürgergeld aufgeführt.
Bürgergeld: Wie hoch soll das neue Bürgergeld ausfallen?
Der Regelsatz der Grundsicherung soll von 449 auf 502 Euro steigen. Mit Partnern zusammenlebende Erwachsene erhalten 451 Euro. Jugendliche ab 14 bekommen 420 Euro, Kinder von 6 bis 14 Jahre 348 Euro, Unter-6-Jährige 318 Euro. Normalerweise führt die turnusgemäße Erhöhung der Regelsätze an die Preis- und Lohnentwicklung zu weit geringeren Steigerungen. Um die außergewöhnlich hohe Inflation zu berücksichtigen, wurde der Mechanismus nun verändert - auch künftig sollen die Anpassung die Preisentwicklung folglich zeitnaher und wirksamer widerspiegeln.
Bürgergeld & Vermögen: Wie wird die Höhe bestimmt?
Das Bürgergeld wird für sechs Monate ausgezahlt, danach muss ein neuer Antrag gestellt werden. Die Höhe des Geldes, die in dem Bürgergeld ausgezahlt wird, wird wie folgt berechnet:
- Höhe der Lebenshaltungskosten
- Miet-/Wohnkosten
- Höhe des Einkommens & Vermögens
- Höhe des Einkommens & Vermögens von Lebensgefährten, Ehegatten & Co.
Hierzu gibt es aber eine Veränderung: Das Vermögen einer Person wird erst angeschaut, nachdem das Bürgergeld ein Jahr lang ausgezahlt wurde. Damit soll die Bürokratie abgebaut werden. Genauso lange werden die Kosten der Wohnung zwei Jahre lang ohne Obergrenze anerkannt. Erst danach greifen die heutigen Vorgaben bei Wohnfläche und Miete.
In den ersten 12 Monaten werden Leistungen dann gewährt, wenn kein "erhebliches Vermögen" vorhanden ist. Hier gilt die Grenze von 40.000 Euro für den eigentlichen Leistungsbezieher und 15.000 Euro für jeden weiteren Menschen in der Bedarfsgemeinschaft.
Das langfristige Schonvermögen wird auf 15.000 Euro erhöht. Zudem wird nicht mehr geprüft, ob das eigene Auto oder die eigene Wohnung angemessen sind.
Bürgergeld beantragen: Infos zum Antrag
Das Bürgergeld muss grundsätzlich beantragt werden. Der Antrag kann zunächst formlos mündlich oder schriftlich erfolgen, später muss man aber mehrere Formulare ausfüllen. Das Bürgergeld ist kein reines Arbeitslosengeld: Auch Personen, die eine Arbeit haben, aber nicht genug Geld verdienen, um ihren Lebensunterhalt zu decken, können Bürgergeld bekommen.
Den Antrag für Bürgergeld kann man noch nicht stellen. Die Seite mit den Formularen gibt es aber schon. Ab 1. Januar 2023 können die Anträge für das Bürgergeld dann gestellt werden. Wer bisher ALG II erhalten hat, muss keinen neuen Antrag stellen.
Darf man bei Bürgergeld noch etwas dazuverdienen?
Wer einen Job hat, der nicht ausreicht, um die Lebenshaltungskosten zu decken, kann im Rahmen des Bürgergeldes dazuverdienen. Dabei gibt es wie auch bei Hartz IV Zuverdienstgrenzen. Die ersten 100 Euro, die ein Bürgergeldempfänger verdient, werden überhaupt nicht auf das Bürgergeld gerechnet. Bis zu einer Zuverdienstgrenze von 1200 Euro netto im Monat werden 80 Prozent davon auf das Bürgergeld angerechnet. 20 Prozent dürfen Empfänger also behalten. Details mit einer Beispielrechnung gibt es hier.
Sanktionen und Jobvermittlung
Das Gesetz sieht vor, dass die Arbeitssuchenden mit den Jobcentern einen Kooperationsplan vereinbaren. Ursprünglich war dabei eine halbjährige "Vertrauenszeit" geplant, in der den Betroffenen nur eingeschränkt Leistungskürzungen drohen - und zwar, wenn sie mehrfach einen Termin beim Jobcenter verpassen. In diesem Fall wäre eine zehnprozentige Leistungskürzung möglich. Nach den sechs Monaten drohen zusätzlich weitere Leistungskürzungen bei sogenannten Pflichtverletzung - etwa wenn der Betroffene eine zumutbare Stelle nicht antritt. Dies bringt beim ersten Mal eine Kürzung von 20 Prozent mit sich. Beim zweiten Mal sind es dann 30 Prozent. Nicht mehr zulässig sind Abzüge bei den Kosten der Unterkunft.
Die Union hatte diese Pläne heftig kritisiert. Im Kompromiss zwischen CDU/CSU und der Ampel hat man diese Vertrauenszeit nun gestrichen. Sanktionen sind daher vom ersten Tag an uneingeschränkt möglich.
Hartz IV: Was passiert mit dem Arbeitslosengeld II?
Das neue Bürgergeld soll Hartz-IV (ALG II) ersetzen. Geplant ist also, dass es kein Arbeitslosengeld II mehr in seiner aktuellen Form gibt. Stattdessen würde das Bürgergeld greifen. Begründet wird das unter anderem damit, dass die bürokratischen Hürden für ALG II zu hoch sind, weshalb eine Reform nötig ist.
Bürgergeld auch für Rentner? Das sind die Pläne
Das Bürgergeld soll nach Angaben des Arbeitsministeriums nicht für Rentner gelten. „Keinen Bürgergeld-Anspruch nach den Regeln für erwerbstätige Personen haben Personen, die im gesetzlichen Rentenalter sind oder die voraussichtlich absehbar für mehr als 6 Monate erwerbsunfähig sind. Für sie besteht der Anspruch auf Bürgergeld unter abgewandelten, vereinfachten Voraussetzungen.“ Es wird also eine Unterstützung geben, aber sie fällt anders aus.
Was ist der Unterschied zwischen Hartz IV und Bürgergeld?
Im Ergebnispapier zum Bürgergeld steht, dass es „Hilfen zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt stellen“ soll. Bessere Zuverdienstmöglichkeiten werden versprochen. Und genau an diesem Punkt sehen Expert:innen den entscheidenden Unterschied zum Arbeitslosengeld II. Denn durch geringe Besteuerung sollen stärkere Anreize für die Erwerbstätigkeit gesetzt werden. Auch ein Nebenjob soll sich wieder lohnen. Hinzu kommt, dass bei der Kalkulation des Bürgergelds auch die gestiegenen Mieten mit berücksichtigt werden sollen.