Im Tarifstreit bei der Deutschen Bahn ist das Schlichtungsverfahren mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) am heutigen Mittwoch, den 26. Juli, zu Ende gegangen. Die beiden Schlichter, die Arbeitsrechtlerin Heide Pfarr (SPD) und der frühere Verteidigungs- und Innenminister Thomas de Maizière (CDU), haben am Mittwochabend in Potsdam das Ergebnis präsentiert.
Das Ergebnis der Schlichtung
Das ist die Einigungsempfehlung der beiden Schlichter in mehreren Punkten:
Konkret haben die beiden Schlichter eine stufenweise Erhöhung der Entgelte um 410 Euro vorgeschlagen. Die erste Stufe in Höhe von 200 Euro soll noch im Dezember dieses Jahres kommen, die zweite im August 2024. Außerdem soll es im Oktober eine Einmalzahlung in Höhe von 2850 Euro geben. Als Laufzeit schlagen die Schlichter 25 Monate (bis Ende März 2025) vor. Hinzu kommen strukturelle Entgelterhöhungen für bestimmte Berufsgruppen. Laut EVG könnten damit rund 70 000 Beschäftigte pro Monat noch einmal 100 Euro zusätzlich erhalten.
Was sagen Bahn und EVG zu dem Vorschlag?
Die Deutsche Bahn und die Gewerkschaft EVG empfehlen die Annahme des Schlichterspruchs. Sollte die Empfehlung angenommen werden, wäre es der "höchste und teuerste Tarifabschluss in der Geschichte der Deutschen Bahn", sagte Schlichter Thomas de Maizière. Die Empfehlung werde die Deutsche Bahn "wirtschaftlich an Grenzen führen", sagte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler. Eine "finanzielle Überforderung der Bahn" sei aber vermieden worden.
Schlichtungsverfahren zwischen EVG und Bahn
Ursprünglich hatten sich beide Seiten auf die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens verständigt, die Tarifverhandlungen waren zuvor gescheitert. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hatte daraufhin eine Urabstimmung angekündigt. Pläne für einen weiteren Warnstreik sagte die Gewerkschaft nach dem Schlichtungsvorschlag der Bahn aber wieder ab.
Heide Pfarr (78), von der EVG als Schlichterin benannt, war viele Jahre lang Direktorin des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in Düsseldorf und Mitglied der Geschäftsführung der Hans-Böckler-Stiftung. Sie hatte auch einige Monate als SPD-Senatorin in Berlin und Anfang der 90er Jahre für kurze Zeit als Arbeitsministerin in Hessen fungiert.
Thomas de Maizière war unter der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Bundesinnenminister und Verteidigungsminister. Zuvor hatte er bereits mehrere Ministerposten in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen inne. Zuletzt trat der 69-jährige CDU-Politiker als Präsident des Evangelischen Kirchentags 2023 in Erscheinung.
Wie geht es jetzt weiter?
Nun steht der Vorschlag zur Entscheidung in den jeweiligen Gremien beider Seiten an. Bei der Bahn wird die Zustimmung als formaler Schritt betrachtet, während es bei der EVG komplizierter ist. Ein Treffen des Bundesvorstands ist für kommenden Freitag geplant, auf dem eine Empfehlung dazu abgegeben werden soll, ob die EVG den Schlichterspruch akzeptieren wird oder nicht. Anschließend wird eine Urabstimmung durchgeführt. Etwa 110.000 Gewerkschaftsmitglieder der Bahn sind aufgerufen, über den vorgeschlagenen Kompromiss abzustimmen. Für eine Ablehnung der Empfehlung des Bundesvorstands durch die Mitglieder ist eine Dreiviertelmehrheit erforderlich. Umgekehrt wird die Empfehlung des Vorstands wirksam, wenn mehr als ein Viertel der Teilnehmer dieser folgen. Die Urabstimmung ist bis Ende August geplant.
Sind nach der Schlichtung wieder Streiks möglich?
Aber wie sieht es mit der Streikgefahr nach der Schlichtung, also Anfang August aus? Vorerst bleiben die Fahrgäste unberührt, da die EVG während der gesamten Urabstimmung bis Ende August Warnstreiks ausgeschlossen hat. Die Entscheidung des Bundesvorstands, die voraussichtlich diesen Freitag getroffen wird, wird voraussichtlich den weiteren Kurs bestimmen. Wenn er und die Mitglieder zustimmen, wird es eine Tariflösung geben und die Fahrgäste müssen auch nach August keine Streikauswirkungen mehr befürchten. Wenn die EVG jedoch gegen den Vorschlag stimmt, sind ab Ende August unbefristete Streiks möglich.
Auch GDL will verhandeln: Droht eine Streik-Welle im Herbst?
Neben der EVG wird im Herbst auch die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ihre Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn aufnehmen. Sie gilt als sehr streikbereit und setzte in den vergangenen Jahren auf eine harte Verhandlungsführung und viele Arbeitsniederlegungen.