Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie treffen Gewerbetreibende, insbesondere den Einzelhandel, massiv. Aufgrund der bis zum Lockdown reichenden Beschränkungen konnten Gewerbetreibende vielfach die für ihren Geschäftsbetrieb angemieteten Gewerberäume nicht vollumfänglich nutzen. Vermieter haben mangels Verursachung der Einschränkungen trotzdem die berechtigte Erwartung auf vollständige Zahlung der Miete.
Ob und in welchem Umfang im Einzelfall der Mietzahlungsanspruch angepasst werden muss, war umstritten und Gegenstand zahlreicher instanzgerichtlicher Entscheidungen. Mieter haben sich auf das Minderungsrecht (§ 536 BGB), die Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung (§ 275 BGB) und die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) berufen. Die grundsätzliche Anwendbarkeit der Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage wurde durch Inkrafttreten des Art. 240 § 7 EGBGB im Dezember 2020 bestätigt.
Die Entscheidungen der Instanzgerichte zu den Voraussetzungen und zur Darlegungs-und Beweislast für die Bejahung einer solchen Störung der Geschäftsgrundlage sowie zu den Rechtsfolgen weichen stark voneinander ab.
Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden etwa hat die pauschale Halbierung der Mietzahlung während staatlich angeordneter Ladenschließungen als gerechtfertigt erachtet (Az. 5 U 1782/20); denn das Risiko der Ladenschließung sei nicht allein vom Mieter zu tragen. Dem entgegenstehend hat z.B. das OLG München am 17.02.2021 (Az. 32 U 6358/20) eine solche Pauschalisierung abgelehnt; denn es seien für einen vollständigen oder teilweisen Wegfall der Mietzahlungspflicht alle Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.
Am 12.01.2022 (Az. XII ZR 8/21) verkündete das höchste deutsche Zivilgericht, der Bundesgerichtshof (BGH), sein Urteil zu der in der Rechtsprechung umstrittenen Frage der Mietzahlung bei corona-bedingten Geschäftsschließungen:
BGH schafft Klarheit
Im konkreten Fall ging es um die Filiale eines Textil-Discounters, die vom 19.03.2020 bis zum 19.04.2020 aufgrund staatlicher Anordnung schließen musste. Das OLG Dresden hatte als Vorinstanz des BGH entschieden, dass der Mieter nur etwa die Hälfte zahlen müsse; denn das Risiko einer pandemiebedingten Gebrauchsbeschränkung treffe keine der beiden Mietvertragsparteien allein. Der BGH hob dieses Urteil auf.
Nach dem Urteil des BGH können Gewerbemieter wegen staatlicher Schließungsanordnungen zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Anpassung der Miete haben. Dies bedeutet aber nicht, dass die Mieter stets pauschal eine Anpassung der Miete verlangen können. Es bedarf immer einer umfassenden Abwägung der Umstände im Einzelfall; eine pauschale Betrachtungsweise verbietet sich.
Die Mieter müssen nach dem Urteil des BGH z.B. die Umsatzeinbußen für das konkrete Objekt, staatliche Hilfen oder Versicherungsleistungen detailliert offenlegen. Ebenso sind die Interessen des Vermieters zu berücksichtigen. Zu konkreten, weiteren Umständen hat sich der BGH nicht geäußert. Insoweit dürfte man sich an der bisherigen Rechtsprechung der Instanzgerichte ergänzend orientieren können.
Der BGH hat daher mit seinem Urteil eine gewisse Klarheit geschaffen und eine grobe Richtlinie vorgegeben. Die endgültige Beurteilung und Gewichtung der Umstände des Einzelfalles bleibt den Instanzgerichten vorbehalten. Zur Beurteilung der Chancen und Risiken im Einzelfall ist den betroffenen Vermietern und Mietern eine fachkundige, juristische Beratung und Begleitung dringend zu empfehlen.
Ihr Ansprechpartner
Dr. Benjamin Riedel,
Partner | RA, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
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