Einen Traum in Orange serviert Hans Häge an einem Sonntagnachmittag den Gästen einer ganz besonderen Küchenparty. In S-Form aufgelegt ist ein schmaler Streifen gebeizter arktischer Saibling, dem zur Seite 50-Cent-große Gemüsetaler von süß-sauer eingelegtem Kürbis drapiert sind, auf denen ein Tupfen Süßkartoffelcreme thront. Dazu gibt es Eisperlen der asiatischen Zitrusfrucht Yuzu, pulverisierte Kürbiskerne und Kürbisöl, Saiblingsrogen und als Garnitur obendrauf frittierte Fischhaut.
Auf der für dieses besondere Küchenevent im Ulmer Sternerestaurant Siedepunkt erstellten Speisekarte heißt das Gericht nüchtern Saibling an Kürbis. In den Mündern der etwa 100 Gäste, die sich via Homepage des Best Western Hotels anmelden konnten, entfaltet sich derweil die fein abgestimmte Harmonie dieses Arrangements. Erst als alle 120 Portionen gerichtet sind, entspannt sich Häge langsam. „Solche Küchenpartys sind stark im Kommen“, sagt er zu der Veranstaltung, was umso erfreulicher sei, als dass er sich wie die anderen Spitzenköche auch doch eher als Einzelkämpfer sieht.
Diese Einzelkämpfer an einen Herd zu bringen, war die Absicht von Christoph Hormel, Küchenchef im Siedepunkt und wie Häge mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Noch vor Jahren habe die Region gastronomisch nicht viel zu bieten gehabt. Doch seit fünf, sechs Jahren sei etwas gewachsen, das sich sehen lassen kann, sagt Hormel: „Wir wollten einfach mal zeigen, was die Gastronomie zu bieten hat und uns alle gemeinsam den Gästen präsentieren.“
36 Stunden bei 63 Grad
Der Chefkoch im Siedepunkt hat mit konfierter Gänsekeule gefüllte chinesische Teigtäschen vorbereitet. Dazu serviert er einen Sud aus Shitake Pilzen, gebratenen Thaispargel und Korianderkresse. Was sich überschaubar anhört, ist fein abgestimmt und erfordert seine Kunst, vor allem aber Zeit. Die vakuumierte Gänsekeule garte bei exakt 63 Grad 36 Stunden vor sich hin, bis das Fleisch zart ist und sich quasi von allein vom Kochen löst.
Hormels Mitarbeiter haben 340 Teigtäschchen geformt, deren Geschmack das Ehepaar Isabel und Metin Nur mit einem glücklichen Gesichtsausdruck schweigend genießen. „Wir gönnen es uns, ab und zu gut essen zu gehen. Und als ich gehört habe, dass so viele Spitzenköche in einem Haus auftreten, habe ich uns sofort angemeldet“, sagt Isabel Nuhr. Kostenpunkt: 99 Euro pro Person inklusive Getränke der Weingüter Adriane Moll, Jürgen Ellwanger und dem Ulmer Weinhändler Manfred Böhm.
Nicht lange nachdenken musste auch der dritte Sternekoch aus der Region, Klaus Buderath, vom Seestern (Hotel Lago), als die Anfrage kam. Den Begriff „Helden“ findet er für zu hoch gegriffen, aber das Format hat ihm so gut gefallen, dass er gleich seine drei Kinder Elias, Jakob und Paul mitgebracht hat, die er zwischen den drei Küchengrüßen (Cremiges Eigelb und Schnittlauchcreme, Rindertartar auf geröstetem Brot, Austern mit Wasabi und Sushi-Ingwer) und dem Hauptgang innig am Herd herzte.
Auf diesem Kochlevel kennt man sich. Und irgendwie hat der eine schon beim anderen gearbeitet oder zumindest höchste Achtung vor dem Konkurrenten. Wobei, das Konkurrenzdenken früherer Jahre, gebe es nicht mehr, sagt Buderath, der mit einem Rehrücken aus der Eifel, mit Walnuss und Cranberry aufwartet: „Letztlich haben wir alle dieselben Gäste, die ja nicht immer nur in ein Lokal gehen.“ Buderath war der erste, der nach trostlosen Jahren wieder einen Michelin-Stern in die Region geholt hat und überlässt einem anderen Koch die Bühne, von dem er behauptet, dass er der nächste Sternekoch in der Region sein könnte.
Hendrik Ketter von Neuhof am See bei Gundelfingen sind derlei Vorschusslorbeeren peinlich. Er bietet eine geschmorte weiße Bete aus Gundelfingen mit Seidentofu, Sesam und geräucherter Salzbutter. Gerade wegen dieser Vielfalt ist das Ehepaar Hermann und Marion Betz aus Ehingen gekommen. „Sechs auf einen Streich, das ist spektakulär“, sagt der Mann, der ebenso begeistert ist wie Wilmuth Lindenthal, der mit seinem 18. Lebensjahr angefangen hat zu sparen, um ein Mal im Jahr richtig gut essen gehen zu können. „Die Gastronomie in der Region hat sich deutlich verbessert. Es ist toll, sechs Spitzenköche vergleichen zu können.“
Zum Vergleich gehört auch die Unterschiedlichkeit, und die wollte Michael Straub vom Oberschwäbischen Hof in Schwendi eigentlich mit schwäbischer Küche erreichen. Aber bei der Vorbesprechung der sechs „Helden am Herd“ ist das Thema Krustentiere ihm zugefallen: es gibt Garnele auf Avocado und Fenchel.
Altmeister Peter Ebbinghaus aus Burgrieden war schließlich der Nachgang vorbehalten. Er ist so etwas wie der Altmeister der Rasselbande. Lange Jahre fristete er nach eigenem Bekunden ein Dasein als „Einzelkämpfer“. Mit Christoph Hormel sitzt er im Prüfungsausschuss der IHK. Hormel seinerseits hat schon bei Straub gearbeitet, und der stand schon bei Ebbinghaus am Herd. Irgendwie kennen sich alle und erfreuen sich an Mango-Vanille-Roulade mit Johannisbeer-Hippe und einer Schokoladen-Aprikose-Schnitte zur Abrundung der hochkarätigen Küchenparty.
Die beteiligten Restaurants mit ihren jeweiligen Chefköchen
Die Teilnehmer (v.l.): Restaurant Siedepunkt, Küchenchef Christoph Hormel (u.a. ein Michelin-Stern, 16 Punkte Gault Millau, 3 Varta-Diamanten, 6 Gusto-Pfannen); Restaurant Seestern, Küchenchef Klaus Buderath (ein Stern, 14 Punkte Gault Millau, 8 Gusto-Pfannen, 3 Varta Diamanten); Gasthof Zum Bad, Küchenchef Hans Häge (ein Stern, 16 Punkte Gault Millau, 7 Gusto-Pfannen); Restaurant Ebbinghaus, Küchenchef Peter Ebbinghaus (7 Gusto-Pfannen, 2 Varta-Diamanten, roter Teller bei Guide Michelin); Oberschwäbischer Hof, Küchenchef Michael Straub (5 Gusto-Pfannen, FF bei Feinschmecker, 1 Bib-Gourmand); Restaurant Neuhof am See, Küchenchef Hendrik Ketter (6 Gusto-Pfannen).