Rossinis Cenerentola oder Händels Ariodante: Mit Funken sprühender Emotionalität und irren Koloraturenketten begeistert Diana Haller ihr Publikum. Der Jungstar der Oper Stuttgart ist auf dem Sprung zur Weltkarriere – aber auch das Lied pflegt die 31-jährige Kroatin nach wie vor: Nächsten Mittwoch gestaltet die Mezzosopranistin gemeinsam mit dem Bariton Samuel Hasselhorn einen Liederabend der Reihe „klassisch!“ im Stadthaus. Am Tag vor dem Telefoninterview war Diana Haller noch in Berlin, um mit ihrer Klavierpartnerin Katharina Landl zu proben. Weil der Zug ausfiel wegen des Sturmtiefs Friederike, fuhr sie in einem Bus, den sie zum Glück kurzfristig buchen konnte und der „im Wind zitterte“, nach Stuttgart, um pünktlich zurück zu sein.
Haben Sie gute Nerven?
Diana Haller: Natürlich, darauf basiert unser Sängerberuf. Immer auf den Punkt die beste Leistung bringen zu müssen, das ist purer Stress. Man muss cool bleiben. Auch im Vorfeld: Weil man als Sänger rechtzeitig da sein muss zur Vorstellung, versuche ich normalerweise, mit dem Auto zu fahren. Oder mit dem Motorrad.
Mit dem Motorrad?
Vor einem Jahr habe ich den Führerschein gemacht und eine Honda gekauft. Mit der bin ich schon im Sturm nach München zu einer „Cenerentola“-Vorstellung gedüst, das war dann nicht so lustig auf der Maschine. Wenn das Wetter aber schön ist, macht es mir besonderen Spaß, im Schwäbischen übers Land zu fahren und rasant die vielen Kurven zu nehmen. Dann steigt der Adrenalinpegel. Das ist für mich ungefähr so, wie Koloraturen zu singen.
Noch mal zu den Nerven. Was hilft einer Sängerin?
Man macht eine Karriere nicht nur mit seiner Technik, nicht nur mit Glück. Eine gute Vorbereitung ist das Wichtigste. Da verdanke ich zum Beispiel sehr viel meiner Mentorin Brigitte Fassbaender, der großartigen Sängerin, Regisseurin und Lehrerin. Und man darf das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Das ist wie beim Motorradfahren.
Wie meinen Sie das?
Wer nur die nächsten paar Meter im Blick hat, nicht vorausschauend fährt, kriegt ein Problem.
Wie sich das Leben ändern kann, die Kunst plötzlich nebensächlich wird, haben Sie jetzt in Stuttgart erlebt, wo Sie als Hänsel debütiert haben – in dieser „Hänsel und Gretel“-Produktion, die Kirill Serebrennikov nicht inszenieren konnte, weil ihn die russische Justiz nach zweifelhaften Vorwürfen der Untreue in Moskau unter Hausarrest gestellt hatte. Was war das für eine Situation?
Für uns Sänger bedeutete das zunächst großen Frust, weil dieser tolle Regisseur nicht mit uns arbeiten konnte. Es war alles sehr schwierig. Aber im Vordergrund stand die Frage: Was passiert mit diesem Menschen, wie mag es ihm gehen? Wie lebt er in dieser Unfreiheit? Das hat uns allen sehr wehgetan.
Als-Lied-Sängerin im Konzertsaal haben Sie nie einen Regisseur . . .
Da ist man selber der Boss! Man muss allein mit dem Pianisten den Abend gestalten. Jedes Lied ist für mich eine kleine Szene. Man hat mit der Partitur zunächst nur ein „totes Blatt“ Papier vor sich, aber dann erzählt jeder Interpret mit seiner eigenen Sensibilität.
Für eine so emotionale Darstellerin wie Sie muss das leichter sein.
Aber es geht um die Musik. Natürlich, das Publikum möchte auch etwas für die Augen haben. Keine schauspielerischen Aktionen, doch ich finde, dass der Sänger in einem Liederabend ausdrucksvoll die Hände benutzen darf. Man soll gestisch machen, was man fühlt, aber das hängt vom Lied ab, und es gibt Grenzen.
In der Oper werden Sie für Ihre fantastischen Koloraturenketten gefeiert, beim Lied aber zählt jede Silbe.
Das sind zwei verschiedene Dinge. Beim Lied zählt nicht nur jedes Wort, man muss die Melodie der Sprache beherrschen, und es ist für die Interpretation wichtig, die Hintergründe zu kennen: Was ist in der Entstehungszeit des Lieds alles passiert, was hat der Komponist für Briefe geschrieben . . ? Alles schwingt mit. Der Sänger ist nicht mit einem großen Orchester konfrontiert, muss auch nicht wie im Opernhaus bis in die letzte Reihe oben auf der Galerie vordringen. In einem kleinen Liederabend-Saal kann ich das feinste Piano bringen.
Wie haben Sie als Kroatin so gut Deutsch gelernt?
Nach dem Master an der Royal Academy of Music in London bin ich nach Stuttgart an die Musikhochschule gegangen, um dort auch die Liedklasse zu besuchen. Man kann nur gut Schubert-Lieder singen, wenn man auch die deutsche Sprache beherrscht.
Sie haben 2012 prompt den Internationalen Hugo-Wolf-Wettbewerb gewonnen. Wie ist die Liebe zu Schubert gewachsen?
Ich musste damals für den Wettbewerb zehn Schubert-Lieder auswählen, habe mir aber alle 600 angeschaut und dann in zwei Monaten 100 genauer studiert und gesungen. Und ausprobiert, welche Lieder ich am besten mit meiner Stimme ausdrücken kann. Das war harte Arbeit. Aber das hätte sich auch ohne den Sieg beim Wettbewerb gelohnt.
Nach dem Opernstudio sind Sie in der Saison 2010/2011 gleich Ensemblemitglied in Stuttgart geworden. Wie geht das weiter?
Ich glaube nicht an die geplante Karriere, es kommt, wie es kommt. Mit dem künftigen Intendanten Vikor Schoner habe ich meinen Vertrag in Stuttgart bis 2020 verlängert, aber auch Engagements an der Mailänder Scala, der Semperoper und der Hamburgischen Staatsoper stehen an. Es tut sich viel, doch Stuttgart ist meine zweite Heimat neben Rijeka, wo meine Familie lebt. Aber es geht mir darum, der Musik treu zu bleiben, mein Publikum emotional mitzureißen. Die Musik kann den Menschen die Seele retten in einer Zeit, wo jeder alles haben, alles kaufen kann.
Konzert mit der Hugo-Wolf-Akademie
Programm Zum zweiten Mal veranstaltet die Reihe „klassisch!“ in Kooperation mit der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie einen Liederabend im Stadthaus: am kommenden Mittwoch, 20 Uhr. Neben der Mezzosopranistin Diana Haller singt der junge, vielfach ausgezeichnete Bariton Samuel Hasselhorn, der unter anderem den Wettbewerb „Das Lied“ in Heidelberg gewonnen hat. Mit dabei ist als Klavierpartner Marcelo Amaral. Auf dem Programm stehen Lieder und Duette von Schubert, Schumann, Brahms und Mahler. Karten gibt es bei der SÜDWEST PRESSE.