Die Gewalttat von Illerkirchberg, bei der die 14-jährige Ece S. von einem 27-jährigen Geflüchteten aus Eritrea getötet wurde, hat in dem Ort Spuren hinterlassen – so viel wurde klar bei dem Bürgerdialog in Illerkirchberg am Mittwochabend. „Das ganze Dorf hat Angst“, lautete die Wortmeldung einer Frau bei der emotionalen Veranstaltung, an deren Ende auch der Vater des Opfers das Wort ergriff. An die Behörden hatten die mehr als 300 Einwohner in der Gemeindehalle viele Fragen. Neben Bürgermeister Markus Häußler versuchten Vertreter von Polizei, Landratsamt, Regierungspräsidium und des baden-württembergischen Justizministeriums, diese zu beantworten – und verwiesen am Ende meist schlicht auf Vorschriften, Paragrafen und Formalien, was viele Zuhörer nicht überzeugte. Eine Übersicht über die zentralen Fragen und Antworten des Abends:
Wie betreut man Flüchtlinge besser, um solche Taten zu verhindern?
Bürgermeister Markus Häußler sagte auf die erste Frage einer Frau beim Bürgerdialog in der Unterkirchberger Gemeindehalle: „Das ist eine schwierige Frage.“ Die Fragestellerin hatte darauf verwiesen, dass manchem Flüchtling durch eine völlig andere Kultur der Respekt vor Frauen fehle. „Wir besuchen einmal in der Woche die Unterkünfte“, sagte Häußler. Eine intensive psychologische Betreuung oder Schulung für alle sei allerdings weder vorgesehen noch leistbar.
Emanuel Sontheimer, Fachdienstleiter der Abteilung Flüchtlinge, Integration, staatliche Leistungen im Alb-Donau-Kreis, nannte interdisziplinäre Teams, die bei konkreten Problemen eingesetzt werden könnten. „Auch eine psychologische Beratung ist möglich.“ Dabei seien die Behörden aber auch darauf angewiesen, dass sich Ehrenamtliche vom Helferkreis bei absehbaren Problemen meldeten.
Warum werden Flüchtlinge, die kriminell werden, nicht abgeschoben?
Dr. Falk Fritzsch vom Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg (Sonderstab „Gefährliche Ausländer“) erklärte in Illerkirchberg, dass es rechtlich gesehen verschiedene Wege gibt, um Asylsuchende in ihre Heimatländer zurückzuverweisen. Zum einen über einen abgelehnten Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prüfe außerdem, ob eine besondere Gefährdung im Heimatland, eine politische Verfolgung droht oder ein anderer Schutzgrund vorliegt. Straftäter könnten leider nur abgeschoben werden, wenn der Bund den Weg dafür ebnet, was nicht der Fall sei. Dass dies auch für Bürger frustrierend sei, verstehe er.
Wie ein Mitglied des Illerkirchberger Helferkreises im anschließenden Gespräch sagte, habe Deutschland schlicht keine Botschaften in Afghanistan und es gebe somit keine Struktur, um Abschiebungen in der Praxis umzusetzen. „Das wissen viele nicht“, sagte die Frau, die nicht mit Namen genannt werden will. Der Sprecher des Helferkreises in Illerkirchberg sei nach den Geschehnissen am 5. Dezember massiv angegangen worden.
Warum wurde der Vergewaltiger von Illerkirchberg, der wieder dort untergebracht wurde, noch nicht abgeschoben?
Dies beantwortete Dr. Stefan Grauer vom Regierungspräsidium Tübingen (Sonderstab „Gefährliche Ausländer“). Der Täter sei in Abschiebehaft gewesen, habe aber wieder freigelassen werden müssen, da es keine Perspektive für die zeitnahe Abschiebung gibt. Rechtlich gesehen sei er trotzdem ausreisepflichtig, „es gibt keinen Grund, warum er nicht abgeschoben werden sollte“. Es hänge am Bund. Eine Abschiebung setzen in Baden-Württemberg das Regierungspräsidium Karlsruhe und die Bundespolizei um.
Dr. Falk Fritzsch vom Ministerium der Justiz fügte hinzu, das Ziel sei normalerweise, dass Täter aus der Haft gar nicht erst freigelassen werden, sondern bis zu ihrer Abschiebung in Abschiebehaft bleiben, um der Bevölkerung nicht mehr zugemutet zu werden. „Der Bund muss handeln und diese Leute zur Rechenschaft ziehen“, war danach ein Ausruf aus dem Publikum, der Applaus erhielt. Eine Frau fragte, was man tun könne, damit der Mann außer Landes kommt. „Wir sammeln Geld, wenn’s daran liegt“, setzte sie hinzu.
Warum wurde die Bevölkerung nicht vor dem Vergewaltiger von 2019, der wieder in Illerkirchberg untergebracht wurde, gewarnt?
Auf diese Frage antwortete Bürgermeister Markus Häußler, dass es polizeirechtlich nicht erlaubt und möglicherweise strafbar wäre, Daten von Flüchtlingen, die in der Gemeinde untergebracht werden, weiterzugeben. Der Verweis auf den Datenschutz empörte hörbar viele Bürgerinnen und Bürger aus Illerkirchberg. „Die Täter haben offenbar mehr Rechte als unsere Kinder!“ So rief ein Mann im Publikum, und erhielt dafür Applaus.
Warum waren der Täter und die Mitbewohner am Morgen des 5. Dezember 2022 nicht bei der Arbeit?
Mitglieder des Helferkreises und Bürgermeister Markus Häußler sagten, dass sie Schichtarbeiter sind beziehungsweise waren – Jobs hatten sie in der Region durchaus.
Wie geht es dem Bürgermeister nach Morddrohungen?
Nach Morddrohungen gegen seine Person und viel Ärger durch rechte Aufzüge in Illerkirchberg antwortete Markus Häußler am Abend des Bürgerdialogs auch auf die Frage nach seinem Befinden: „Wir hatten seit dem schrecklichen Morgen des 5. Dezember noch keine Zeit in der Verwaltung, das aufzuarbeiten, wir sind nur im Modus Funktionieren.“ Wichtig sei es jetzt, die Geschehnisse zu verarbeiten und die Gemeinde wieder zusammenzuführen.