Es ist eine Festnahme, die aufhorchen lässt: Am frühen Mittwochmorgen, 30.08.2023, haben Spezialeinheiten im beschaulichen Bad Urach (Landkreis Reutlingen) einen 59-Jährigen festgenommen. Der Verdacht: Er soll in einem Machtkampf zwischen Mafia-Clans vor 23 Jahren einen Mord begangen haben.
Leben noch viel mehr Mafia-Mitglieder unerkannt in Baden-Württemberg und wird hier Geld aus der Organisierten Kriminalität gewaschen? Das ist eine These, die von Experten immer wieder aufgestellt wird.
Marcel Emmerich (Grüne): Mafia wird häufig unterschätzt
Nach der Festnahme in Bad Urach fordert auch der Ulmer Grünen-Bundestagsabgeordnete Marcel Emmerich eine erhöhte Sensibilität: „Dieser Fall und die Festnahmen in den letzten Monaten machen erneut deutlich: Organisationen wie die 'Ndrangheta sind in Baden-Württemberg stark vertreten und üben ihren Einfluss aus“, teilte Emmerich mit, der gebürtiger Reutlinger und Obmann im Innenausschuss des Bundestags ist. Die italienische Organisierte Kriminalität dennoch „häufig unterschätzt“, so Emmerich weiter. Die 'Ndrangheta dominiere den europäischen Kokainhandel, ihr Einfluss durch Geldwäsche und Steuerhinterziehung sei „enorm“, sie erreiche einen Umsatz von 50 Milliarden Euro im Jahr. „Damit liegt sie auf dem Niveau eines deutschen Automobilkonzerns. Das ist nicht nur ein unterschätztes Sicherheitsrisiko, sondern auch eine Bedrohung für unsere Demokratie und Wirtschaft“, sagt Emmerich. Die Sicherheitsbehörden müssten seiner Ansicht nach unterstützt werden, „indem wir Strukturen schaffen, mit denen die illegalen Finanzströme verfolgt und den Tätern das Geld weggenommen werden kann“.
Sascha Binder (SPD): Südwesten ist Rückzugsort der Mafia
Die „hervorragende Arbeit“ des SEK und des Polizeipräsidiums Reutlingen lobte der Innenexperte der SPD-Fraktion im Landtag, Sascha Binder. „Die Festnahme bestätigt allerdings auch: Baden-Württemberg ist Hauptrückzugsort der Mafiosi in Deutschland und sie können unbehelligt hier leben“, teilte Binder mit – und übt Kritik an den Strukturen der Sicherheitsbehörden. „Auch in diesem Fall konnte die Festnahme nur aufgrund großer Unterstützung aus dem Ausland gelingen. Es ist überfällig, endlich mit eigenen Mitteln der Mafia im Land den Kampf anzusagen“, sagte Binder.
Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) lobte die Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden in dem Fall: „Das Verbrechen kennt keine Grenzen, und deshalb ist eine funktionierende, von gegenseitigem Vertrauen geprägte Zusammenarbeit über alle Ländergrenzen im Kampf gegen die Mafia auch so wichtig. Da werden wir auch weiterhin hart am Ball bleiben.“