Baden-Württemberg hat seinen ersten Coronavirus-Fall: Wie das Ministerium für Gesundheit und Soziales mitteilt, wurde am Dienstagabend bei einem Patienten aus dem Landkreis Göppingen eine Infektion mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2) nachgewiesen. Es handle sich um die erste bestätigte Infektion im Land. Am Dienstagabend wurde auch der erste Fall in Nordrhein-Westfalen bekannt, dort liegt ein Mann aus Erkelenz in kritischem Zustand im Krankenhaus.
Mann aus Kreis Göppingen infizierte sich in Italien mit Coronavirus
Der 25-Jährige im Kreis Göppingen habe sich vermutlich während einer Italienreise in Mailand angesteckt, hieß es. In Italien gab es in jüngster Zeit einen sprunghaften Anstieg der Infektionen, das Land ergriff drastische Maßnahmen zum Schutz vor Ansteckungen und einer Verbreitung des Erregers.
Der Mann aus dem Kreis Göppingen wurde nach seiner Rückkehr aus Italien krank und hatte Symptome ähnlich wie bei einer Grippe.
Keine Coronavirus-Panik in der Klinik am Eichert in Göppingen
Der 25-Jährige wurde noch am Dienstagabend in ein Krankenhaus gebracht. Dort ist er von den übrigen Patientinnen und Patienten isoliert. Inzwischen wurde bestätigt, dass der Erkrankte in der Klinik am Eichert in Göppingen liegt. Vor Ort war die Lage am Mittwochmorgen normal. Patienten und Klinikbesucher zeigten sich unaufgeregt, wussten teilweise noch nicht einmal etwas von der Situation. Es war auf dem Gelände auch niemand mit Mundschutz zu sehen. Auf der Isolierstation verfügt jedes Zimmer über eine eigene Schleuse. „Hier werden auch andere Patienten mit hochansteckenden Krankheiten behandelt“, sagte ein Pfleger.
Landratsamt Göppingen richtet wegen Coronavirus Krisenstab ein
Bereits am Dienstag ist im Landkreis ein lokaler Krisenstab aufgestellt worden. Landrat Edgar Wolff betonte, dass der Kreis auf die Lage vorbereitet sei und alles getan werde, um eine Ausbreitung einzudämmen.„Es gibt keinen Grund zur Unruhe“, sagte Gesundheitsminister Manne Lucha. Der Politiker gab Tipps zur Handhygiene, jedoch waren Desinfektionsmittel im Raum Göppingen am Mittwochnachmittag weitgehend ausverkauft.
Neue Infos zum Zustand des infizierten 25-Jährigen in Göppingen
Dem 25-jährigen Patienten gehe es soweit gut, er habe lediglich leichte Symptome wie Atembeschwerden und Fieber. Er sei am Freitag aus Italien zurückgekehrt und hatte sich am Dienstagabend wegen seiner Beschwerden direkt an das Göppinger Gesundheitsamt gewandt. Nach einem Abstrich stand fest: Der Test auf das neuartige Corona-Virus ist positiv.
Coronavirus Göppingen - 13 Personen hatten Kontakt mit dem Infizierten
„Alle 13 Kontaktpersonen sind zielgerichtet angesprochen und isoliert worden“, sagte Wolff. Die Kontakte stammten aus Göppingen ebenso wie aus dem Kreis Tübingen und dem Alb-Donau-Kreis sowie aus Stuttgart. Diese stünden jetzt 14 Tage unter Quarantäne. Unter anderem in Behandlung sind auch die Freundin des Mannes sowie deren Vater in Tübingen. Bei beiden wurde eine Infektion mit dem Coronavirus inzwischen bestätigt. Der 25-Jährige war laut Lucha auch in einem Kino in Neu-Ulm. Dies wurde am Mittwochmittag bei einer Pressekonferenz bekannt.
Schulen und Kitas in Göppingen nicht wegen Coronavirus geschlossen
„Das sind überschaubare Maßnahmen. Ob die Eindämmung gelingt, wissen wir noch nicht, das steht derzeit unter Vorbehalt“, sagte Wolff. Schulen oder Kitas wie in Nordrhein-Westfalen zu schließen, erachtet der Krisenstab derzeit für nicht notwendig, weil im Göppinger Fall die Herkunft des Virus bekannt sei. Ohnehin haben in den Faschingsferien nicht alle Einrichtungen geöffnet. Es gebe unterschiedliche Stadien eines Ausbruchsgeschehens, wenn ein Patient klar identifiziert werde könne, sei eine Weiterverbreitung gut in den Griff zu bekommen. Wolff spricht von einer „verantwortlichen, aber auch ruhigen und besonnenen Vorgehensweise“. Der Landrat sieht den Fall anders gelagert als in Nordrhein-Westfalen, wo im Kreis Heinsberg alle Schulen und Kindergärten bis auf Weiteres geschlossen wurden.
Behörden ermitteln alle Kontaktpersonen von „Patient Null“
Wie am Mittwochvormittag aus dem Landratsamt Göppingen verlautete, handelt es sich bei dem Fall in Baden-Württemberg um den so genannten „Patient Null“, also den Erstinfizierten.
Als Schutzmaßnahmen würden jetzt enge Kontaktpersonen häuslich abgesondert und täglich nach ihrem Gesundheitszustand befragt, berichtet das Ministerium zu den weiteren Schritten. Sobald eine Kontaktperson Symptome entwickele, werde sie in einem Krankenhaus isoliert. Das Ministerium betont, dass alle Ärzte, Gesundheitsbehörden sowie das Kompetenzzentrum Gesundheitsschutz am Landesgesundheitsamt eng zusammenarbeiten würden. Allerdings sei bisher darauf verzichtet, alle isolierten Kontaktpersonen vorsorglich einem Test zu unterziehen, sagte Minister Manne Lucha am Mittag.
Ärzteschaft im Kreis Göppingen: „Die Welle rollt“
Der Vorsitzende der Kreisärzteschaft, Dr. Frank Genske, sieht die Situation mit einem gewissen Pragmatismus: „Es lässt sich nicht ändern, die Welle rollt.“ Er rät dazu, die Hygiene zu intensivieren, also noch sorgfältiger Hände zu waschen. Die niedergelassenen Ärzte müssten jetzt wachsam sein, wenn Patienten mit grippeähnlichen Symptomen aus den Risikogebieten kommen. Genske macht aber auch deutlich, dass es Grenzen gibt: „Man kann jetzt nicht bei allen Patienten, die husten, einen Abstrich machen, da muss man realistisch bleiben.“ Genske, der in engem Kontakt mit dem Gesundheitsamt und der Klinikleitung steht, rät zur Achtsamkeit, warnt aber vor Hysterie und Panikmache. „Es bleibt die Hoffnung, dass es schnell abebbt.“
Gesundheitsminister Lucha: Virus-Infektion ist „Einzelfall“
Bei der ersten Infektion eines Patienten aus Baden-Württemberg mit dem neuartigen Coronavirus handelt es sich laut dem baden-württembergischen Gesundheitsministers Manne Lucha (Grüne) um einen Einzelfall. „Es gibt nach wie vor keinen kursierenden Virus bei uns“, sagte Lucha am Mittwoch in Stuttgart. Er mahnte die Bevölkerung zur Besonnenheit. „Baden-Württemberg hat sich schon früh auf diesen Fall eingestellt. Alle beteiligten Stellen arbeiten eng und intensiv zusammen.“
Coronavirus: So gut ist Baden-Württemberg vorbereitet und so schnell geht der Test
Nach Angaben des Ministeriums sind alle Krankenhäuser im Land in der Lage, am Coronavirus erkrankte Personen aufzunehmen und zu isolieren. Zur Prophylaxe gehört zum Beispiel, dass bei einem nicht erhärteten Verdacht auf Influenza automatisch auch Laboruntersuchungen auf Corona vorgenommen werden. Labore beim Landesgesundheitsamt in Stuttgart und in den Unikliniken Heidelberg und Freiburg können innerhalb von fünf Stunden die Erkrankung feststellen.
Krankenhäuser zu Coronavirus: Erkranktes Personal wäre Problem
Die Krankenhausgesellschaft sieht im Fall eines größeren Coronavirus-Ausbruchs in Deutschland eine mögliche Erkrankung des Personals als größte Herausforderung. Die Kliniken seien grundsätzlich gut gerüstet und auf eine Lage wie bei Grippewellen eingestellt, sagte Landesverbandsgeschäftsführer Matthias Einwag. Auch auf eine Isolation von Kranken seien sie vorbereitet. „Aber da es anders als bei der Grippe keine Impfung gegen das Virus gibt, bekommen wir ein Problem, wenn Ärzte und Schwestern erkranken.“ Dann werde auch der Mangel an Fachkräften noch stärker spürbar werden.
Das sollten Reisende wegen des Coronavirus beachten
Der Minister appellierte an Reiserückkehrer, den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts zu folgen: Wer aus Gebieten zurückkehre, in denen Covid-19-Fälle vorkommen und innerhalb von 14 Tagen nach der Rückkehr Fieber, Husten oder Atemnot entwickle, solle unnötige Kontakte vermeiden, nach Möglichkeit zu Hause bleiben, beim Husten und Niesen Abstand zu anderen Menschen halten, regelmäßig und gründlich Hände mit Wasser und Seife waschen und nach telefonischer Anmeldung unter Hinweis auf die Reiseregion einen Arzt aufsuchen.
So schützt man sich vor einer Ansteckung mit dem Virus
Dennoch fordert Minister Manne Lucha, dass Menschen, die von Reisen zurückkommen, die Empfehlun-gen des Robert-Koch-Instituts befolgen: Menschen, die nach ihrer Einreise aus Gebieten, in denen COVID-19-Fälle vorkommen, innerhalb von 14 Tagen nach ihrer Rückkehr Fieber, Husten oder Atemnot entwickeln, sollen
- unnötige Kontakte vermeiden
- nach Möglichkeit zu Hause bleiben
- beim Husten und Niesen Abstand zu anderen Menschen halten
- in die Armbeuge niesen oder husten
- möglichst nur ein Taschentuch benutzen, das sofort entsorgt wird
- regelmäßig und gründlich Hände mit Wasser und Seife waschen
- Berührungen von Nase, Augen und Mund vermeiden
- nach telefonischer Anmeldung unter Hinweis auf die Reiseregion einen Arzt aufsuchen.
Der Nutzen von Atemschutzmasken gegen eine Ansteckung mit dem Virus ist umstritten, Experten raten dazu, sich auf die Hygiene zu konzentrieren, da das Virus durch Tröpfcheninfektion und Kontakt mit Schleimhäuten übertragen wird. Deshalb ist es für den Schutz vor einer Übertragung am Wichtigsten, sich die Hände auf die richtige Art und Weise zu waschen.
Weiterer Fall in Erkelenz in Nordrhein-Westfalen
Wenige Stunden, nachdem der 25-jährige Mann aus dem Kreis Göppingen positiv auf das potenziell gefährliche Virus getestet worden war, wurde ein weiterer Fall von Corona in Deutschland bekannt gegeben: Erstmals ist auch ein Patient in Nordrhein-Westfalen an dem neuartigen Coronavirus erkrankt. Die Infektion ist bestätigt, der Mann aus Erkelenz im Kreis Heinsberg wird in die Uniklinik Düsseldorf gebracht, sagte ein Sprecher der Feuerwehr in Düsseldorf. Wo der Patient sich angesteckt hat, war noch unklar.
Zustand des Corona-Patienten ist kritisch
Der Zustand des mit dem Coronavirus infizierten Patienten aus Erkelenz ist offenbar kritisch. Wie der Kreis Heinsberg am Dienstagabend mitteilte, war der Mann am Montagmittag mit Symptomen einer schweren Lungenentzündung im Erkelenzer Hermann-Josef-Krankenhaus aufgenommen worden. Der Mann ist nach Informationen der dpa erst Mitte 40, er soll aber eine Vorerkrankung haben.
Im Kreis Heinsberg bleiben am Mittwoch Schulen, Kitas und die Kreisverwaltung geschlossen. Ein Sprecher sagte, man erwäge, auch den öffentlichen Personennahverkehr auszusetzen. Ein Krisenstab sei eingerichtet worden.
Jetzt gibt es 18 Fälle des Coronavirus in Deutschland
Vor den beiden neuen Fällen gab es in Deutschland 16 bestätigte Coronavirus-Infektionen, jetzt sind es 18. Experten gehen davon aus, dass es in Deutschland sehr wahrscheinlich unentdeckte Infektionen gibt.
Die meisten der bisher 16 Patienten wurden inzwischen wieder aus den Kliniken entlassen. 14 der Fälle traten in Bayern auf, von den dortigen Betroffenen ist noch einer in der Klinik.
Die anderen beiden Fälle waren China-Rückkehrer, die von der Bundesregierung mit einem Flugzeug aus der Volksrepublik ausgeflogen worden waren. Sie wurden in der Uniklinik in Frankfurt am Main behandelt und Mitte Februar entlassen.
Das Virus breitet sich in Deutschland und Europa aus
Seit in Italien die Zahlen von Covid-19-Fällen sprunghaft angestiegen sind, werden immer mehr Nachweise des Virus in europäische Staaten bekannt. Dazu gehören
- Österreich (Tirol)
- Kroatien
- das spanische Festland
- die Ferieninsel Teneriffa
- die Schweiz
Auf Teneriffa wurde nach einer bestätigten Erkrankung ein großes Hotel mit rund 1000 Touristen unter Quarantäne gestellt. Unter den Gästen des Hotels auf der spanischen Ferieninsel sind auch Urlauber aus Deutschland. In der Golf-Region droht sich das Virus ebenfalls auszubreiten.
Mitarbeit am Artikel: Sven Kaufmann, Susann Schönfelder, Dirk Hülser, Chris Wille, Steffen Wolff, Helge Thiele, Michael Maier.