Nüchtern betrachtet geht es nur um einige technische Details. Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) möchte Öl- und Gasheizungen aus deutschen Kellern verbannen. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet, Eckpunkte aber sind bekannt. Demzufolge soll es ab 2024 nicht mehr erlaubt sein, defekte Öl- oder Gasheizungen durch neue zu ersetzen.
Nun ist es mit Heizungen nicht wie mit Joggingschuhen: Wenn die von Adidas drücken, probiert man Nike oder Asics. Wer seine alte Heizung rausreißt und obendrein das System wechselt, muss Investitionen stemmen, die in die Zigtausende gehen. Und weil das verpflichtend sein wird, verbunden mit weiteren Sanierungsmaßnahmen zur Wärmedämmung, kann das richtig teuer werden. Der Geschäftsführer des Landesverbands Haus und Grund Württemberg, Ottmar H. Wernicke, hält Kosten in Höhe von 100 000 Euro durchaus für realistisch, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung sagt. Die Sache mit dem Heizungstausch sei vielschichtig, so Wernicke, der einige Folgeprobleme erwartet, „an die die Politik noch gar nicht denkt.“

Enteignungswelle

Eine Wärmepumpe beispielsweise, das ist inzwischen bekannt, wirkt umso effektiver, je großflächiger die Heizkörper sind. Am besten ist eine Fußbodenheizung. Allein deren Einbau erfordert, ach, wäre es nur mit den Worten „einigen Aufwand“ erschöpfend beschrieben, deren Einbau erfordert eine Grundsanierung. Denn die Böden sämtlicher Zimmer, jedenfalls die Beläge, von edlen Parkettböden gar nicht zu reden, müssen herausgerissen werden. Wärmeverbundsysteme an den Außenwänden tragen dick auf, Fenster wirken hinterher wie Schießscharten, müssen also vorgesetzt werden. Auch das kostet Geld.
Betroffen sind ältere Häuser, die aber gehören in der Regel älteren Menschen. „Die haben vielleicht etwas auf die Seite legen können“, räumt Wernicke ein. Das könnte für die dritten Zähne sein, vielleicht braucht es einen altersgerechten Umbau oder ein E-Auto. Heizungsumbau und Wärmedämmung? Hatten die wenigsten auf der Rechnung, und weil Banken bei älteren Kunden durchaus restriktiv sind, was die Vergabe von Darlehen angeht, nimmt auch Wernicke dieses böse Wort von der Enteignungswelle in den Mund: „Genau so ist es.“

Energieverbrauch nicht pauschalisieren

Abgesehen vom finanziellen Aufwand durch den Umstieg auf eine Wärmepumpe entsteht womöglich anderer Stress. Streit zwischen Nachbarn, die sich wechselseitig nächtliche Ruhestörung vorwerfen, denn Wärmepumpen stehen im Freien, arbeiten nicht lautlos und werden selten unter dem eigenen Schlafzimmer aufgestellt.
Was selten zur Sprache kommt, ist der tatsächliche Energieverbrauch. Der variiert von Haushalt zu Haushalt, wird vom Gesetzgeber aber gern pauschaliert. Ein Beispiel: Der Energieausweis für ein Gebäude könnte im unsanierten Zustand einen Energiebedarf von 170 Kilowattstunden pro Quadratmeter bescheinigen. Das ist viel, und wenn dieser Wert nach einer Sanierung auf einen Wert von 110 sinkt, ist das eine deutliche Verbesserung. Theoretisch, sagt Wernicke, denn in vielen dieser älteren Häuser liegt der tatsächliche Energieverbrauch gar nicht so hoch, vielleicht bei 120 Kilowattstunden pro Quadratmeter, weil die Bewohner nur dosiert am Thermostat drehen.

Duschwasser rund um die Uhr?

Wenn aber nach einer 100 000-Euro-Sanierung die eigentliche Ersparnis zehn Kilowattstunden pro Quadratmeter beträgt, „lohnt es sich nicht“, bilanziert Verbandschef Wernicke. „Leute, die früher gespart haben, sparen auch nach der Dämmung“, sagt er. Er kritisiert, dass die Politik zu sehr nach Gebäuden, zu wenig nach deren Nutzern ausgerichtet wird. Dass Mieter das verbriefte Recht haben, 24 Stunden am Tag, auch nachts um 2 Uhr, 40 Grad warmes Duschwasser zu haben, werde nie thematisiert.
Deswegen fordert Haus und Grund, auch über das Jahr 2024 hinaus Öl- und Gasheizungen zuzulassen. Auch der Verband der Gebäudeenergieberater sehe das so und habe das in einem offenen Brief an Habeck kundgetan, sagt Wernicke, der gleichzeitig vor der Umsetzung der Habeck-Pläne warnt: Wenn sie erst mal zum Gesetz erhoben werden, beeinflussen sie die Förderlandschaft. Bei Bund und Ländern gilt nämlich die Regel, „was gesetzlich gefordert ist, darf nicht gefördert werden“. Ohne finanzielle Unterstützung ist die Umrüstung auf Wärmepumpen aber in vielen Fallen nicht leistbar. Die Katze, so Wernicke, beißt sich spätestens dann in den Schwanz, wenn Hauseigentümer wegen der Sanierungskosten die Miete erhöhen müssen. Dann wird bezahlbarer Wohnraum zur Utopie.
Am Freitag tagt der Verband Haus und Grund in der Stadthalle Balingen. 600 Gäste werden erwartet, Hauptrednerin ist die Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, Nicole Razavi (CDU). Themen werden neben aktuellen landespolitischen Herausforderungen auch die Beheizungspläne von Minister Robert Habeck sein.

Faktisches Aus für Öl- und Gasheizungen

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will ab dem Jahr 2024 Öl- und Gasheizungen verbieten. Das geht aus einem dieser Tage viel zitierten Gesetzesentwurf des Wirtschaftsministeriums hervor. Demnach sollen ab dem kommenden Jahr neue Heizungen zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien Wärme herstellen. Der Einbau neuer Öl- und Gasheizungen wäre dann nicht mehr möglich.