Nina kommt am Donnerstagabend gar nicht mehr zur Ruhe. „NINA“ ist bekanntlich eine von mehreren offiziellen Apps, die die Bürger vor Gefahren und Großschadenslagen warnen sollen. Am Donnerstagabend häuften sich die Unwetter-Warnungen vor allem im Zollernalbkreis.
Die ständig neu aufploppenden Meldungen der Warn-App sollten sich bitter bewahrheiten. Im gesamten Landkreis, aber auch darüber hinaus, waren die Rettungskräfte im Dauereinsatz. „Am Abend zog eine Gewitterfront mit heftigem Starkregen, Hagel, Blitzschlag und Sturmböen über den gesamten Landkreis hinweg“, berichtet das zuständige Polizeipräsidium Reutlingen in einer Pressemitteilung. Dies forderte pausenlosen Einsatz aller mit den Aufräum- und Rettungsarbeiten betrauten Stellen. „Nahezu alle Feuerwehren des Kreises, die Rettungskräfte des DRK, Straßenmeistereien und kommunalen Bauhöfe waren die Nacht durchweg im Einsatz“, berichtet Marisa Hahn, Pressesprecherin des Landratsamts. Insgesamt wurden im Kreis knapp 240 Einsätze abgearbeitet.

Auch noch ein Brand

Allein 115 davon in Balingen, wie Kommandant Florian Rebholz im Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE verdeutlicht. Man habe weniger mit Wasser als viel mehr mit Sturmschäden, umgestürzten Bäumen und Ähnlichem zu tun gehabt, blickt Rebholz auf eine mehr als ereignisreiche Nacht zurück. „Hoher Standard“ sei eine solche Einsatzzahl mittlerweile bei derartig großflächigen Unwettern.
Ein Brand in Frommern hielt die Einsatzkräfte dann weiter wach, als die Unwetterschäden eigentlich beseitigt waren. „Da haben alle nicht wirklich geschlafen“, fasst der Kommandant zusammen. Balingens Pressesprecher Dennis Schmidt erklärt weiter, dass auch der Bauhof und die Stadtwerke im Großeinsatz waren, letztere um das malträtierte und in Teilen ausgefallen Stromnetz wieder zum Laufen zu bekommen. „Die Gartenschau konnte am Freitag weitestgehend normal ablaufen, auch wenn die Sturmfolgen für die Besucher natürlich sichtbar sind und es zu kleineren Schäden gekommen ist“, sagt Schmidt abschließend.

Zeltlager evakuiert

In Albstadt hingegen hat ein ganz besonderer Einsatz die Feuerwehr auf Trab gehalten, wie Mona Lehmann, Pressesprecherin der Stadt, ausführt. Ein Zeltlager musste evakuiert werden, weil das Unwetter dann doch zu heftig wurde. „Die Zelte sind teils zerstört“, erklärt Lehmann zum Ausmaß. Gottlob seien alle wohlauf und Betreuer wie Kinder in der Onstmettinger Sporthalle untergebracht. Ansonsten seien großteils Bäume umgestürzt und mussten von der Feuerwehr beseitigt werden.
Das Unwetter richtete trotzdem im ganzen Kreisgebiet Schäden an. Nachdem zwei Überland-Stromleitungen von umstürzenden Bäumen getroffen worden waren, kam es zu Stromausfällen – etwa in Balingen-Ostdorf, Geislingen, Bisingen-Thanheim und Hechingen-Stetten. Einige Dächer wurden abgedeckt, in mehrere Gebäude schlugen Blitze ein.

Straßen werden blockiert

Zahlreiche Straßen waren wegen umgestürzter Bäume blockiert. Der Starkregen ließ zudem Keller volllaufen. Bauzäune und Gerüste wurden in Mitleidenschaft gezogen.
Glimpflich davongekommen zu sein, scheint hingegen die Stadt Meßstetten. Deren Pressesprecher Volker Bitzer spricht im Vergleich zum restlichen Kreisgebiet von „0815-Schäden“, Waldwege seien wegen Sturmschäden nicht benutzbar, einzelne Bäume seien umgeknickt, aber auch wahrlich kein riesiger. Der Fokus lag generell eher auf den Teilorten Tieringen und Oberdigisheim, so der Sprecher. „Dieses Mal ist Meßstetten Gott sei Dank verschont geblieben“, atmet Bitzer auf.
Alles andere als ungeschoren kam die Stadt Hechingen davon. Große Schäden gibt es auf dem örtlichen Friedhof zu vermelden, große Bäume knickten um wie Mikado-Stäbe. Feldwege und Waldwege sind ebenfalls nicht passierbar, teilt Pressemann Thomas Jauch mit. Auch die Bahnstrecke musste gesperrt werden, weil Bäume die Gleise blockierten. Zwischen Albstadt-Ebingen und Hechingen fuhren am gesamten Vormittag keine Züge. Die Störung konnte erst zur Mittagszeit behoben werden.

Ein Todesfall zu beklagen

Ganz besonders tragisch: Ein 62-jähriger Mann, der zwischen Hechingen und Stetten campierte, wurde von einem teils entwurzelten Baum getroffen und dadurch getötet, wie die Polizei am Freitagnachmittag mitteilt. Eine Spaziergängerin hatte den Leichnam des Campers am Morgen entdeckt und die Rettungskräfte alarmiert.
Alles in allem sind laut Polizeipräsidium Schäden in Höhe von mehreren hunderttausend Euro entstanden. Auch die Landkreise Reutlingen und Tübingen wurden von dem Unwetter heimgesucht, am Flughafen Stuttgart musste zeitweilig der Betrieb eingestellt werden. Es kam im Bereich des Reutlinger Präsidiums zu zahlreichen wetterbedingten Einsätzen. Überwiegend handelte es sich hierbei um umgestürzte Bäume, ausgehobene Schachtdeckel, herabgefallene Äste, überflutete Fahrbahnen und Keller sowie zahlreiche Verkehrsunfälle.

Landrat lobt Einsatzkräfte

„Der beherzte Einsatz zahlreicher Rettungskräfte und unsere flächendeckend hoch motivierten, gut organisierten Ehrenamtlichen konnten die Sicherheit im Zollernalbkreis schnell weitestgehend wiederherstellen“, lobte Zollernalbkreis-Landrat Günther-Martin Pauli, der sich in der Nacht ein Bild von der Lage verschaffte. Die Aufräumarbeiten dauerten den Freitag über an, die Burg Hohenzollern ist wegen Lebensgefahr im Wald im Übrigen für die Besucher am Wochenende gesperrt.
Immerhin verspricht der Wetterbericht fürs Wochenende eine gewisse Entspannung, zumindest was die großflächigen Gewitter betrifft. „Trotzdem besteht vereinzelt noch die Gefahr von Starkregen und Gewittern heute Abend und in der Nacht“, sagt Marco Puckert vom Deutschen Wetterdienst in Stuttgart über den Freitag. Der LSV Degerfeld reagiert auf das schlechte Wetter und verschiebt sein Fliegerfest in die Halle.
Nach wie vor sei es dampfig und schwül, diese Luft sei noch nicht ganz weg, sagt Puckert. Und daher könne eben auch das Risiko von neuerlichen Gewittern und lang anhaltenden Regenschauern nicht ausgeschlossen werden. Auch Hagel sei „auf alle Fälle noch möglich“, sagt Puckert. Entwarnung sieht also anders aus. Man müsse warten, was kommt, schließt Wettermann Puckert mit Blick auf den Zollernalbkreis und Süddeutschland.

240

Einsätze wurden über die Leitstelle für den Zollernalbkreis in der Unwetternacht von Donnerstag auf Freitag gemeldet und in der Folge auch abgearbeitet.