Als Adam Z. kurz davor war, sein Leben auszuhauchen, saß er vornübergebeugt im Sessel seines Wohnzimmers. Seine Frau fand ihn. Ihre Hoffnung, er schlafe nur, zerbarst, als sie ihn schwer atmen hörte, als er nicht auf ihr Rufen und ihr Zerren reagierte. Sie war allein, überfordert und ratlos. Schließlich nahm sie das Telefon und wählte den Notruf 112. Nur 20 Minuten später lag ihr Mann auf dem Fußboden. Ein Venenkatheter steckte in der Vene seiner rechten Hand, über die bekam er eine Infusion. Kabel mit Elektroden an deren Ende, die an der Brust des Patienten angelegt waren, sendeten Informationen von seinem Herz an ein piepsendes Gerät. Neben dem Mann knieten eine Notärztin und ein Notfallsanitäter. Im Hintergrund wartete eine weitere Notfallsanitäterin auf Anweisungen, während ein Rettungssanitäter mit einer Trage den Raum betrat.
Außer Lebensgefahr
Der Mann war inzwischen außer Lebensgefahr. Der aus zwei Teams (Notarztwagen mit Notärztin und Notfallsanitäter sowie Rettungswagen mit Notfallsanitäter und Rettungssanitäter) bestehende Rettungsdienst hatte aber noch zu tun. Bis der Mann transportfähig war, vergingen weitere 30 Minuten, dann zogen die Teams ab. Das Notarztauto fuhr zurück in die Rettungswache, der Rettungswagen steuerte mit dem Patienten ein Krankenhaus an.
Bei der Frau blieben Plastikverpackungen von medizinischem Gerät zurück, auch Einmalhandschuhe lagen auf dem Fußboden, und jetzt, da Ruhe eingezogen war, war ihr, als hörte sie noch immer die routinierten Anweisungen, die sich Ärztin und Sanitäter gegenseitig zugerufen hatten. Aber es war vorbei, ihr Mann lebte, bald würde er wieder zu Hause sein.
Herzinfarkt oder Unfall
Ob Herzinfarkt oder Verkehrsunfall, in der Regel geht es darum, schnell das Richtige zu tun. Das ist der Job von Notfallsanitätern, die meistens die ersten Experten am Patienten sind. Notfallsanitäter durchlaufen eine dreijährige Ausbildung, die sie am Ende dazu befähigt, auch allein, ohne Notarzt, die Lage am Einsatzort zu erfassen, den Gesundheitszustand einer verletzten Person zu beurteilen, erste medizinische Maßnahmen durchzuführen und die Transportfähigkeit herzustellen, aber auch Notärzten zu assistieren und ärztliche Anordnungen selbstständig umzusetzen, wie es etwas holprig in der Berufsbeschreibung heißt.
Das DRK Zollernalb bildet seit April fünf neue Notfallsanitäter aus. Am Ende ihrer Ausbildung muss jeder Handgriff sitzen. Mit fast schon militärischem Drill werden sie Fallbeispiele üben, aber auch medizinisches Grundwissen erlernen. Sie sind wichtig, auch deswegen, weil es im deutschen Gesundheitssystem das Berufsbild des Notarztes nicht gibt. Es handelt sich nur um eine Zusatzqualifikation für Ärzte. Damit dürfen sie Einsätze fahren. Doch die wenigsten machen das ausschließlich, in der Regel fahren sie nur gelegentlich als Notarzt, arbeiten ansonsten in ihrer Abteilungen im Krankenhaus oder als niedergelassene Haus- beziehungsweise Fachärzte. Die immer dabei sind, sind Notfallsanitäterinnen und -sanitäter. Wenn die ihr Handwerk verstehen, ist das für Patienten wie ein kleiner Lottogewinn.
Mit dem Knochenbohrer
Wolfgang Dieter ist Ausbildungsleiter beim DRK-Kreisverband Zollernalb. „Der Beruf wird immer anspruchsvoller“, sagt er und nennt ein Beispiel: Wenn aufgrund der Verletzung kein Zugang zu einer Vene gefunden werden kann, greifen Notfallsanitäter zum Knochenbohrer und geben das notwendige Medikament direkt ins Knochenmark. Die Frage, was die Befugnisse der Notfallsanitäter angeht, ist im Zweifel schnell beantwortet: Wenn kein Notarzt zur Verfügung steht, müssen sie tun, wozu sie in der Lage sind und was sie gelernt haben.
Das aber birgt politische Sprengkraft. Wenn nämlich der Rettungswagen am Unfallort eintrifft, kümmern sich Fahrer (Rettungssanitäter) und Beifahrer (Notfallsanitäter) oftmals als erste um die Patienten. Obwohl insbesondere die hoch qualifizierten Notfallsanitäter in Theorie und Praxis Infusionen legen, Schmerzmittel verabreichen und intubieren könnten, bewegen sie sich in einer rechtlichen Grauzone. Das führt am Unfallort schon mal zu Gewissenskonflikten. Soll das Team vom Rettungswagen auf einen Notarzt warten, der vielleicht noch mehrere Minuten unterwegs ist, obwohl der Patient zu ersticken droht? Abgesehen von der moralisch-psychischen Last kann das Zuwarten auch juristische Folgen haben. Körperverletzung durch unterlassene Hilfeleistung etwa. Deswegen dürfen Notfallsanitäter einerseits den Patienten mit allem Notwendigen versorgen, bis der Notarzt kommt, auch mit Medikamenten. Mehr noch, und das gilt für alle Rettungsdienstmitarbeiter: Sie müssen lebensbedrohliche Situationen mit all ihrem Wissen und Können bekämpfen.
Julia Roth, Hanna Wütz, Aleyna Durmus, Emily Gramer und Lucas Lang stellen sich als Auszubildende diesen Anforderungen. Einige Erfahrung haben sie schon: Ihr FSJ haben sie beim DRK abgeleistet und wurden dort schon zu Rettungssanitätern ausgebildet. Das ist eine dreimonatige Grundausbildung. Bis zum Notfallsanitäter haben sie noch einen langen Weg vor sich.
50
Bewerbungen lagen dem DRK-Kreisverband für nur fünf Ausbildungsplätze zum Notfallsanitäter oder zur Notfallsanitäterin vor. Die Ausbildung dauert drei Jahre.