Nach der Gemeinderatssitzung am Mittwochabend im Rathaus Dotternhausen steht nach einigen Plädoyers dafür und dagegen fest: In das Gasthaus Hirsch in der Hauptstraße werden keine unbegleiteten minderjährigen Ausländer (UMA) einziehen. Die Sorge der Dotternhausener vor den Konsequenzen einer Unterbringung sei zu groß, begründen einige Gemeinderäte ihre Entscheidung.
Wie groß das Interesse ist, zeigen die Bürgerinnen und Bürger, die zur öffentlichen Sitzung kommen. Es müssen noch zusätzliche Stühle im Sitzungssaal aufgestellt werden, damit jeder einen Platz findet. Auch am runden Tisch der Bürgermeisterin und der Gemeinderätinnen und Gemeinderäte sitzen mehr Menschen als sonst. Landrat Günther-Martin Pauli, Sozialdezernent Georg Link und Michael Weier, stellvertretender Jugendamtsleiter, sind dabei, ebenso André Guzzardo sowie Silke Brobeil vom Diasporahaus Bietenhausen (DHB). Sie alle werben dafür, dass im Gasthaus Hirsch UMA untergebracht werden.

Gemeinderat Dotternhausen lehnt Unterbringung ab

Denn die Zahl der ankommenden Flüchtlinge im Zollernalbkreis steigt wieder. Es habe im Kreis schon viel Unterstützung gegeben, sagt Landrat Pauli, zum Beispiel in der Jugendherberge in Lochen (wir berichteten). Die Flüchtlingsunterbringung habe im Kreis bisher geräuschlos und unfallfrei stattgefunden – in Dotternhausen läuft es dann aber anders, die Gemeinderäte lehnen die Unterbringung der UMA im Hirsch ab. Es hätte sich um zwölf männliche Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren gehandelt, die aus Afghanistan und Syrien kommen und durch das Diasporahaus betreut worden wären – allerdings nicht in der Nacht und nicht am Wochenende.

Gräben in der Gemeinde Dotternhausen seien zu groß

„Mir liegt das Problem sehr auf dem Magen“, sagt Gemeinderätin Ilse Ringwald. Sie hält nach wie vor an dem Plan, den Hirsch wieder als Gaststätte zu nutzen, fest. Es gebe Interessenten, den Hirsch zu kaufen und „daraus etwas zu machen“, sagt Ringwald. Die Pläne, dort jetzt UMA unterzubringen, lehnt sie entschieden ab. „Warum müssen es UMA sein?“, fragt Ringwald. „Unbegleitete, minderjährige, männliche Ausländer.“ Seit 2015 gehe schon eine Spaltung durch Dotternhausen. Bürgerinnen und Bürger hätten sich an sie gewendet und ihre Sorgen um einen solchen Einzug in den Hirsch ausgesprochen.
Als Ringwald endet, applaudieren die Zuschauerinnen und Zuschauer im Sitzungssaal. Silke Brobeil vom DHB fragt, welche Bedrohung von den Unbegleiteten ausgehe. Das führt zu Unruhe im Publikum. „Gucken Sie kein Fernsehen?“, ruft ein Zuschauer, und „Lesen Sie keine Zeitung?“ ein anderer. Bürgermeisterin Maier mahnt zu Ruhe. „Es gibt genug Berichte“, sagt Ringwald. Es reiche ein einziger Fall, egal, um welches Delikt es sich handle. „Wir sind ein kleines Dorf. Manche Gräben lassen sich nicht mehr zuschütten.“ Gäste wie André Guzzardo halten dagegen: „Wir reden hier von Menschen, die in Not sind. Wenn man sie kennenlernt, die Gesichter sieht: Die Leute sind motiviert, in Arbeit zu kommen.“

Landrat Pauli hofft auf keinen Dominoeffekt

Die Tatsache, dass die Jugendlichen nachts und am Wochenende nicht betreut würden und auch keine Betreuung in Laufweite sei, ist für einige Gemeinderäte das größte Problem. „Unsere Gemeinde ist total konfliktgeladen“, sagt Gemeinderätin Elisabeth Menholz. Der Gasthof liege mitten im Ort. „Das tue ich den Dotternhausenern nicht an.“ Auch der Verwaltung könne man nicht noch mehr Arbeit zumuten.
Stellvertretender Jugendamtsleiter Michael Weier, selbst aus Dotternhausen, erinnert daran, dass die jungen Unbegleiteten, um die es geht, aktuell Plätze im DHB belegen. „Wenn akut ein Kind in Not ist und aus einer Familie rausmuss, dann muss es aktuell auf dem Sofa schlafen“, sagt Weier. Deswegen sei der Druck groß, die Jugendlichen woanders unterzubringen. Umstimmen lässt sich in dieser Sitzung aber niemand. Bei der Abstimmung sind es sieben Nein-Stimmen, drei Ja-Stimmen und eine Enthaltung. Bürgermeisterin Marion Maier stimmt für die Unterbringung. „Weil ich die kommunalpolitische Notwendigkeit sehe“, sagt sie.
„Wir sind nicht begeistert“, sagt Landrat Pauli zur Entscheidung der Gemeinderäte. Aber: „Wir respektieren die Meinung.“ Er hoffe nun darauf, dass das Votum gegen die Unterbringung keinen Dominoeffekt auslöse, wenn andere Gemeinden vor derselben Entscheidung stehen.

Ereignisse um das Gasthaus Hirsch

Im Dezember 2020 kaufte die Gemeinde das Gasthaus Hirsch. Zunächst sollte dort wieder eine Gaststätte und/oder Wohnungen installiert werden – was sich durch die Pandemie zerschlug. Mit der Ankunft ukrainischer Flüchtlinge bat das Landratsamt, im Gasthof ukrainische Waisenkinder unterzubringen. Es kamen aber keine Verbünde mit Gruppen aus Kinderheimen an. Ein weiteres Projekt zur Inobhutnahme von Kindern in Not scheiterte ebenfalls.