Ein familiäres Betriebsklima, eine Vergütung mit Boni, gemeinsame Aktivitäten, Obst, Getränke, ein Pudel zum Streicheln: Vor etwas mehr als zwei Jahren hat das Ehepaar Klaffschenkel den in Onstmettingen wohlbekannten Metallbaubetrieb Gustav Boss übernommen. Es war der erste Herbst in der Pandemie, Immobilieneigentümer widmeten sich ihren vier Wänden und das Auftragsbuch füllte sich entsprechend gut. Vom ersten Tag an, so erinnert sich Ralf Klaffschenkel, habe man den Arbeitsplatz für die heute vierköpfige Belegschaft angenehmem gestalten wollen.
Denn gerne hätte er in seiner Werkstatt noch ein paar mehr ausgebildete Köpfe, bevorzugt jene, die selbstständig und initiativ gepolt seien. Genau die aber gibt der Arbeitnehmermarkt zurzeit kaum her: „Gerade läuft es sehr ruhig, deshalb passt das schon. Aber wenn jetzt ein qualifizierter Schlosser vor der Tür steht, würde ich den ungern wieder fort schicken“, so der Metallbaumeister aus dem Kreis Rottenburg.
Mehr Jugendliche ohne Schulabschluss
Gustav Boss bedient vor allem Privatkunden, und die Inflation habe die Nachfrage merklich gebremst. Dennoch hoffen die Klaffschenkels wie auch zahlreiche andere auf kompetente Verstärkung. Die Agentur für Arbeit Balingen verzeichnete im Februar 242 offene Stellen in der Branche der Metallbearbeitung. Mehr Menschen werden im Zollernalbkreis nur noch im Maschinenbau, im Verkauf und an oberster Stelle in der Lagerwirtschaft einschließlich Post, Zustellung und Güterumschlag gesucht.
2621 unbesetzte Stellen im Zollernalbkreis
Den insgesamt 2621 unbesetzten Arbeitsplätzen im Kreis stehen 4732 gemeldete Arbeitssuchende gegenüber (Stand Februar). Das ist knapp ein Viertel mehr als noch vor einem Jahr. „Uns wurden deutlich mehr Stellen gemeldet als zum Jahresauftakt“, vermeldet die Leiterin der Arbeitsagentur, Anke Traber. Das Stellenangebot sei noch dazu breit gefächert, trotzdem geht die Zahl der Arbeitslosen seit knapp einem halben Jahr nicht zurück.
Mehr neue Arbeitslose, nicht nur wegen Zuwanderung
Das liege laut Pressesprecher Rolf Gehring vor allem am Zustrom infolge des Krieges: Von den gemeldeten Arbeitssuchenden handelt es sich in aktuell 733 Fällen um Ukrainerinnen und Ukrainer. Das bedeutet mit Blick auf die Zahl im Februar des vergangenen Jahres (3680 Arbeitssuchende) allerdings noch immer einen Zuwachs von mehr als 300 Arbeitslosen ohne diesen Fluchthintergrund. Bezüglich der Schulabgänger merkt Anke Traber an, dass die Zahl der Jugendlichen ohne Abschluss, möglicherweise eine Folge von Corona, für 2022 höher als üblich liege: „Da müssen die Schulsozialarbeiter dringend dran bleiben.“ Erfreulich entwickelte sich indes die Zahl der Langzeitarbeitslosen (aktuell 1238), die sich um acht Prozent verringerte.
Stellensuche: Bewerber bringen nicht die passenden Qualifikationen
Nicht vonseiten der Ukrainer, wohl aber von anderen Geflüchteten haben Ralf und Alexandra Klaffschenkel in der Vergangenheit Arbeitsgesuche erhalten. Das in der Arbeitsagentur bekannte Problem: Qualifikation und Anforderung wollten sich partout nicht decken, auch nicht bei deutschstämmigen Kandidaten: „Gerade in der Werkstatt ist es ein richtiges Problem, Leute zu finden“, beklagt der Geschäftsführer, der am 1. März dafür eine neue Bürofachkraft begrüßen konnte.
Unterstützung erhielten die drei Handwerker in der Thanheimer Straße zuletzt im September durch einen ersehnten Lehrling. Dafür hatte Alexandra Klaffschenkel gesorgt, die über Monate hinweg Jobbörsen inspizierte. Schwierigkeiten bei der Suche bestünden immer wieder darin, dass selbst im Handwerk die Bereitschaft zur körperlichen Arbeit bei den Jüngeren nur schwach ausgeprägt sei. Wer dann noch seinen Weg in das Handwerk finde, bevorzuge Standorte in den größeren Städten oder besonders namhafte Arbeitgeber.
Ausbildungsstelle oder doch höherer Schulabschluss?
Aus den Schulen wiederum wisse Anke Traber zu berichten, dass allzu viele einen möglichst hohen Abschluss verfolgten. Nicht zwingend aus Interesse, sondern in der Überzeugung, später davon zu profitieren. Das fördere nur die Zahl an Absolventen mit eher bescheidenen Resultaten, während viele Ausbildungsstellen unbesetzt blieben. Fest steht jedenfalls, dass die Beschäftigung im Landkreis wächst – immer weniger Arbeitsplätze aber für Ungelernte zur Verfügung stehen.
Die aktuelle Lage auf dem Arbeitsmarkt
Stand Februar 2023 liegt die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen im Zollernalbkreis bei 4732. Davon entfallen 1428 Personen auf Hechingen, 1200 auf Balingen, 2104 auf Albstadt.
In der Agentur für Arbeit Balingen werden von diesen Personen 2010 betreut, im Jobcenter sind es 2720. Erste Anlaufstelle ist dann relevant, wenn eine Person arbeitslos geworden ist und im Vorfeld in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat. Im Jobcenter geht es zusätzlich zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt auch darum, den Lebensunterhalt zu sichern (Bürgergeld).
Die Arbeitslosenquote beträgt im Landkreis aktuell 4,4 Prozent. Dieser Wert drückt das Verhältnis von Arbeitslosen zur Zahl aller Erwerbspersonen (Erwerbstätige und Arbeitslose ab 15 Jahren) aus.