Neben dem Haus steht ein kleiner, alter Bollerwagen, daneben lehnt ein Fahrrad, auf einem Regal thront eine Gießkanne. All diese Dinge befinden sich in einem Garten in Balingen – doch sie sind auch im Internet zu sehen. Denn seit knapp einem halben Jahr bietet die Karten-App von Apple, die unter anderem auf dem iPhone genutzt werden kann, für große Teile Deutschlands eine 3D-Foto-Ansicht. Auch im Zollernalbkreis waren die Kameraautos des Smartphone-Herstellers schon unterwegs, haben Straßen und Häuser fotografiert und Daten über die Region gesammelt. Dadurch ist es möglich, den Landkreis auf dem Handy oder Tablet mit hochauflösenden Fotos zu erkundigen – Fotos, auf denen auch von der Straße aus sichtbare Wohnhäuser, Gärten und Terrassen abgebildet werden.
Vor mehr als zwölf Jahren hatte Google in Deutschland einen ähnlichen Ansatz verfolgt. Doch der Dienst „Street View“ stieß hierzulande auf extrem großen Widerstand: Viele Menschen sahen ihre Privatsphäre verletzt, weil Google für 20 deutsche Städte 3D-Foto-Ansichten veröffentlichte, auf denen ebenfalls Privathäuser zu sehen waren. Damals machten gar Sorgen die Runde, Einbrecher könnten mit den Aufnahmen Häuser auskundschaften.
Google weitete seinen Dienst daraufhin in vielen Ländern aus, aber nicht in Deutschland. Die Folge: Wer Google Street View heute nutzt, kann sich zum Beispiel abgelegene Feldwege in den USA, Kenia oder Thailand ansehen, aber nicht die B 27 zwischen Balingen und Schömberg. Das wenige für den Zollernalbkreis verfügbare 3D-Bildmaterial in Googles Kartendienst stammt von Nutzerinnen und Nutzern, die ihre dreidimensionalen Aufnahmen selbst hochgeladen haben – zu sehen sind dort vor allem größere Straßen in den Städten und Sehenswürdigkeiten wie die Burg Hohenzollern.
Öffentlicher Aufschrei bleibt aus
Apples Funktion „Umsehen“ (auf Englisch „Look Around“) wiederum unterstützt selbst kleine Gemeinden in der Region mit relativ aktuellem Fotomaterial – im Fall des Zollernalbkreises stammen die Aufnahmen offenbar alle aus dem Jahr 2019. Ein öffentlicher Aufschrei scheint bis heute auszubleiben – das Landratsamt teilt auf Nachfrage der SÜDWEST PRESSE mit, dort seien bisher keine Beschwerden zur Umsehen-Funktion eingegangen.
In anderen Regionen Deutschlands sieht es ähnlich aus. Bundesweit ist das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht für Apples Kamerafahrten zuständig. In den ersten Wochen nach der Einführung des Dienstes im vergangenen Jahr gab es dort laut Präsident Michael Will „eine niedrige zweistellige Anzahl von Beschwerden“.
Will hatte im vergangenen Jahr erklärt, dass es in den meisten Beschwerde-Fällen darum gehe, dass Eigentümerinnen und Eigentümer davon ausgehen, Bilder ihres Hauses dürften „nur mit ihrer Einwilligung“ veröffentlicht werden. Diese Annahme ist aber falsch: Anbieter wie Apple und Google können solche Aufnahmen veröffentlichen, wenn sie zum Beispiel Gesichter und Autokennzeichen verpixeln. Das geschieht in den Systemen der Tech-Konzerne in der Regel automatisch – es kann aber zu Fehlern kommen. Vorgeschrieben ist, dass Betroffene in einem solchen Fall eine nachträgliche Verpixelung beantragen können. Außerdem muss es für Eigentümerinnen und Eigentümer möglich sein, zu beantragen, dass ihre Hausfassade oder ihr privates Grundstück online verpixelt dargestellt wird.
Keine Kamerafahrten im Jahr 2023 geplant
Apple informiert auf einer eigens eingerichteten Seite im Netz über seine Kamerafahrten und die Nutzung der Fotos. Dort heißt es unter anderem, Anträge auf Verpixelung – etwa von Häusern oder Nummernschildern – könnten per E-Mail eingereicht werden. Der US-Konzern macht keine Angaben darüber, wie häufig Betroffene von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Fest steht: Die überragende Mehrheit aller Häuser ist auf Apples Kartendienst nicht verpixelt – das gilt auch für den Zollernalbkreis.
Auf der offiziellen Website informiert das Unternehmen auch über geplante und durchgeführte Kamerafahrten in Deutschland. Demnach wurden im Mai und Juni 2022 neue Aufnahmen im Zollernalbkreis erstellt – veröffentlicht wurden diese Fotos bisher offenbar nicht. Die bei den Fahrten gesammelten Daten werden von Apple aber auch genutzt, um die Navigations- und Kartendaten zu verbessern. Für das Jahr 2023 sind nach derzeitigem Stand keine weiteren Aufnahmen in der Region geplant.
3D-Fotos der Region ansehen: So funktioniert es
Apples Funktion „Umsehen“ ist nur auf Geräten des US-Herstellers verfügbar – zum Beispiel auf iPhones und iPads. Wer die Funktion nutzen will, findet in der Karten-App von Apple am linken oder rechten Rand ein Fernglas, das „Umsehen“ aktiviert. Wird kein Fernglas angezeigt, muss der Nutzer womöglich weiter in die Karte hineinzoomen.
Auch Google bietet 3D-Ansichten in Deutschland an. In der Regel handelt es sich aber um Fotos, die Nutzerinnen und Nutzer von Google Maps selbst hochgeladen haben. Auf Google Maps kann der Dienst „Street View“ mit einem Klick auf das gelbe Männlein rechts unten aktiviert werden.