Zu viel Lärm und Schadstoffe, Laster, die sich nicht an Tonnage-Beschränkungen halten, Autofahrer, die ein Tempolimit für eine unverbindliche Empfehlung halten, Unfälle und Beinahe-Unfälle: All das ist ein Problem in Meßstetten, und wie sehr die Verkehrssituation die Bürgerinnen und Bürger nervt, das war am Mittwochabend in der Turn- und Festhalle zu spüren.
Aber die Stadt packt das Thema an. Vor gut einem Jahr hatte der Gemeinderat die Planungsgruppe SSW GmbH aus Ludwigsburg beauftragt, ein Integriertes Verkehrsentwicklungskonzept zu erarbeiten (wir berichteten). Im ersten Schritt machten die Planer eine Bestandsaufnahme des Ist-Zustandes, der jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. 

Handlungsdruck ist groß, aber Aktionismus soll nicht sein

„Das wird eines der wichtigsten kommunalpolitischen Themen des Jahres 2023“, stimmte Bürgermeister Frank Schroft die gut 50 Besucherinnen und Besucher in der Halle ein, „und ein sehr emotionales Thema dazu“. Der Handlungsbedarf sei sehr groß, aber man wolle nicht in blinden Aktionismus verfallen, sondern fundiert zu einer ganzheitlichen Betrachtung kommen. Und das in der Kernstadt und allen sechs Stadtteilen.
Will heißen: Es geht nicht nur um die Verbesserung der Verkehrssicherheit, sondern auch darum, die Wege für Radfahrer und Fußgänger besser und sicherer zu machen, das Parken in der Stadt besser zu organisieren und die Belastung durch Abgase und Lärm zu minimieren. Letzteres, nämlich der von der EU geforderte Einstieg in eine Lärmaktionsplanung, gab den Anstoß, das Thema umfassend anzugehen.

Über 14 000 Autos jeden Tag in der Ortsdurchfahrt

Dass die Verkehrsbelastung in der Meßstetter Kernstadt sehr hoch ist, belegte Andreas Weber von SSW mit Zahlen. Durch die Hauptstraße wälzen sich im Abschnitt zwischen Hossinger Straße und Bolgasse demnach mehr als 14 000 Fahrzeuge täglich. Die Zahlen wurden bereits im Jahr 2019 erhoben, als die Stadt in die Lärmaktionsplanung einstieg. Das war vor Corona, erläuterte der Planer, und der Verkehr sei inzwischen wieder ungefähr auf demselben Stand, man habe das überprüft.
Der Lärmschutz bietet hier eine Möglichkeit, die Geschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde zu reduzieren. Das ist möglich, wenn mehr als 8200 Fahrzeuge täglich gezählt werden, erläuterte Stadtbaumeister Claus Fecker. Bevor man diese Option zieht, gelte es aber, gut abzuwägen, welche Folgen das hätte. Der Verkehr kann sich dadurch auf Ausweichstrecken verlagern.
Die Aufgabe der Ludwigsburger Planer ist nun, die Folgen möglicher Eingriffe gegeneinander abzuwägen und dem Gemeinderat so eine Entscheidungsbasis zu liefern. Die Stellschrauben, an denen gedreht werden kann, sind zahlreich, und für alles gibt es Argumente dafür und dagegen.
Wo die Menschen in der Halle der Schuh drückt, daran ließen sie in der Frage- und Antwortrunde keinen Zweifel. Es kristallisierten sich einige neuralgische Punkte heraus.

Untere Talstraße

Die Untere Talstraße führt aus Richtung Lautlingen ins Meßstetter Zentrum. Sie hat bis zu 20 Prozent Steigung und ist oben kurvig und unübersichtlich. Fahrzeuge über 3,5 Tonnen dürfen sie eigentlich nicht benutzen. „Die unfallträchtigste Stelle Meßstettens“ nannte sie ein Zuhörer. Trotz Verbots würden sich schwere Lkw  den Hang hinauf und hinunterquälen. „Mindestens einmal im Monat kommt einer und muss rückwärts wieder runter, weil er oben keinen Gang mehr reinkriegt“, beschrieb der Anwohner.
Dass die Querung für Fußgänger, vor allem für Kinder, sicherer werden müsse, war einer Frau ein großes Anliegen: „Den Berg fährt niemand mit Tempo 50 hoch. Die fahren alle schneller“, klagt sie. Die Kurve sei schwer einsehbar, und wenn dann ein Auto heranbrause, werde es gefährlich.
Andreas Weber ging auf alle Punkte ein. Bauliche Maßnahmen scheiden aus seiner Sicht aus, denn die Talstraße ist eine sogenannte klassifizierte Straße, nämlich eine Kreisstraße, und da seien die Gestaltungsspielräume sehr eng, denn der Verkehrsfluss müsse aufrechterhalten werden.
In anderer Hinsicht konnte er Hoffnung machen: „Wir prüfen, ob aus Gründen der Verkehrssicherheit Tempo 30 möglich ist.“ „Es wäre schon gut, wenn dort 50 gefahren würde“, meinte eine Zuhörerin. Bürgermeister Frank Schroft will Kontakt zum Landratsamt aufnehmen, damit Tempomessungen gemacht werden. Ein stationärer Blitzer dagegen koste 100 000 bis 120 000 Euro. Bezahlen müsse das weitgehend die Stadt, die Einnahmen gingen aber an den Landkreis, das sei dann schon schwierig.

Hauptstraße/Ebinger Straße

Die Ortsdurchfahrt leidet unter bis zu 14 500 Fahrzeugen am Tag, besonders viele sind es auf der Hauptstraße zwischen Lauenstraße und Bolgasse. Ein Gefahrenpunkt liegt weiter oben, etwa in Höhe Volksbank. „Da kommt viel zusammen“, sagte eine Frau. „Die Bushaltestelle, die Abzweigung, und dann wird auch noch wild geparkt. Vor allem Kinder sind hier gefährdet.“ Ein Mann berichtete, er sei an der Fußgängerampel schon mal fast überfahren worden: „Die Autos kommen zu schnell von oben runter und können bei Rot nicht mehr richtig bremsen.“
Experte Weber sah Tempo 30 hier durchaus als Option, denn: „Je geringer die Geschwindigkeit, umso kürzer der Bremsweg.“ Die Bushaltestelle werde man nicht wegbekommen, wohl aber die wilden Parker: „Es gibt in dem Bereich genügend Parkplätze, aber oft wird aus Bequemlichkeit direkt vor dem Laden geparkt.“ Und wenn es häufig zu Ampelverstößen komme, könne man einen Blitzer in die Ampel einbauen.

Gartenstraße, Skistraße, Blumersbergstraße, Wildensteinstraße

Garten-, Ski- und Blumersbergstraße werden nach Aussage von Anwohnern teilweise als Ausweichstrecken genutzt. Tenor mehrerer Wortmeldungen: Wenn in der Haupt- und Ebinger Straße Tempo 30 kommt, dann muss es in diesen Straßen auch kommen. Sonst würde sich der Verkehr nur verlagern.
In der Skistraße liegt die Burgschule, in der Wildensteinstraße das Gymnasium. Hier sind Kinder auf dem Schulweg gefährdet, nicht zuletzt durch „Elterntaxis“, die für viel Verkehr sorgen. „Es muss möglich sein, aus allen Ortsteilen sicher zur Schule zu kommen“, forderte ein Lehrer am Gymnasium. Dazu gehört für ihn, dass die Gartenstraße für Radfahrer sicherer gemacht wird. Mittelfristig brauche es auch einen durchgehenden Radweg nach Hossingen.
Ein neuralgischer Punkt ist offenbar auch die Zufahrt zum Sport- und Freizeitgelände Blumersberg. „Wir haben hier so ein schönes Gelände, aber die Kinder können nicht gefahrlos hinkommen“, sagte ein Besucher. Bürgermeister Frank Schroft sagte, das Thema bewege ihn auch. Es sei geplant, im Zuge der Erschließung von Baugrundstücken auch Gehwege anzulegen. Vielleicht schaffe man es auch schon vorher. Links sei die Chance größer als rechts, da die Stadt dort schon im Besitz der Grundstücke sei.

Radwege-Planung

Es gibt viele ausgeschilderte Radwege in und um Meßstetten. Die sind zwar landschaftlich schön, aber nicht unbedingt für Alltagsradler geeignet. Für sie muss man etwas tun, sagt Andreas Weber. Derzeit leben Radfahrer auf der Ortsdurchfahrt gefährlich. Das Büro will prüfen, ob für einen 1,25 Meter breiten Radfahrer-Schutzstreifen der Platz in der Haupt- und Ebinger Straße ausreicht. Wenn hier insgesamt langsamer gefahren wird, steige auch die Verträglichkeit von Fahrrad- und Autoverkehr.

Ortsumgehung

Der Vorstellung, der Bau einer Ortsumgehung würde die Meßstetter Probleme lösen, erteilten sowohl Bürgermeister Schroft als auch Verkehrsexperte Weber eine Absage: „Ich sehe zurzeit kaum eine Chance, dass das realisiert wird, schon allein aus Gründen wie Finanzierung und Ökologie“, meint der SSW-Vertreter. Frank Schroft fügte noch das Problem Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken an. „Sie müssen die Situation jetzt verbessern“, empfahl Andreas Weber, und nicht auf eine Umgehung hoffen, die, wenn überhaupt, erst in 15 bis 20 Jahren kommen könnte“.

Infoabende in allen sechs Teilorten folgen

Der Gemeinderat hat die Planungsgruppe SSW mit der Erstellung eines Integrierten Verkehrsentwicklungskonzepts für die Gesamtstadt beauftragt. Für die Ortsdurchfahrt der Kernstadt wird auch ein Lärmaktionsplan der Stufe 3 erarbeitet.
Untersucht werden soll auch, welche zusätzlichen Verkehrsströme durch den künftigen Interkommunalen Industrie- und Gewerbepark Zollernalb im Geißbühl entstehen werden.
Die nächste Informations- und Diskussionsveranstaltung findet am Freitag, 3. März, im Teilort Hartheim statt, dann folgen am 6. März Unterdigisheim, am 7. März Hossingen, am 9. März Heinstetten, am 10. März Oberdigisheim und am 14. März Tieringen. Die Bürger sind hier auch gefragt.