Die meiste Zeit blickt der Angeklagte auf seine Hände. Er spricht leise, fasst sich kurz. Nur selten blickt er auf, um sich im Gerichtssaal umzusehen – diejenigen, die ihm Fragen stellen, sieht er meistens nicht an. Ob er sich vorstellen könne, komplett auf Alkohol zu verzichten, möchte der zuständige Gutachter von dem 25-Jährigen wissen. „Nein“, sagt der Angeklagte: „Es wäre gelogen, wenn ich ja sagen würden.“
Am Donnerstagnachmittag hat der Prozess gegen den jungen Mann vor dem Landgericht Hechingen begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Brandstiftung mit Todesfolge vor: In der Nacht vom 26. auf den 27. August 2022 soll er ein Feuer in einem Wohnzimmer in der Marktstraße in Gammertingen gelegt haben. Zu diesem Zeitpunkt schliefen vier Bewohner in dem mehrstöckigen Wohngebäude. Die Anklage geht deshalb davon aus, dass der Mann in Kauf genommen habe, dass sich das Feuer auf das gesamte Wohnzimmer ausbreiten und „zu einer erheblichen Rauchgas- und Rußentwicklung im gesamten Haus führen würde“.
Vollbrand reichte bis ins Treppenhaus
Tatsächlich entwickelte sich laut Staatsanwaltschaft ein Vollbrand, der bis ins Treppenhaus reichte – mit verheerenden Folgen. Zwei Personen erlitten leichte, zwei weitere Personen schwere Rauchgasvergiftungen. Diese beiden Männer wurden laut Staatsanwaltschaft bewusstlos, einer von ihnen – ein 55-Jähriger – starb noch vor Ort. Wenige Tage später wurde bekannt, dass die Polizei einen Tatverdächtigen festgenommen hatte.
Doch der 25-Jährige bestreitet die Tat – das erklärte sein Verteidiger gleich zu Beginn des Prozesses in Hechingen. Sein Mandant werde im Verfahren Angaben zu seiner Person machen, also etwa zu seinem Werdegang und seinem Alltag, nicht aber zum Tatvorwurf.
Geboren wurde der nun Angeklagte in Rumänien, nach eigenen Angaben kam er vermutlich im Jahr 2018 erstmals nach Deutschland, um hier zu arbeiten. Weil er einen Deutschkurs nicht abgeschlossen habe, sei er entlassen worden und dann kurzzeitig zurück nach Rumänien gezogen, erzählte der 25-Jährige auf Rumänisch – seine Aussagen übersetzt im Prozess eine Dolmetscherin. Vermutlich im Jahr 2019 sei er wieder nach Deutschland gekommen, um hier erneut zu arbeiten.
Sein Alltag, den der Mann im Gericht beschrieb, war offenbar eintönig: Er sei morgens aufgestanden, zur Arbeit gebracht worden, habe gearbeitet und sei wieder in die Wohnung gefahren worden. Dort habe er vier bis fünf Bier getrunken, mehrfach die Woche auch Hochprozentiges, um dann zu schlafen. Freunde habe er in Deutschland keine, als Hobbys nannte er beliebte Computerspiele, etwa Fortnite.
Obwohl er keinen Führerschein hatte, fuhr der junge Mann offenbar mehrfach mit Geschäftsautos von Kollegen. Dabei kam es zu zwei Autounfällen, beide Male war der heute 25-Jährige alkoholisiert. Auf die Frage, ob er sich als alkoholabhängig bezeichnen würde, sagte er im Gericht: „Ich könnte nicht nein sagen.“
Tausende Euro Schulden
Die Richter befragten den Angeklagten auch zu seiner finanziellen Situation. Nach eigenen Angaben hat der Mann Schulden in Höhe von knapp 30.000 Euro. „Das ist ja eine Menge Geld“, stellte der Vorsitzende Richter Hannes Breucker fest. Ganz so hoch scheinen die Schulden aber nicht zu sein: Der 25-Jährige erklärte im Gericht, er gehe davon aus, dass sich seine ursprünglichen Schulden von 1800 Euro bei einem Versandhaus monatlich verdoppeln würden – auf inzwischen rund 14.000 Euro. Was bleibt, sind die Schulden, die er nach eigenen Angaben aufgrund der Autounfälle abzahlen muss.
Am Ende des ersten Prozesstages informierte der Vorsitzende Richter die Anwesenden über den weiteren Verlauf des Verfahrens – derzeit sind drei weitere Verhandlungstage geplant. Es sollen viele Zeugen gehört werden, darunter auch der Polizist, der das erste Verhör mit dem damals 24-jährigen Tatverdächtigen geführt hatte.
Richter Breucker wandte sich auch noch einmal direkt an den Angeklagten: Dass er die Tat bestreite, werde im Falle eines Freispruchs keine weiteren Folgen haben, erklärte der Richter. Sollte es aber zu einer Verurteilung kommen, habe der 25-Jährige keine Strafmilderung zu erwarten, wenn ein Geständnis fehle. Der Angeklagte hatte zuvor ausgesagt, im Falle eines Freispruchs ein Ziel für die Zukunft zu haben: Er wolle eine Katzenzucht gründen.
Lange Haftstrafen bei Brandstiftung möglich
Dem jungen Mann aus Rumänien wirft die Staatsanwaltschaft Brandstiftung mit Todesfolge vor – sowie fahrlässige Körperverletzung in drei Fällen. Im Falle einer Verurteilung hätte er eine lange Haftstrafe zu erwarten.
Bereits für eine Brandstiftung ohne Todesfolge sind Haftstrafen bis zu zehn Jahren möglich. Bei einer Brandstiftung mit Todesfolge sieht das Gesetz eine Mindeststrafe von zehn Jahren vor – bis hin zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die Verhandlung wird am Montag, 13. Februar, fortgesetzt.