Während manche Menschen darüber debattieren, ob Lebensmittel fair gehandelt sind oder ökologisch erzeugt werden, haben viele andere Menschen ganz andere Sorgen. Sie haben gar nichts auf dem Teller. Auch in Deutschland. Ihnen ist das Fairtrade- oder Bio-Siegel relativ egal, solange sie überhaupt etwas zu essen haben.
„Für unsereins kaum vorstellbar“, gibt Ulrike Münster unumwunden zu. Sie ist Stadträtin in Albstadt und wohnt in Onstmettingen. Als Onstmettingerin hat sie nun die dortigen Vereine mobilisiert und als Stadträtin war sie vor einiger Zeit beim Tafelladen in Ebingen vor Ort, hat selbst Kundinnen und Kunden bedient und so die große Not in der eigenen Stadt kennengelernt. Ab heute werden in ganz Onstmettingen 2500 Papiertüten in die Briefkästen der Haushalte gesteckt in der Hoffnung, dass sie bis zum 15. Oktober mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln gefüllt und abgegeben werden.
Acht örtliche Vereine und die beiden Kirchengemeinden haben sich zusammengeschlossen, um die Not zu lindern. „Ihr macht ein Riesen-Fass auf. Das hat mich fast umgehauen. Allein schon der Wille und das Engagement sind bombastisch“, äußerte Harald Gerstenäcker, der Marktkoordinator der Albstädter Tafel, beim jüngsten Treffen. Mit der Inflation, angetrieben von Ukraine-Krieg und Energiekrise, steigen allerorten die Zahlen der Tafelnutzer, während die Spenden rückläufig sind, fasste Gerstenäcker kurz zusammen. Die Lebensmittelhändler, Bäcker und Metzger kalkulieren viel knapper als vor der Inflation. Dementsprechend bleiben auch weniger Lebensmittel für den Tafelläden übrig.

140 Nutzer pro Woche

Pro Woche verzeichnet die Tafel in Albstadt aber bis zu 140 Nutzer. Inzwischen werden schon Farbkarten ausgegeben, sodass die Nutzer im rotierenden System alle einmal in den Genuss von „vollen“ Regalen kommen, erläutert der Marktkoordinator der Tafel Albstadt. Denn dienstags und freitags, wenn sich die Türen der Tafel öffnen, gibt es eben nicht für alle Obst, Gemüse, Käse oder Butter. Die Nutzer, die alle einen Berechtigungsschein, ausgestellt von der Caritas, benötigen, stehen schon früh vor der Tür.
Keiner kann „horten“. Wenn vorhanden, dann gibt es eine Packung Kaffee, Mehl, Nudeln oder was auch immer – nicht mehrere. So bleibt auch für die nächsten Nutzer noch etwas. Und keiner bekommt die Ware geschenkt. „Der Preis liegt etwa bei einem Drittel des regulären Verkaufspreises“, erläutert Gerstenäcker. Er sucht übrigens nicht nur verzweifelt nach Waren, sondern auch nach ehrenamtlichen Helfern. Beim Treffen in Onstmettingen hat er Roza Güler dabei, die ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert.

3000 Tüten wurden gefaltet

Ulrike Münster konnte ihre Mitstreiter überzeugen, dass man die Tafel unterstützen müsse. „Hoffentlich ist das nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, wird die Sorge in der Runde geäußert. Doch alle lassen sich mitreißen. Alle krempeln die Ärmel hoch. Die evangelische und die katholische Kirchengemeinde haben gemeinsam die insgesamt 3000 braunen Papiertüten gesponsert. Die 3000 Flyer mit Erläuterungen hat eine Druckerei kostenfrei gedruckt. Und die Ehrenamtlichen des Deutschen Roten Kreuzes, Ortsgruppe Onstmettingen, haben beides zusammengefügt – die Flyer an die Tüten getackert und gefaltet, damit sie in die Briefkästen passen.

2500 Haushalte sind gefordert

Geschätzt gibt es 2500 Haushalte in Onstmettingen, aber man hat nochmals 500 Tüten in Reserve, so Ulrike Münster, die überwältigt ist, dass alle ihrem Aufruf gefolgt sind. Die Idee zur Aktion „Onstmettingen zeigt Herz für die Tafel“ entstand schon im November, als sie der Tafel erstmals als Stadträtin einen Besuch abstattete. Dann nutzte sie den jährlichen Austausch der Vereine in ihrem Heimatort, um von ihren Erfahrungen zu berichten. Die Umsetzung einer solchen Spendenaktion bereitete noch vielen Kopfzerbrechen, sodass Münster nochmals bei den beiden Sprechern der Vereine, Gunnar Dieringer und Franz Jerger, nachhakte. Im Juli war dann die Zusammenkunft, in der man Nägel mit Köpfen machen wollte. „Ohne euch wäre es nicht gegangen“, ist Ulrike Münster begeistert,
Nun hofft man auf viele haltbare Lebensmittel und Hygieneartikel wie Shampoo, Zahnpasta oder Creme in den Tüten und hoffentlich auch Spendengelder auf dem eigens eingerichteten Konto. Bis 15. Oktober wird gesammelt und am 19. Oktober alles an die Tafel in der Bühlstraße 7 in Ebingen übergeben. Man kann natürlich noch weitere Tüten und Kartons mit Spenden füllen.

Abgabestellen für die vollen Tüten und Kartons

Bis zum 15. Oktober kann man die vollen Spendentüten hier abgeben:
montags zwischen 17 und 18.30 Uhr bei der Geschäftsstelle des Turnvereins Onstmettingen in der Hölderlinstraße 104,
samstags und sonntags zwischen 14 und 17 Uhr beim Philipp-Matthäus-Hahn-Museum in der Albert-Sauter-Straße 15,
montags bis sonntags von 8 bis 19 Uhr in der evangelischen und der katholischen Kirche,
donnerstags von 15 bis 17 Uhr beim DRK Magazin in der Hauptstraße 3.