Die Deutschen stehen auf den Tod. Zumindest, wenn es um die meistverkauften Bücher und populärsten Filme geht. Laut Statista hat 2018 mehr als jeder zweite Deutsche (45,6 Millionen) gerne Krimisendungen im Fernsehen gesehen. Dass dieser Trend auch weiterhin besteht, zeigt ein Blick ins Fernseh- und Streaming-Programm. Fast täglich gibt es eine neue Krimisendung. Trotz dieser Faszination von Sterben und Tod sind diese Themen herausgenommen aus der Fiktion und Bildschirm noch immer Tabu in unserer Gesellschaft. Noch immer oder erst jetzt?
„Viele wissen gar nicht mehr, dass man Verstorbene zu Hause bis zu 48 Stunden aufbahren darf“, sagt Birgit Beck. Die Koordinatorin und Einsatzleiterin der Hospizgruppe Albstadt erklärt, dass das viele Jahre eine Selbstverständlichkeit für unsere Gesellschaft war. Bei der Waschung des Leichnams haben früher ebenfalls Angehörige geholfen. Heute ist das eine Seltenheit. Mit dem Wegfall solcher Traditionen wurde allerdings der Trauerprozess verkürzt. Etwas, das vielen Angehörigen schwerfällt, bemerken Beck und ihre Leiterkollegin Ulrike Fischer. „Es macht etwas mit einem, wenn man diesen Trauerprozess nicht durchgehen kann“, sagt Fischer.
Tabuthema: der Tod
Warum aber ist die Auseinandersetzung mit den Themen Sterben, Tod und Trauer teils nicht mehr in unserer Gesellschaft verankert? Die Gründe sind vielseitig. Dank der Medizin werden wir älter, sterben seltener an Krankheiten, die einen früher schon in jungen Jahren das Leben nahmen. Manche Menschen sehen sich glücklicherweise lange Zeit nicht mit dem Tod konfrontiert. Pflegeheime und -dienste, Krankenhäuser, Hospizen sind eine große Stützte, wenn es um die Pflege von Sterbenden geht, aber sie ermöglichen auch, sie als Angehöriger fernzuhalten. Denn diese Themen wecken Unsicherheit und Ängste in uns. Geliebte Menschen zu verlieren oder gar an den eigenen Tod zu denken, ist keine schöne Vorstellung – Verdrängung die einfachste Lösung.
Dass das aber auch zu Problemen führen kann, erleben Beck und Fischer mit der Hospizgruppe. Diese begleitet Sterbende, aber auch deren Angehörige. Nicht selten hat zwischen dem Sterbenden und den Angehörigen zuvor kein Gespräch über das Ableben stattgefunden. Patienten- und Betreuungsverfügung, Vorsorgevollmacht, die Art der Bestattung – Themen, die noch nie angesprochen worden sind und nun innerhalb kürzester Zeit und in einer emotionalen Ausnahmesituation geklärt werden müssen.
Wie aber schafft man es, dieses Thema wieder in die Mitte der Gesellschaft zu bringen, ohne dabei Ängste zu schüren? Die Albstädter Hospizgruppe wagt einen Versuch, mit einer Karikaturenausstellung zu Sterben, Tod und Trauer. Humor könne den Umgang mit Leben und Sterben erleichtern. „Das Thema Tod wurde an den Rand der Gesellschaft gedrückt. Wir wollen uns diesem Thema auch humoristisch wieder nähern“, erklärt Beck.
Sich mit dem Tod auseinandersetzen
In der Stadtbücherei Ebingen möchte die Hospizgruppe dazu anregen, sich mit dem letzten Teil des Lebens auseinanderzusetzen und einen etwas anderen Zugang zum Themenkomplex anbieten. Die Ausstellung zeige, dass es möglich ist, über Sterben und Trauer zu lachen. Die Karikaturen machen Witze über Demenz, Sterbeängste und Begräbniskultur. Sie sollen damit zeigen, wie befreiend es sein kann, über das Unvermeidliche Witze zu machen.
83 Karikaturen von 43 Künstlern aus Europa, aber auch aus Kolumbien, dem Iran, Argentinien und Russland werden ab sofort ausgestellt. „Die Ausstellung war noch nie im Zollernalbkreis“, sagt Ulrike Fischer. 2012 wurde sie erstmals in Bamberg gezeigt. Anlass war das Zehnjährige der dortigen Hospiz-Akademie. Seitdem ist sie eine Wanderausstellung. „Vor Corona war sie sehr beliebt und es war schwierig, einen Termin zu bekommen“, verrät Fischer. Organisiert hatte die Ausstellung ihre Vorgängerin Regina Birk. Sie hätte bereits 2020 gezeigt werden sollen, doch die Pandemie verzögerte dies. 2022 hielt man sich aufgrund des Krieges zurück. Jetzt aber sei die Zeit gekommen und mit der Stadtbücherei hat die Hospizgruppe einen starken Partner an der Seite.
„Wir sind immer offen für solche Ausstellungen“, sagt Tanja Wachter, Leiterin der Stadtbücherei. Es sei die Aufgabe einer Bücherei, Öffentlichkeit für unterschiedlichste Themen herzustellen, zum Nachdenken und zur Diskussion anzuregen und so den Austausch zu fördern. „Es ist unglaublich bereichernd“, sagt Wachter über derartige Kooperationen.
Ausstellung noch bis 27. Mai zu sehen
Die Karikaturausstellung ist bis Samstag, 27. Mai, in der Stadtbücherei Ebingen, Johannesstraße 5, zu sehen. Offiziell ist die Ausstellung ab Dienstag, 9. Mai, eröffnet, doch schon jetzt ist sie aufgebaut. Sie kann zu den Öffnungszeiten kostenlos besichtigt werden: dienstags bis freitags jeweils von 10.30 bis 18.30 Uhr und samstags von 10 bis 14 Uhr.
Möglich ist die Ausstellung nur dank des Fördervereins der Hospizgruppe und der Stadtbücherei. Der Förderverein kommt für die 500 Euro Ausleihgebühren und den Transport der Ausstellung auf. Denn sowohl das Abholen als auch das Zurückbringen nach Bamberg musste die Gruppe selbst finanzieren und stemmen. „Das war ein Riesenaufwand“, sagt Ulrike Fischer.
Um dieses Geld möglichst wieder reinzuholen, ist in der Bücherei eine alte Wahlurne zur Spendenkasse umfunktioniert worden. Außerdem kann der Katalog zur Ausstellung für fünf Euro in der Bücherei oder beim Osiander erworben werden. Ein Teil des Erlöses geht an die Hospizgruppe. Die Stadtbücherei verlangt zudem ebenfalls keine Miete für die Räumlichkeiten. „Es wäre uns sonst nicht möglich, die Ausstellung zu zeigen“, so Fischer. Weitere Informationen gibt es online.
hospizgruppe.ev-kirche-ebingen.de
www.albstadt.de/Stadtbuecherei
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