ChatGPT, soll ich meine Hausarbeit für die Hochschule selbst verfassen? „Die Hausarbeit ist eine wichtige Möglichkeit für Sie, Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten in einem bestimmten Fachgebiet zu demonstrieren und zu zeigen, dass Sie in der Lage sind, unabhängig zu denken und zu arbeiten.“ Er ist schon verdammt clever, der Chatbot von OpenAI (und Microsoft als Investor). „Das Abgeben einer Arbeit, die nicht von Ihnen selbst geschrieben wurde, ist ein Verstoß gegen akademische Integrität und kann schwerwiegende Konsequenzen haben, wie zum Beispiel eine Bestrafung durch Ihre Hochschule oder sogar den Ausschluss.“
Die Texte, die der gehypte Chatbot verfasst, sind extrem gut. So gut, dass ChatGPT viele Chancen bietet, aber einige Branchen auch vor große Herausforderungen stellt. Für Universitäten und Hochschulen bedeutet die KI vor allem: sie müssen ihre Prüfungsformen hinterfragen und anpassen. Prof. Dr. Jesko Elsner hat den Chatbot aus Interesse mit seinen Klausuren aus den letzten Jahren gefüttert – „und er hat fast alle Prüfungen bestanden.“

Experte warnte bereits vor der Prüfungszeit

Universitäten und Hochschulen müssen einen Weg finden, mit der von Microsoft entwickelten KI umzugehen. Dass ChatGPT einen derartigen Einfluss auf viele Bereiche hat, überrascht Elsner, Prorektor für Studium und Lehre an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, keineswegs. Der Experte für KI kennt das gesamte Angebot von OpenAI, nicht nur den Chatbot. „Dieser repräsentiert nur etwa zehn Prozent der Leistungsfähigkeit – da wird also noch mehr auf uns zukommen.“
Umso unverständlicher waren für Elsner die Rückmeldungen, als er bereits im September gewarnt hatte: „Da müssen wir uns für die Prüfungszeit warm anziehen.“ Doch die Reaktion einiger Kolleginnen und Kollegen war aus seiner Sicht ernüchternd: Schlichte Unkenntnis über die Fähigkeiten des Chatbots seien das eine, „dass man aber sagt: ‚diese Technik verbieten wir dann einfach‘, ist erschreckend“. Manch einer habe die KI sogar mit „Karl Klammer“, der helfenden Heftklammer von Word verglichen.

ChatGPT „schnellstmöglich ins Lehrprogramm aufnehmen“

ChatGPT zu verbieten, ist schlicht nicht möglich – und für Prof. Jesko Elsner auch nicht zielführend. „Als technisch ausgerichtete Hochschule können wir uns diesem Tool doch nicht verschließen. Im Gegenteil: es muss schnellstmöglich in das Lehrprogramm, sowohl für Lehrende als auch für Studierende.“
Als Experte für Künstliche Intelligenz sieht Elsner die Software schlicht als Weiterentwicklung der Digitalisierung – und vor der müsse man keine Angst haben. Das Wissen sei ohnehin für alle seit Jahren im Internet zugänglich. „Was diese KI extrem gut macht, ist Filtern: Sie sucht in dieser gewaltigen Datenmenge die Informationen heraus, die wirklich wichtig sind. Das ganze Unbrauchbare bleibt außen vor.“ Wird der Chatbot mit den richtigen Fragen oder einem konkreten Auftrag gefüttert, hilft er folglich dabei, sich im Dschungel des Internets zurechtzufinden.

KI, um KI zu erkennen

Doch sind wissenschaftliche Arbeiten, die die KI generiert, wirklich nicht von menschlicher Recherche und selbst verfassten Aufsätzen zu unterscheiden? Elsners klare Antwort: Nein. „Da der generierte Text im Normalfall noch durch Menschenhand angepasst beziehungsweise optimiert wird, ist eine Erkennung schlichtweg unmöglich.“

Falsches Komma, um KI zu „verstecken“

Natürlich haben die Texte von ChatGPT Schwächen – und diese decken wiederum andere KI-gesteuerte Tools auf. Mit solchen Tools könnten Professoren nachprüfen, ob eine Studienarbeit selbst verfasst oder schlicht vom Chatbot kopiert wurde. „Derartige Tools analysieren aktuell im Wesentlichen den Satzbau und lassen sich durch minimale Änderungen sehr leicht täuschen“, erklärt der Prorektor der Hochschule Albstadt-Sigmaringen. Doch Elsner schränkt sofort ein: „Kein Studierender würde den Text eins zu eins übernehmen. Und allein, wenn man ein Komma durch einen Punkt ersetzt, oder sogar bewusst ein Komma falsch setzt, denken die Tools: Oh, das muss ein von einem Menschen geschriebener Text sein.“
Die logische Folge: Schriftliche Hausarbeiten von Studierenden verlieren an Bedeutung. Denn wenn sich kaum nachprüfen lässt, ob ein Student seinen Text selbst geschrieben hat oder nicht, müssen Hochschulen andere Wege der Benotung finden. „Hausarbeiten lassen sich nicht aus dem Studienalltag entfernen, das ist illusorisch“, sagt Prof. Elsner. Doch was Studierenden „droht“: sie müssen ihre schriftlich abgegebene Arbeit mündlich verteidigen. „Das wird mit Sicherheit eine wichtige Anpassung der Prüfungsform sein.“
Das Argument, Studis könnten sich mit ChatGPT auf diese mündliche Verteidigung vorbereiten, ist für Elsner dabei sogar positiv. „Wenn jemand alles, was der Chatbot verfasst hat, verstanden hat, ist das doch klasse. Sich Wissen anzueignen und sich selbst Gedanken zu machen, ist der Sinn eines Studiums.“

ChatGPT rechtfertigt ChatGPT

Für Elsner und seine Kolleginnen und Kollegen im Prorektorenkreis geht es nun darum, dem Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst eine Empfehlung vorzulegen, wie Hochschulen mit ChatGPT vor allem hinsichtlich von Prüfungen umgehen sollen. Wenn man den Chatbot selbst fragt, ob er an Universitäten und Hochschulen verboten werden sollte, sagt dieser übrigens: „Als KI-Chatbot habe ich keine Möglichkeit, die Nutzung meiner Dienste zu verbieten oder zu überwachen. Letztendlich liegt es in der Verantwortung jedes Einzelnen, ethisch zu handeln und akademische Integrität zu wahren, wenn es um das Verfassen von Hausarbeiten geht.“

Wissensstand aus dem September 2021

Der Chatbot ChatGPT von OpenAI und Microsoft fasziniert viele Menschen. Doch die Schwächen sind laut Prof. Dr. Jesko Elsner, Prorektor Studium und Lehre an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, offensichtlich. Eine davon: Der Wissensstand von ChatGPT basiert auf den Informationen im Internet aus dem September 2021. „Es ist keine Intelligenz, die Zukunftsvoraussagen erstellen kann“, sagt Elsner. „Die KI reflektiert sozusagen das öffentlich im Internet verfügbare Wissen zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit. Das heißt nicht, dass das System sich nicht weiterentwickelt und dazu lernt.“