Eine Geisterstadt – das ist eine Schreckensvision für Albstadts künftigen Oberbürgermeister Roland Tralmer. So weit ist es natürlich noch lange nicht, aber so weit soll es auch nicht kommen. Daher startet die Kommune nun eine Gründungs-Offensive, um die Ebinger Innenstadt wirtschaftlich zu beleben. Im Mittelpunkt steht der Gründerpreis 2023.
Überall in Deutschland stehen die Innenstädte vor gewaltigen Problemen, vor allem durch die heftige Online-Konkurrenz und die noch immer spürbaren Folgen der Corona-Pandemie oder durch die Teuerung. Handelsketten gehen pleite oder ziehen sich zumindest aus der Fläche zurück. Inhabergeführte Geschäfte und Lokale schließen allerorten – manche aus Altersgründen; manche, weil sie keine Nachfolger finden; manche, weil sie sich schlicht nicht mehr rentieren.

Erhebliche Leerstände

In Albstadt haben die Tchibo-Filiale und andere Läden zugemacht, es gibt erhebliche Leerstände. Tralmer will ein zukunftsfähiges Konzept, um die Innenstadt zu beleben: „in Bezug auf Handel und Gastronomie, aber auch auf die Lebens- und Aufenthaltsqualität“. Mit der Gründungs-Offensive soll eine „Ermächtigungskultur“ geschaffen werden.
Abgekürzt wird das Projekt Gründungs-Offensive mit „GO-Albstadt“: Es soll ja was vorangehen. Konkret werden nun drei Gründerpreise ausgeschrieben: für einen Laden, für eine Dienstleistung und für einen gastronomischen Betrieb. Zugesagt wird den Gewinnern „fachkompetente Unterstützung, ein funktionierendes Netzwerk und attraktive Räumlichkeiten mitten in Altstadt-Ebingen“.

Marktstraße 56 und das Kouzino

Im Mittelpunkt des Vorhabens steht das Haus Marktstraße 56, in das bis zum Frühherbst auch das Albstädter Citymanagement einzieht. Im Obergeschoss ist reichlich Platz für Gründer, dort soll im Lauf der Zeit ein regelrechter Gründer-Hub entstehen, denn es gibt eine Bürolandschaft Platz für bis zu zehn Einheiten, erläutert Andreas Hödl.
Hödl ist Wirtschaftsförderer der Stadt Albstadt und hat den Wettbewerb gemeinsam mit Christine Seizinger (Contento PR) konzipiert. Das Citymanagement soll die Gründer auch betreuen, geplant ist zudem ein Mentoring-Programm.
Einer der Sieger erhält also ein komplett ausgestattetes Büro im Obergeschoss des Hauses: für ein Start-up, für ein Dienstleistungsunternehmen oder für eine Idee aus Kreativbranche.
Für den zweiten Gewinner stehen im Erdgeschoss 54 Quadratmeter Ladenflächen zur Verfügung. Es ist also eine Art „Test-Store“, ein „Shop in Shop“, und wenn es dort läuft, wird für den Gründer dann eine eigene Ladenfläche in der Innenstadt gesucht.

Auf ein Jahr ausgelegt

Ein halbes Jahr werden die Gewinner mietfrei in den Räumen unterkommen, auch alle Mietnebenkosten werden übernommen; ein weiteres halbes Jahr wird die Miete zur Hälfte übernommen – das Gründer-Projekt ist also zunächst auf zwölf Monate ausgelegt, dann wird evaluiert. Das gilt auch für den dritten Gewinner: für eine Gastro-Idee.
Denn gerade zur Mittagszeit mangelt es in der Innenstadt an neuen, qualitätsvollen Angeboten, sagt Hödl. Der Sieger des „Gründerpreis Gastro“ kann im Kouzino (Untere Vorstadt 37) sein eigenes Lokal eröffnen: mit 30 Innen- und 35 Außenplätzen, mit Küche, Möbeln und Inventar. Denn das Kouzina wird im September geschlossen (Familie Sidiropoulos hört altersbedingt auf), die Immobilie kann angemietet werden.
Wenn das neue Lokal funktioniert „und es dort passt“, kann der neue Gastronom dortbleiben, sagt Christine Seizinger. Oder man hilft ihm, eine andere geeignete Immobilie zu finden. Falls der Gründer-Gastronom dort sesshaft wird, muss sich die Stadt für den nächsten Gastro-Gründerpreis eine andere Unterbringung suchen – denn der Wettbewerb soll nach Möglichkeit jährlich ausgeschrieben werden.
„Wir hoffen auf kreative Einreichungen, viel Motivation und Leute, die für ihre Geschäftsidee brennen“, sagt Hödl. Bis Ende Juli kann man seine Idee anmelden, die Bewerbung ist bewusst niederschwellig gehalten: „Das kann auch gerne in Form eines Videos in Kombination mit Social Links eingereicht werden“, sagt Seizinger. „Entscheidend ist, dass am Ende klar rüberkommt, worum es geht und dass die Gründer motiviert sind.“

Was macht die Idee einzigartig?

Man soll also zeigen, was das Vorhaben auszeichnet und einzigartig macht – dann befindet eine Jury über die Einreichungen. Im September folgt für die Favoriten ein öffentlicher Pitch, und danach soll es auch alsbald losgehen. Höfl erläutert das Prozedere: „Wir wollen unserer Stadtgesellschaft präsentieren, wer in Ebingen gründen möchte.“
Das Ganze lässt sich die Stadt etwas kosten. Ins Gebäude Marktstraße 56 werden 150 000 Euro investiert, davon übernimmt der Bund 75 Prozent, dank des Förderprogramms „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“. Hinzu kommt die finanzielle Unterstützung bei der Miete, plus das Engagement der Wirtschaftsförderung und des Citymanagements sowie ehrenamtlichen Mentoring.
Netzwerk und Support sind Hödl und Seizinger besonders wichtig. Und das soll individuell gestaltet werden. „Es kann sein, dass jemand dringend ein Personal-Coaching braucht, während einem anderen im Marketing oder in Steuer- und Finanzfragen unter die Arme gegriffen werden muss“, erläutert Seizinger. „Hier wollen wir flexibel sein und uns nach den Bedürfnissen der Gründer richten.“ Vorgefertigte Gründungsschemata werde es beim Gründerpreis 2023 in Albstadt daher nicht geben.
Hödl kann bei dem Projekt auf die positiven Erfahrungen aus der Technologiewerkstatt in Albstadt-Tailfingen zurückgreifen: Diese gilt als Geburtsstätte neuer, zukunftsweisender Unternehmen. Einige von ihnen sind aus diesem „Nest“ ausgeflogen und haben sich in der Stadt niedergelassen – wie erhofft. Und nach diesem Modell soll nun durch den Gründerpreis eben die Innenstadt belebt werden.

Zeichen für die Zukunft

Das alles gefällt auch Roland Tralmer. Er tritt das Amt des Oberbürgermeisters zwar erst am 1. Juni an, aber mit dem Gründerpreis soll ein „Zeichen für die Zukunft“ gesetzt werden, daher präsentierte er das Projekt schon mit.
Wie Tralmer erläutert, sei die Belebung und Neugestaltung der Ebinger Innenstadt „von zentraler Bedeutung für die Gesamtstadt Albstadt und soll auch ins Umland ausstrahlen“.
Dazu setzt Albstadt auf zahlreiche weitere Vorhaben, denn „Krisen sind immer auch Chancen“. Und so soll mit der Gründungs-Offensive ein deutliches Zeichen gesetzt werfen: für mehr Innovationen, auch aus der Stadtgesellschaft. Denn Tralmer betont: „Neue Ideen können nicht nur im Rathaus wachsen.“
Daher will er Stadtverwaltung, Bürgerschaft, Vereine, Citymanagement, Wirtschaft, Handel und Vereine besser vernetzt sehen. Wenn das klappt und die Gründungs-Offensive ein Erfolg wird, freut sich Tralmer auf „viele Gelegenheiten für Eröffnungsreden und Großworte“.

Eigene Homepage für den Gründerpreis

Für den Gründerpreis ist am Freitag die Homepage www.go-albstadt.de online gegangen. Dort findet man alle Informationen über die ausgeschriebenen drei Preise (Gastro, Laden, Dienstleistung) und alles Wissenswertes zum Bewerbungsvorgang. Die Bewerbungen müssen bis zum 31. Juli eingehen, dann tagt die Jury, und im September wird es einen öffentlichen Pitch der Favoriten geben.