Seine Expeditionen und Ausgrabungen führten ihn mittlerweile in über 100 Länder unserer Erde. Der Unterwasserarchäologe und Forschungstaucher Dr. Florian Huber spricht im Interview mit unserer Zeitung über die Faszination des Tauchens, doch auch darüber, dass man als Taucher Teil des Problems ist.
Herr Dr. Huber, Sie sind seit mehr als 20 Jahren Unterwasserarchäologe und Forschungstaucher – was war Ihr spektakulärster Fund?
Dr. Florian Huber: Das spektakulärste Objekt hat unser Team unfreiwillig entdeckt. Wir bergen im Auftrag von WWF Geisternetze aus den Meeren, und 2020 sind wir am Meeresboden in der Ostsee auf eine „Schreibmaschine“ aufmerksam geworden. Es war eine Enigma, die sich in einem Netz verheddert hatte. Der Fund dieser Chiffriermaschine der Deutschen aus dem Zweiten Weltkrieg ging medial um die Welt.
War das auch für Sie persönlich das spannendste Objekt, das Sie in den Meeren gefunden haben?
Na ja, aus archäologischer Sicht sind Fundstücke aus der Steinzeit mindestens genauso spannend wie ein Wrack aus dem Zweiten Weltkrieg. Beispielsweise ein Aalstecher als Fischfanggerät aus einer steinzeitlichen Siedlung in der Ostsee, bei dem Knochen und Holz mit Bast verbaut wurden. Solche Aalstecher waren als Jagdwaffe so perfekt, dass sie über Jahrtausende kaum verändert wurden. Das gibt uns Einblicke in die Welt vor rund 7000 Jahren – jeder Fund erzählt seine eigene, spannende Geschichte.
Wie sieht denn der Alltag eines Unterwasserarchäologen aus?
Das Tolle ist, dass es keinen Alltag gibt. Die Arbeit ist ungemein abwechslungsreich; jede Forschungsreise birgt eigene Herausforderungen. Ein Tauchgang im Bodensee lässt sich kaum mit einem im Südpazifik oder gar in einer Höhle in Mexiko vergleichen. Die Logistik und natürlich die Ansprüche unter Wasser sind besonders – es ist dunkel, es ist kalt, wir haben eine begrenzte Zeit. Und das alles in einer für den Menschen lebensfeindlichen Umgebung.
Aber genau diese lebensfeindliche Umgebung hat ja für Sie Vorteile.
Absolut, die Objekte haben in den Sedimenten eine geschützte Hülle: Das Meer ist das größte Museum der Welt. Drei Millionen Schiffswracks und etliche versunkene Städte werden konserviert. Während unsere Archäologen-Kollegen an der Oberfläche oft nur einzelne Stücke eines Objekts finden, erhält sich unter Wasser, also unter Luft- und Sauerstoffverschluss, sogar organisches Material. In Wracks in der Ostsee finden wir Fässer mit Stockfisch, in den gefluteten Höhlen auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán, die vor mehr als 10 000 Jahren noch trocken waren, finden wir Faultier- und Bären-Fossilien aus der Steinzeit. Das ist hoch spannend. Die Hochkultur der Maya hat diese Höhlen als Eingang zur Unterwelt angesehen und Opfergaben dargelegt.
Bergen Sie viele dieser Artefakte?
Das Problem ist, dass die Fundstücke die konservierende Umgebung des Wassers seit Jahrhunderten und länger gewöhnt sind. Sobald man Holzstücke eines Wracks an die Oberfläche bringt, beginnt der Zersetzungsprozess. Objekte für Museen bereitzustellen, bedeutet einen immensen Aufwand und kostet viel Geld. Natürlich kommt das vor, doch nicht so häufig, wie viele vermuten.
Was bedeutet die Arbeit eines Unterwasserarchäologen noch?
Vor allem die Dokumentation der Fundstellen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Technik unglaublich weiterentwickelt. Die Unterwasserkameras haben einen immensen Schritt nach vorne gemacht, der es uns ermöglicht, die Wracks als vollständige 3D-Modelle an die Oberfläche zu bringen und dann im Maßstab von 1:20 nachzubilden und an Museen zu übergeben.
Sie verbringen sehr viel Zeit unter Wasser. Wie viele Sorgen machen Sie sich um die Meere?
Als Forschungstaucher sieht man die Veränderungen jeden Tag – sie sind katastrophal. Die Vermüllung mit Plastik, die unzähligen Geisternetze, in denen Hunderttausende von Tieren elendig verrecken. Vor 15 Jahren tobte an den Schiffswracks in der Ostsee das Leben – heute sieht man dort als Taucher keinen Dorsch mehr. 10 000 Wracks aus dem Zweiten Weltkrieg liegen auf den Meeresböden, gefüllt mit Millionen Tonnen Kampfstoffen. In den 1990er-Jahren war es noch erlaubt, Fässer mit Atommüll zu verklappen. In der Tiefsee, von der wir lediglich fünf Prozent erforscht haben, betreiben Firmen Raubbau, ohne dieses Ökosystem auch nur ansatzweise zu verstehen. Es ist sehr frustrierend.
Wie kann man als Privatperson helfen, die Meere zu schützen?
Auf vielen Wegen. Man darf Fisch essen, keine Frage. Aber es muss nicht immer der Seelachs aus Alaska sein. Für ein Kilogramm Seelachs verendet immer ein Wal, ein Delfin oder eine Schildkröte. Das muss den Menschen bewusst sein. Ebenso bei Shrimps: Auf ein Kilogramm stirbt 20 Kilogramm Beifang, die die Fischindustrie nicht verwendet. Da ist die heimische Forelle aus der Aquakultur eine bessere Alternative zu dieser schrecklichen Überfischung.
Vertrauen Sie auf entsprechende Gütesiegel im Fischfang?
Siegel gibt es wie Sand am Meer. Es gibt Gute von WWF oder Greenpeace, doch für den Verbraucher ist es schwierig, die Übersicht zu behalten. Ich persönlich habe mich vor Jahren entschieden, keinen Fisch und keine Meeresfrüchte mehr zu essen. Zuvor mochte ich Hummer, doch als ich die Chance hatte, die Hummer vor Helgoland unter Wasser zu bestaunen, habe ich für mich entschieden, dass die Tiere zu cool, zu schützenswert sind, um lebendig im Kochtopf zu landen.
Doch Taucher selbst produzieren durch ihre Reisen viel CO2 – sind Taucher also nicht auch Teil des Problems?
Mit Sicherheit. Meine Arbeit als Forschungstaucher produziert sehr viel CO2. Nun könnte ich argumentieren, dass das im Sinne der Forschung geschieht – doch die Umwelt fragt letztlich nicht, ob ich nach meiner Reise ein Buch darüber schreibe. Mein Weg ist es, freiwillig für jede Reise eine CO2-Kompensation und auf Fisch zu verzichten.
Welche Bedeutung haben kleine Clubs wie der in Albstadt-Ebingen für die Taucherei?
Sie sind ungemein wichtig. Natürlich stellt sich auch hier die Frage, ob jeder Hobbytaucher zweimal im Jahr nach Ägypten fliegen muss. Doch in der Regel sind Taucher naturverbundene Menschen, die die Unterwasserwelt zu schätzen wissen. Sie erzählen im Freundes- und Bekanntenkreis über ihre Erlebnisse, berichten, wie schön und gleichzeitig bedroht die Meere sind. Tauchclubs bilden zudem Kinder aus, unterrichten früh die anspruchsvolle Technik und erklären die komplexen Zusammenhänge in der Umwelt. Tauchclubs wie der Ebinger setzen sich somit für den Erhalt dieser faszinierenden Welt ein.
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„Im Bann der Tiefe“ am 17. März in der Festhalle
Dr. Florian Huber wurde 1975 in München geboren und taucht seit seiner Jugend. Er studierte Archäologie, Anthropologie und Skandinavistik in München, Umeå (Schweden) und Kiel. Bevor er sich als Unterwasserarchäologe und Forschungstaucher selbstständig machte, war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Kiel und leitete dort die Arbeitsgruppe für maritime und limnische Archäologie. Huber ist Autor zahlreicher Fachpublikationen.
Der Tauchclub Ebingen feiert als kleiner, aber sehr aktiver Verein dieses Jahr sein 60-jähriges Bestehen. Gemeinsam mit der Öffentlichkeit wird es aus diesem Anlass die Gelegenheit zum Mitfeiern geben: Unterwasserarchäologen und Forschungstaucher Dr. Florian Huber hält am Freitag, 17. März, in der Festhalle Albstadt seinen Multivisionsvortrag „Im Bann der Tiefe“.