Die Narretei ist vorbei – die Fastenzeit beginnt. Längst ist das nicht nur etwas für Menschen, die jeden Sonntag in die Kirche gehen. Fasten ist Mainstream geworden. Doch was bedeutet eigentlich Fasten? Die SÜDWEST PRESSE hat bei einem Pfarrer aus der Region nachgefragt.
„Es geht darum, dass man sich deutlich macht, was brauche ich eigentlich wirklich?“, sagt Uwe Stier, leitender Pfarrer der Seelsorgeeinheit Ebingen, Lautlingen und Margretshausen. Alkohol, Süßigkeiten, die ständig plärrenden Social Media Apps auf dem Smartphone – all das lenkt ab, betäubt, nimmt Zeit ein. Die Fastenzeit lädt ein, diese Einflüsse auszuschalten, um Raum zu schaffen für anderes.
Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostersonntag: Fasten im Christentum
Und diese Tradition gibt es schon sehr lange. Bereits die alten Ägypter sollen gefastet haben. Christinnen und Christen fasten seit dem 4. Jahrhundert 40 Tage in Erinnerung an die Zeit, die Jesus laut Lukas- und Markusevangelium in der Wüste gefastet haben soll. Die Zahl ist kein Zufall. Denn schon im Buch Exodus im Alten Testament wandern Moses und die Israeliten nach der Flucht aus Ägypten 40 Jahre durch die Wüste.
Seit dem 6. Jahrhundert beginnt die Fastenzeit an Aschermittwoch und endet in der Osternacht. Wer mitgerechnet hat, wird bemerkt haben, dass das 46 Tage sind. Denn es gibt ein Schlupfloch: Die Sonntage werden traditionell nicht mitgerechnet – ein Stück Kuchen ist da also selbst nach der Tradition erlaubt.
Fastenzeit im Christentum: Wie fastet man als Christ?
„Fastenzeit ist ein volkstümlicher Begriff“, erklärt Stier. Aus Sicht der Kirche beginnt damit die vorösterliche Bußzeit. Buße, das klingt mittelalterlich nach Strafe. „Eigentlich bedeutet es aber, dass ich auf den Prüfstand stelle, wo ich mich in meinem Leben von Gott entferne, um dann wieder zu Gott umzukehren“, sagt Pfarrer Stier. Beziehungspflege sozusagen. Und wie bei zwischenmenschlichen Beziehungen lohnt es sich, dafür Ablenkungen herunterzufahren. Mit der Lebenspartnerin ein tiefes Gespräch führen – das geht schlechter, wenn der Fernseher nebenher läuft.
Den hatten die Menschen im Mittelalter natürlich noch nicht. Deshalb ist die einfachste Form des Fastens seit jeher der Verzicht auf Essen. Vor tausend Jahren aßen deshalb Christinnen und Christen in der Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag keine tierischen Produkte – lebten also vegan. Das heißt: keine Butter, kein Schweineschmalz und kein Käse. Fleisch kam in den ärmeren Bevölkerungsschichten so oder so selten auf den Tisch. Übrigens: Traditionell fasteten im Mittelalter bei Christinnen und Christen nicht nur in der Küche, sondern auch im Schlafzimmer. In den 40 Tagen sollten die Gläubigen nämlich auch auf Sex verzichten.
Worauf kann man fasten?
Diese Tradition hat sich nicht gehalten. Der Verzicht auf bestimmte Lebensmittel ist aber immer noch im Trend. Die überwältigende Mehrheit der Befragten (73 Prozent) einer Forsa-Studie im Auftrag der DAK-Gesundheit wollen auf Snickers, Gummibärchen und Co. verzichten. „Das ist eine Methode und die ist einfach und genial. Die Lebensmittel, die man eingespart hat, kann man dann zum Beispiel spenden“, sagt Stier. Er weiß von vielen Menschen, für die die Zeit befreiend ist. „Ich kenne Leute, die mir sagen, in diesen 40 Tagen bekomme ich es endlich hin, auf Süßigkeiten zu verzichten“, sagt der Pfarrer.
Neben Süßkram steht Alkohol mit 73 Prozent der Befragten ganz oben auf der Liste der Fastenwünsche. Die Zigaretten wollen laut der Studie immerhin 43 Prozent der Befragten in den sieben Wochen in der Schachtel stecken lassen. Die Menschen im Süden Deutschlands fasten übrigens deutlich häufiger als im Osten. Gut die Hälfte der Befragten der DAK-Umfrage im Südwesten gab an, schon mehrmals gefastet zu haben. In den ostdeutschen Bundesländern waren es lediglich ein Drittel.
In der Fastenzeit Zeit nehmen für andere
Doch anders als es mancher Beitrag in den sozialen Medien suggeriert, geht es beim Fasten nicht um Selbstoptimierung oder Abnehmen. In der christlichen Tradition gehört zum Fasten zum Beispiel auch, sich Zeit zu nehmen für seine Mitmenschen. Es soll Zeit sein für den Besuch bei der Nachbarin, der Großmutter oder einem Freund, der eine schwere Zeit durchmacht.
Das alles lässt sich ohne eine Kirchenmitgliedschaft oder einen Gottesdienstbesuch umsetzen. Wer danach ein Bedürfnis hat, für den gibt es zahlreiche Angebote. „Im Gottesdienst kann man sich täglich Impulse abholen“, sagt Stier im Blick auf die katholische Kirche. In der evangelischen Kirche gibt die Aktion „7 Wochen ohne“. Wer mitmacht, bekommt so etwas wie einen Adventskalender – nur für die Fastenzeit und natürlich ohne Schokolade. Darin gibt es geistliche Impulse für jeden Tag.
Pfarrer Stier weiß aber auch: „Man muss kein Kirchenprofi sein, um zu fasten.“ Das geht auch ganz säkular oder in anderen religiösen Traditionen. Er stört sich nicht daran, wenn auch Menschen, die mit der Kirche wenig am Hut haben, die Zeit zum Fasten nutzen. „Das ist nicht etwas, was nur Christen tun dürften, sondern was gut für den Menschen an sich ist“, sagt Stier. Der Ramadan im Islam, Jom Kippur im Judentum und Askese im Buddismus – gefastet wird in vielen Religionen. „Die katholische Kirche ist mitnichten die einzige, in der das empfohlen wird“, sagt Pfarrer Stier.
Tipps zum Fasten: Wie fastet man?
Und wie macht man das nun? „Aus meiner Erfahrung hilft nur, ins kalte Wasser zu springen. Einfach anfangen – besser heute als morgen“, sagt Stier. Wem das hilft, kann sich auch aufschreiben, auf was er oder sie verzichten möchte. Einen solchen Zettel kann man zum Beispiel als kleine Erinnerung an Kühlschrank oder Fernseher hängen. Möchte man in den sieben Wochen Zeit für Gebet oder Meditation haben, lohnt es sich bewusst einen ruhigen Ort zu suchen. Das kann in der eigenen Wohnung, in einer Kirche, aber zum Beispiel auch in der Natur sein. Wer bei einem übervollen Tag das Gefühl hat, dafür keine Zeit zu haben, kann sich bewusst Zeiträume im Kalender blocken.
Was, wenn das alles nicht so klappt wie geplant? „Hinfallen darf man“, sagt der Pfarrer. Wird man vor dem Supermarktregal oder in der Lieblingskneipe einmal schwach, hindere einen niemand daran, am nächsten Tag weiter zu fasten. Es geht beim Fasten nicht um Perfektionismus, sondern eine bewusst erlebte Zeit mit sich, den Mitmenschen – und für Gläubige mit Gott.
Der BUND empfiehlt Klimafasten
Verzicht auf Süßigkeiten oder Alkohol ist der Klassiker in der Fastenzeit. Fasten fürs Klima ist noch nicht so verbreitet. Das empfiehlt der BUND in diesem Jahr. Konkret schlägt der Verband vier Dinge vor.
Wer seinen Plastik-Müll reduzieren möchte, schafft das mit dem Griff zu Mehrwegverpackungen. Die gibt es mittlerweile auch in der Gastronomie.
Weniger Fleisch essen, hilft Klima und Geldbeutel. Im Internet finden sich zahlreiche vegetarische Rezepte zum Ausprobieren.
Regional fasten gibt neue Perspektiven auf die eigene Ernährung – außerdem unterstützt man so die heimischen Landwirte.
Auto-Fasten ist für viele Pendler nicht einfach. Wer aber häufiger Rad fährt oder zu Fuß geht, hilft damit auch seiner Gesundheit.