Es war ein grausamer Fund, den Feuerwehrleute bei einem Brand in einer Pforzheimer Klinik machten: einen Patienten, gefesselt ans Bett – und tot. Jetzt liegt das vorläufige Obduktionsergebnis vor und das ergab, dass der Mann infolge von Brandeinwirkung ums Leben gekommen sein muss. Auch zur Identität des Brandopfers machen Staatsanwaltschaft Karlsruhe und Polizei Pforzheim in einer gemeinsamen Mitteilung nähere Angaben: Bei dem Verstorbenen handelt es sich um einen 58-Jährigen.
Der Patient ist am späten Mittwochabend (3. Mai 2023) in der Notaufnahme zu Tode gekommen. Bevor der Brand ausbrach, der ihn das Leben kostete, war der Mann nach den Erkenntnissen der Ermittler schwer alkoholisiert und verhielt sich derart aggressiv, dass Krankenhausmitarbeiter ihn am Klinikbett fixierten. Inwieweit diese Fixierung strafrechtlich relevant ist, wird laut Staatsanwaltschaft und Polizei noch untersucht. Auch die Ursache für den Brand ist weiterhin Gegenstand der Ermittlungen. Brandermittler haben zusammen mit Sachverständigen des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg die Ermittlungen aufgenommen.
Menschenrechtsanwalt will mit Anzeige Druck machen
Der Karlsruher Menschenrechtsanwalt David Schneider-Addae-Mensah geht von einem Tötungsdelikt durch Unterlassen aus. Er hat Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Mordes gestellt. Bereits bevor das Obduktionsergebnis bekannt wurde, äußerte der Anwalt den Verdacht, dass der Patient infolge des Brandes starb, weil er nicht flüchten konnte. Während einer Fixierung sei eine „Sitzwache“ zwingend. „Eine solche hat es offenbar nicht gegeben oder aber sie hat den Getöteten alleine gelassen“, so der Anwalt. Mit seiner Anzeige will er in erster Linie Druck machen, dass auch für Allgemeinkliniken sowie Alten- und Pflegeheime klar ist, dass bei Fixierungen immer jemand aufpassen muss.
Fixierung als letzte Maßnahme
Wenn Patienten sich selbst oder andere gefährden, können sie mit Gurten ans Bett gefesselt werden. Aber welche Voraussetzungen gelten dafür? Nach Wissen der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) gibt es keine allgemeingültige Checkliste. „Es ist eine ärztliche Entscheidung“, sagte eine Sprecherin. Und nur eine letzte und kurzfristige Maßnahme in Fällen von Selbst- oder Fremdgefährdung. Orientierung bietet das Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz - PsychKHG).
Wann darf ein Mensch ans Bett gefesselt werden?
Der rechtliche Hintergrund ist kompliziert, weil jedes Bundesland ein eigenes Gesetz hat. In Baden-Württemberg sind nach dem PsychKHG „besondere Sicherungsmaßnahmen“ unter engen Voraussetzungen zulässig. Nach §25 gilt dies „wenn und solange eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die Sicherheit in der anerkannten Einrichtung besteht, insbesondere bei erheblicher Selbstgefährdung, der Gefährdung bedeutender Rechtsgüter Dritter oder wenn die untergebrachte Person die Einrichtung ohne Erlaubnis verlassen will, und dieser Gefahr nicht mit weniger eingreifenden Mitteln begegnet werden kann“.
Welche Hürden gibt es?
Die vom Grundgesetz geschützte Freiheit der Person (Artikel 2 und 104) ist ein hohes Gut. Für einen längeren Zeitraum darf eine Fixierung nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018 nur nach einer richterlichen Entscheidung getroffen werden. Eine kürzere Sicherungsmaßnahme kann nach dem PsychKHG von einer Ärztin oder einem Arzt befristet angeordnet werden. Sie ist unverzüglich aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung weggefallen sind. Die höchsten deutschen Richter forderten auch, dass ein fixierter Patient durchgehend durch pflegerisches oder therapeutisches Personal überwacht wird.
Unterschiedliche Stufen der Fixierung
Das PsychKHG erwähnt neben dem Festhalten und der Absonderung in einem besonders gesicherten Raum ausdrücklich die Fixierung. Diese gibt es in verschiedenen Stufen: An Beinen, Armen und Bauch - teils auch um die Brust und Stirn. Bei einer Sieben-Punkt-Fixierung kann der Patient nicht einmal mehr den Kopf bewegen.
Wie oft kommen Fixierungen vor? Dazu sind der Krankenhausgesellschaft für Allgemeinkliniken keine Zahlen bekannt. Was die Psychiatrien im Land angeht, ging das Bundesverfassungsgericht bei der mündlichen Verhandlung zur Fixierung von Psychiatrie-Patienten im Jahr 2018 alleine in Baden-Württemberg von 17.600 Fällen aus.
Bundesweite Todesfälle nach Fixierungen
Bundesweit wurden einige Todesfälle nach Fixierungen bekannt: So starb 2019 ein 34-jähriger Student aus Kamerun an Herzversagen, nachdem Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes ihn gewaltsam fixiert hatten. Aufsehen erregte der Tod von Oury Jalloh, der nach seiner Flucht aus Sierra Leone an Händen und Füßen gefesselt 2005 bei einem Feuer in seiner Zelle in Dessau (Sachsen-Anhalt) ums Leben kam. Jalloh war betrunken und stand unter Drogen. Ob er selber die Matratze anzündete, ist bis heute unklar.