Der Angriff eines „Reichsbürgers“ auf Polizisten in Boxberg hatte im April dieses Jahres Baden-Württemberg erschüttert – nur mit Glück wurde niemand bei der ausufernden Schießerei getötet. Nun sind durch einen Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) neue Details des Vorfalls bekanntgeworden. So ist offenbar bei der Schießerei im Main-Tauber-Kreis auch ein zweiter Polizist verletzt worden. Der 54-jährige „Reichsbürger“ habe „mittels eines vollautomatischen Gewehrs mehrere dutzendmal aus fünf verschiedenen Schusspositionen“ auf 14 Polizisten geschossen, heißt es in einem am Montag veröffentlichten BGH-Beschluss zu dem Ermittlungsverfahren. Dabei seien zwei Beamte verletzt worden. Ursprünglich war nach dem eskalierten Einsatz in dem Städtchen zwischen Heilbronn und Würzburg immer von einem angeschossenen Polizisten die Rede gewesen.
Die Beamten des Spezialeinsatzkommandos waren am 20. April ausgerückt, um bei dem damals 54 Jahre alten Mann nach einer illegalen Waffe zu suchen, als dieser das Feuer eröffnete. Später fanden sie in dem Haus begehbare Waffenkammern, Reichsflaggen, Nazi-Gegenstände, ein riesiges Waffenarsenal und massenhaft Munition. Die Schüsse sollen aus einem jugoslawischen Kalashnikow-Gewehr abgegeben worden sein. Der Generalbundesanwalt übernahm die Ermittlungen wegen der „besonderen Bedeutung“ des Falls. Sechs weitere Personen wurden im Umfeld des Tatorts festgenommen.

Polizisten „gute Jungs“, aber „selbst schuld“ an Attacke

Dem BGH-Beschluss vom 6. September zufolge werfen die Ermittler dem Mann unter anderem versuchten Mord in fünf Fällen vor. Die Verletzten seien „bewusst als Repräsentanten des Staates“ ausgewählt und angegriffen worden. Der Mann habe nach seiner Festnahme gesagt, die Polizisten seien selbst schuld daran, dass er geschossen habe – sie hätten sein Grundstück betreten. Er sehe, dass sie zwar „gute Jungs“ seien, leider würden sie aber auf der „falschen Seite kämpfen“.
Der 3. Strafsenat des BGH hatte mit dem Fall zu tun, weil der Beschuldigte wollte, dass der von ihm gewählte Verteidiger zum zweiten Pflichtverteidiger bestellt wird. Das Ansinnen wurde abgelehnt.
Die brutale Gewalt-Eskalation in dem kleinen Teilort von Boxberg hatte bei Anwohnern Entsetzen und Schock ausgelöst. Die Familie des Angeklagten war aber vielen auch schon vor der Schießerei unheimlich.
Sogenannte Reichsbürger sprechen dem Grundgesetz und den Behörden die Legitimität ab. Sie erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an. Stattdessen behaupten sie häufig, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort – oder beziehen sich auf selbst erfundene Fantasiestaaten wie „Germanitien“. Reichsbürger weigern sich beispielsweise häufig, amtlichen Bescheiden Folge zu leisten, Abgaben oder Bußgelder zu zahlen.