Der Einmarsch ist angelegt als eine Art Triumphzug. Der Spielmannszug der Feuerwehr paradiert vorneweg in die „Alte Kelter“ in Fellbach, dahinter bahnen sich händeschüttelnd Baden-Württembergs CDU-Landeschef Thomas Strobl und sein Vor-Vorgänger, EU-Kommissar Günther Oettinger, den Weg durch die Besucher. Die 1500 Gäste applaudieren. Dann setzt man sich an Biertische, Krüge werden angesetzt, jetzt soll es also losgehen.
Politischer Aschermittwoch – das steht für Attacke, deftige Sprüche, robuste Rhetorik. Doch Strobl gibt sich am Rednerpult erst mal staatsmännisch, beschwört den gesellschaftlichen Zusammenhalt, lobt die Wirtschaftskraft des Landes, die Innovationsstärke, ja sogar die Dichte an Gourmet-Restaurants.
Zu ein paar Seitenhieben holt der Landes-Innenminister dann doch aus – bevorzugt gegen Koalitionspartner der CDU in Bund und Land. Die SPD in Berlin gehe „linken Tagträumen nach“, wenn sie Hartz IV abschaffen und durch ein Bürgergeld ersetzen wolle. Für ihn „ein All-inclusive-Paket auf Kosten der Steuerzahler“. Den grünen Regierungspartner in Stuttgart nimmt er vor allem beim Thema Fahrverbote aufs Korn. Um die zu vermeiden, müsse das Land stärker „Spielräume nutzen“, daher habe es „in den letzten Wochen schon auch mal gedonnert“ in der Koalition.
Über Haken gegen AfD („Hort für Extremisten“) und Linke („Anti-Europäer“) kommt Strobl zum heutigen Hauptthema: die bevorstehenden Europawahlen. Er fordert „eine Zukunftsvision für Europa“, vor allem eine gemeinsame Sicherheitspolitik.
Nun übernimmt Oettinger. Europa befinde sich im „Kampf der Systeme“, warnt er. Autokraten in China, Russland, der Türkei bedrohten die Idee der liberalen, rechtsstaatlichen Demokratien, es drohe Handelskrieg mit den USA. Allein sei Deutschland zu klein. „Wenn wir die Welt von Übermorgen mit gestalten wollen, brauchen wir eine starke EU.“
Doch auch der Ex-Ministerpräsident kehrt zur Landespolitik zurück. 2021 müsse die CDU wieder stärkste Partei werden. Winfried Kretschmann sei untätig: „Der macht nichts und deshalb auch nicht viel falsch.“ Einen harten Bruch aber will Oettinger nicht. Er finde: „Schwarz-Grün wäre die gute Antwort auf Grün-Schwarz.“
Schwarz-Grün? Kein Thema für die Grünen bei ihrem Aschermittwoch in Biberach, natürlich. Schließlich regiert man im Südwesten seit 2011, ist stärkste Kraft und hat einen „Minischterpräsidenten“ mit sagenhaften Umfragewerten. Da darf der 24. Aschermittwoch der Landesgrünen im Oberschwäbischen schon zum grünen Hochamt werden, Bußpredigten wider die Polit-Konkurrenz sind nur Einsprengsel.
Holzhacker-Rhetorik ist ohnehin nicht sein Ding: Robert Habeck, Grünen-Co-Bundesvorsitzender stürmt die Bühne mit „Hallo, Biberach!“ und erntet begeisterten Beifall. 2018 sei gefühlt fast täglich Aschermittwoch gewesen, so viel Polemik und erfolgreicher Populismus. Deshalb sei 2019 Zeit für eine Politik, die „Maß und Mitte hält“, sagt er. Die 1100 Leute im Saal feiern Habeck für sein Bekenntnis zu Europa und seinen Appell gegen Populismus. Ein Ja zu Europa bei der Wahl am 26. Mai sei die einzige Chance, nicht in düstere nationalistische Zeiten zurückzufallen.
Etwas Spott dann doch, als Habeck Verständnis für CDU und SPD zeigt, die in der großen Koalition wieder mehr Schwarz oder mehr Rot werden wollten. „Unsere Gesellschaft ist aber bunter“, so Habeck. Tadel daher für CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wegen ihrer Gender-Auslassungen vor dem Stockacher Narrengericht. Sie habe „Probleme mit zu viel bunt“, so Habeck. Er lobt dagegen die klimastreikenden Pennäler: „Die Schülerinnen und Schüler treten uns alle in den Hintern.“
Der zweite Redner ist Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Der 26. Mai, der Tag der Europawahl, müsse zum „Tag der Demokratie werden“, sagt er. Die Südwest-CDU ist Kretschmann gar keine richtige Spitze wert. Dabei ist die Zusammenarbeit gerade nicht so spaßig, Stichwort: Diesel-Fahrverbote. „All die Probleme, die wir gerade haben, sind nicht von uns gemacht“, sagt Kretschmann dazu. Lob für die streikenden Schüler auch von ihm. Das sei „Mut, was die jungen Leute machen“ . Auch wenn er als Regierungschef hinzufügen müsse: nicht im Unterricht. Tosender Applaus auch dafür.
Was war bei SPD und FDP zu hören?
Gut 600 Menschen kamen zum politischen Aschermittwoch der Südwest-SPD ins Ludwigsburger Forum. Der SPD-Landesvorsitzende Andreas Stoch sagte, Ministerpräsident Winfried Kretschmann „ist der Oberlehrer dieses Bundeslandes“. Deshalb meine er wohl auch, dass es keine zusätzlichen Lehrer brauche. Genosse Martin Schulz sagte: „Man kann unterschiedlicher Meinung sein, aber dass sich eine CDU-Vorsitzende darüber äußert – auch im Karneval – wer auf welche Toilette gehen darf, das ist sicher nicht das Niveau, mit dem man die Bundesrepublik Deutschland führen sollte.“ Der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke kritisierte Bestrebungen in der CDU für ein Bündnis mit den Grünen auf Bundesebene. dpa